
Im Gegensatz zu Krankenhäusern, müssen niedergelassene Ärzte sämtliche Bereiche – medizinisch, organisatorisch und wirtschaftlich – selbst organisieren. Das stellt im Bereich Nachhaltigkeit eine große Herausforderung dar. Denn ein laufendes System auf nachhaltige Alternativen umzustellen, ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch mit Investitionen verbunden. Wir zeigen, wie niedergelassenen Ärzten dieser Balanceakt gelingen kann und mit welchen kleinen Veränderungen bereits große Effekte in Bezug auf Nachhaltigkeit in der Arztpraxis entstehen können.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Nachhaltigkeit in der Arztpraxis?
Nachhaltigkeit in der Arztpraxis reißt nicht nur grüne Themen und Klimaschutz an. Nachhaltigkeit bedeutet auch einen bewussten und sozial verantwortlichen Umgang mit den Beschäftigten.
Einarbeitung neuer Kollegen ist zeitintensiv und für bestehende Kollegen auch mitunter sehr anstrengend. Umso wichtiger ist es, gut ausbildete und eingearbeitete Mitarbeiter dauerhaft an die Praxis zu binden und ihnen neben einer fairen Bezahlung auch geregelte Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur beruflichen Weiterbildung zu gewähren.
Außerdem spielt neben der personellen Ressource auch der Klimaschutz eine immer bedeutendere Rolle. Während große Unternehmen gesetzlich bereits zu Transparenz und Nachhaltigkeit in vielen Bereichen verpflichtet werden, obliegen unternehmerische Entscheidungen zum Thema Nachhaltigkeit häufig dem Praxisinhaber allein. Dabei schonen oft schon kleine Veränderungen nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget.
Nachhaltige Arztpraxis – Ressourcen clever verwenden
Ein bewusster Umgang mit Ressourcen beginnt bereits bei der Verschreibung von Medikamenten und der Auswahl von medizinischen Hilfsmitteln. Ärzte sollten bevorzugt Produkte empfehlen, die umweltfreundlich hergestellt werden, aus nachhaltigen Materialien bestehen und im besten Fall auch noch wiederverwendbar sind. Hier einige Beispiele:
- biologisch abbaubare Verbandmaterialien
- Geräte mit wiederaufladbarem Akku
- kompostierbare Inkontinenzprodukte
Zusätzlich ist folgendes Vorgehen sinnvoll:
- Großpackungen statt Einzelpackungen
- Second Hand-Verwendung von geeigneten Geräten
- Sterilisation statt Einwegprodukte (Skalpelle, Scheren)
- Abbestellen von Proben in Kleinstabfüllungen (Müllreduktion)
Weitere Wege die Arztpraxis nachhaltiger zu gestalten sind beispielsweise die Verwendung energieeffizienter Geräte, das Vermeiden von Standby-Funktionen, eine effektive Abfalltrennung oder der Einsatz von papierlosen Technologien, wie elektronischen Patientenakten und E-Rezepten.
Im heutigen Gesundheitswesen ist noch sehr viel Luft nach oben, denn Nachhaltigkeitsstandards spielen gegenüber dem Preis häufig noch eher eine untergeordnete Rolle. Da vor allem Vertragsärzte in vielen dieser Punkte von gesetzlichen Vorgaben oder Institutionen abhängig sind, sind hier nicht nur die Praxisinhaber, sondern auch beispielsweise die Kassenärztliche Vereinigung (KV) oder das Bundesgesundheitsministerium im Zugzwang.
Nachhaltigkeit auf Rezept – Medikamente
Bei genauerer Betrachtung im Bereich der Medikamentenverordnung ist festzustellen, dass jährlich tausende Tonnen Medikamente ungenutzt entsorgt werden. Die Hauptursachen hierfür sind das Ablaufen des Verfallsdatums, Überverschreibungen, falsche Dosierungen oder die Nicht-Einhaltung von Therapieplänen durch Patienten.
Diese Verschwendung belastet nicht nur die Umwelt, sondern auch das Gesundheitssystem finanziell. Verantwortlich sind einerseits verschreibende Ärzte, wenn Rezepte zu großzügig ausgestellt werden, andererseits aber auch die Patienten, die Medikamente zum Beispiel nicht wie vorgeschrieben einnehmen oder Vorräte anhäufen.
Um diese Verschwendung zu reduzieren, sollten Ärzte verstärkt auf die genaue Dosierung achten und über die korrekte Anwendung und Entsorgung von Medikamenten aufklären. Eine verbesserte digitale Patientenakte könnte zudem helfen, die Verschreibungshistorie von Medikamenten transparenter zu gestalten und damit Überverschreibung zu vermeiden.
Ungenutzte Medikamente dürfen nicht wiederverwendet beziehungsweise weitergereicht werden, sobald sie einmal in Verkehr gebracht wurden. Dies verbietet das Arzneimittelgesetz, da die Qualität und Unbedenklichkeit nicht mehr gewährleistet sein könnten. So wird an einigen Stellen Nachhaltigkeit auch durch bestehende Gesetze blockiert.
Nachhaltige Arztpraxis – Prävention als Strategie
Die Vermeidung von Erkrankungen ist eine der effektivsten Möglichkeiten Ressourcen im medizinischen Bereich einzusparen, denn tritt eine Erkrankung gar nicht erst auf, muss sie auch nicht behandelt werden.
Die Förderung von Präventionsmaßnahmen ist deswegen besonders wichtig. Indem Ärzte den Fokus auf präventive Gesundheitsstrategien legen – dazu zählen Impfungen, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und Aufklärung über gesunde Lebensweisen – können sie den Bedarf an aufwendigen Behandlungen und Hospitalisierungen reduzieren.
Telemedizin
Die Telemedizin birgt großes Potenzial, das Gesundheitssystem insgesamt nachhaltiger zu gestalten. So können die ohnehin knappen personellen Ressourcen optimal genutzt, lange Reisewege eingespart und eine hochwertige Versorgung flächendeckend gewährleistet werden.
Bereits in vielen Bereichen wird das Konzept Telemedizin mehr als erfolgreich angewendet, beispielsweise im Bereich der Radiologie, um Ärzte miteinander zu vernetzen. Im Bereich der unmittelbaren Patientenversorgung gibt es allerdings noch Verbesserungspotenzial und Optimierungsbedarf. Denn die Telemedizin beschränkt sich nur auf die visuelle und akustische Ebene. Eine körperliche Untersuchung ist beispielsweise nur sehr eingeschränkt möglich. Hier könnten smarte Überwachungssysteme hilfreich werden, die beispielsweise Vitalparameter messen und an den Arzt weiterleiten.
Ressource Mensch und soziale Verantwortung
Die Gesundheitsbranche leidet seit Jahren besonders stark unter einem Mangel an fertig ausgebildeten Fachkräften. Das betrifft nicht nur den stationären Sektor, sondern besonders auch den ambulanten Bereich.
Praxisinhaber sehen sich deswegen häufig besonderes großer personeller Verantwortung gegenüber, denn ein gut ausgebildeter und fertig eingearbeiteter Mitarbeiter, der die Praxisabläufe kennt, Aufgaben zügig und effizient erledigt und den Patientenstamm gut kennt, ist heutzutage Gold wert.
Dementsprechend sind neben einer gerechten Bezahlung, auch faire und geregelte Arbeitszeiten, ein familienfreundliches Umfeld, die Möglichkeiten auf berufliche Weiterqualifikation, sowie außerberufliche Angebote (Rabattaktionen, die Förderung von E-Mobilität, Sport- oder Wellness) und gemeinsame Aktivitäten unerlässlich für ein effizient arbeitendes Team, das sich mit der Praxis identifiziert. Außerdem sind regionale Berufsgruppen heutzutage in der Regel hervorragend miteinander vernetzt. Es wird sich also herumsprechen, wenn in einer Arztpraxis die Arbeitsbedingungen besonders attraktiv sind. Ein nachhaltiger Umgang mit den Beschäftigten wird sich mittel- und langfristig deswegen in jedem Fall ganz von allein auszahlen. Mehr dazu hier:
Fazit
Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen ist eine Herausforderung, die alle Beteiligten betrifft. Mit etwa 104.000 Praxen, Gemeinschaftspraxen oder medizinischen Versorgungszentren, stellt der ambulant tätige Teil der Ärzte einen entscheidenden Anteil an der Gesundheitsversorgung in Deutschland dar. Eine nachhaltige Umgestaltung ist nur mit Hilfe aller Beteiligten möglich. Dazu muss jede einzelne Institution die notwendigen Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen, damit das große Ganze dann wie ein Uhrwerk funktionieren kann. Um die Nachhaltigkeit in der Arztpraxis zu verbessern, sollten Praxisinhaber deswegen nicht erst warten, bis sie gesetzlich dazu verpflichtet werden, sondern bereits jetzt damit beginnen, sich Stück für Stück zu verbessern.