
Die Entscheidung für die eigene Niederlassung als Arzt wirft die Frage auf: Welche Form ist die richtige? Jede Niederlassungsform bringt spezifische Vor- und Nachteile mit sich. Sie beeinflusst die Arbeitsweise, den finanziellen Rahmen und die zukünftige Ausrichtung der Praxis. Neben den klassischen Modellen gibt es flexible Kooperations- und Arbeitsformen, die Ärzten ermöglichen, Ressourcen zu teilen oder Arbeitszeiten flexibler zu gestalten sowie Versorgungskonzepte zur Optimierung der Patientenbetreuung. Diese Übersicht bietet einen kompakten Einblick in die verschiedenen Niederlassungs- und Kooperationsformen, um die passende Entscheidung für Ihre Praxis zu erleichtern.
Inhaltsverzeichnis
- Niederlassungsformen: Einzelpraxis
- Niederlassungsformen: Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)
- Niederlassungsformen: Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
- Niederlassungsformen: Praxisgemeinschaft
- Niederlassungsformen: Zweigpraxis
- Niederlassungsformen: Ärztehaus
- Kooperations- und Arbeitsmodelle: Apparategemeinschaft
- Kooperations- und Arbeitsmodelle: Laborgemeinschaft
- Kooperations- und Arbeitsmodelle: Arztnetz/Praxisnetz
- Kooperations- und Arbeitsmodelle: Job-Sharing
- Konzepte der medizinischen Zusammenarbeit
Niederlassungsformen: Einzelpraxis
Die Einzelpraxis ist die am häufigsten gewählte Form der Niederlassung, wobei in Deutschland etwa 58 % der Praxen so organisiert sind. Diese Praxisform erlaubt es dem Arzt oder der Ärztin, die Praxis nach persönlichen Vorstellungen zu führen. Sie können entweder eine neue Praxis gründen oder eine bestehende Praxis übernehmen:
Vorteile:
Die Unabhängigkeit in allen Entscheidungen und die Möglichkeit, sowohl organisatorisch als auch medizinisch die Praxis selbst zu gestalten.
Nachteile:
Eine erhöhte Arbeitsbelastung, da der Praxisinhaber sowohl ärztliche als auch unternehmerische Verantwortung trägt.
Niederlassungsformen: Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)
In einer Berufsausübungsgemeinschaft, der modernen Variante einer traditionellen Gemeinschaftspraxis, arbeiten mehrere Ärzte zusammen, die sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich eine Einheit bilden. Diese Form reduziert die hohen Anfangsinvestitionen, da Personal, Räumlichkeiten und Geräte geteilt werden.
Vorteile:
Fachlicher Austausch, Kostenersparnis, breiteres Behandlungsspektrum und erleichterte Patientenakquise.
Nachteile:
Längere Entscheidungswege durch Konsensfindung, mögliche Konflikte bei unterschiedlichen Meinungen.
Wer darf mit wem?
Gemäß § 33 Absatz 2 der Ärzte-Zulassungsverordnung steht diese Möglichkeit allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern offen, unabhängig von ihrer Fachgruppe. So können sich beispielsweise Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten oder auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zusammenschließen, sei es durch den Zusammenschluss bestehender Praxen, eine Neugründung oder den Beitritt zu einer bereits bestehenden BAG. Wichtig dabei ist die sorgfältige Planung aller Aspekte wie Eigentumsverhältnisse, Versorgungsansprüche und die Verteilung von Verantwortlichkeiten und Gewinnen, um die Kooperation auf eine solide, langfristige Basis zu stellen.
Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft
Diese Variante der BAG ermöglicht es Ärzten, an verschiedenen Standorten zu arbeiten. Die Praxen agieren in einer Region der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), und ein erhöhter Patientenstamm kann durch die geografische Ausweitung erreicht werden.
Vorteile:
Erweiterung des Einzugsgebiets und der Patientenzahl, geteilte Ressourcen an mehreren Standorten.
Nachteile:
Erhöhter Organisationsaufwand und komplexere Abstimmungen zwischen den Standorten.
Teilberufsausübungsgemeinschaft (TBAG)
In der TBAG arbeiten Ärzte nur in bestimmten Bereichen zusammen und behalten in anderen ihre Unabhängigkeit. Diese Form der Zusammenarbeit wird oft für spezialisierte Leistungen genutzt, bei denen Fachwissen gebündelt wird.
Vorteile:
Fokussierte Zusammenarbeit bei speziellen Patientengruppen, flexible Kooperation.
Nachteile:
Erfordert klare Absprachen und vertragliche Regelungen, um Konflikte in der Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche zu vermeiden.
Achtung!
Die Bildung einer TBAG darf nicht dazu genutzt werden, das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt zu umgehen. Sowohl das Sozialrecht als auch die Berufsordnungen verbieten Strukturen, die auf Kick-Back- oder Provisionsmodellen basieren.
Niederlassungsformen: Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
In einem MVZ arbeiten Ärzte aus verschiedenen oder derselben Fachrichtung zusammen. Die Zusammenarbeit erfolgt oft in einem Anstellungsverhältnis, wobei alle Leistungen unter einer Betriebsstättennummer abgerechnet werden.
Vorteile:
Gemeinsame Patientenversorgung, zentrale Abrechnung, reduzierte wirtschaftliche Risiken.
Nachteile:
Mögliche Einschränkungen der fachlichen Unabhängigkeit, da wirtschaftliche Vorgaben des MVZ zu beachten sind.
Was ist der Unterschied zwischen MVZ und BAG?
Gründungsberechtigte: MVZ können von einer breiteren Gruppe von Akteuren gegründet werden, während BAGs ausschließlich von zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Psychotherapeuten gegründet werden.
Anstellungsverhältnis: In einem MVZ können Ärzte als Angestellte arbeiten, was in einer BAG nicht der Fall ist, da hier alle Partner selbstständig sind.
Mehr zum Thema MVZ:
- Als Ärztin/Arzt im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) arbeiten
- Berufseinstieg im MVZ: Vor- und Nachteile des Medizinischen Versorgungszentrums
- Gehalt Arzt/Ärztin: Unterschiede in Praxis, Klinik und MVZ
Niederlassungsformen: Praxisgemeinschaft
Bei der Praxisgemeinschaft nutzen Ärzte gemeinsam Räume, Personal und Geräte, bleiben jedoch rechtlich und wirtschaftlich unabhängig. Sie führen ihre Abrechnung separat und profitieren von geteilten Betriebskosten.
Vorteile:
Kostenersparnis, Flexibilität, einfache Trennung möglich.
Nachteile:
Strikte Trennung der Patientenunterlagen nötig, potenzielle Datenschutzprobleme.
Niederlassungsformen: Zweigpraxis
Ärzte können neben ihrer Hauptpraxis eine oder zwei Zweigpraxen eröffnen. Dies dient zur Erweiterung des Einzugsgebiets oder zur Versorgung unterversorgter Regionen.
Vorteile:
Erweiterung des Leistungsspektrums, Flexibilität bei der Standortwahl.
Nachteile:
Erhöhter Planungsaufwand und Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich.
Niederlassungsformen: Ärztehaus
Ein Ärztehaus ermöglicht es mehreren Ärzten, eigenständig unter einem Dach zu arbeiten. Jeder Arzt betreibt seine Praxis unabhängig, profitiert aber von den Synergien der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen.
Vorteile:
Selbstständige Praxisführung bei gleichzeitiger Nutzung gemeinsamer Infrastruktur.
Nachteile:
Volles wirtschaftliches Risiko bleibt beim Praxisinhaber.
Kooperations- und Arbeitsmodelle
Neben den klassischen Niederlassungsformen gibt es eine Vielzahl von Kooperations- und Arbeitsmodellen, die Ärzten zusätzliche Flexibilität und wirtschaftliche Vorteile bieten können. Diese Modelle ermöglichen es, Ressourcen gemeinsam zu nutzen, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten oder spezielle fachliche Kooperationen einzugehen, ohne die Unabhängigkeit vollständig aufzugeben.
Kooperations- und Arbeitsmodelle: Apparategemeinschaft
In einer Apparategemeinschaft teilen sich mehrere Ärzte kostenintensive medizinische Geräte wie MRTs oder CTs. Diese Form der Kooperation reduziert die Anschaffungskosten und verbessert die Auslastung der Geräte.
Vorteile:
Kostensenkung durch gemeinsame Nutzung teurer Geräte.
Nachteile:
Erhöhte Abstimmung nötig, potenzielle Konflikte bei der Gerätenutzung.
Die Gründung einer Apparategemeinschaft erfordert einen sorgfältig ausgearbeiteten Vertrag, der Zweck, Nutzung und Management der gemeinsamen Geräte detailliert festlegt. Sie haben die Wahl zwischen verschiedenen Rechtsformen. Welche die richtige ist, lesen Sie hier:
Kooperations- und Arbeitsmodelle: Laborgemeinschaft
Die Laborgemeinschaft ermöglicht es Ärzten, Laborressourcen wie Geräte, Reagenzien und Personal gemeinsam zu nutzen. Jeder Arzt rechnet die erbrachten Laborleistungen jedoch individuell ab.
Vorteile:
Kostenteilung und breiteres Leistungsspektrum, insbesondere für kleinere Praxen ohne eigenes Labor.
Nachteile:
Erfordert klare Absprachen über die Nutzung und Abrechnung der Ressourcen.
Kooperations- und Arbeitsmodelle: Arztnetz/Praxisnetz
Ein Arztnetz stellt einen regionalen Zusammenschluss von Ärzten und Psychotherapeuten dar. Hier arbeiten Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammen, um die medizinische Versorgung zu verbessern.
Vorteile:
Fachübergreifende Kooperation, verbesserte Patientenversorgung, ohne wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verlieren.
Nachteile:
Erfordert Erfüllung bestimmter Struktur- und Qualitätskriterien für die Anerkennung durch die Kassenärztliche Vereinigung.
Kooperations- und Arbeitsmodelle: Job-Sharing
Im Job-Sharing teilen sich zwei Ärzte einer Fachrichtung die Arbeitszeit und den Patientenstamm in derselben Praxis. Diese Form ist besonders attraktiv bei Praxisübernahmen oder wenn flexible Arbeitszeiten gewünscht sind.
Vorteile:
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Flexibilität, gegenseitige Vertretung.
Nachteile:
Enge Abstimmung erforderlich, potenzielle Konflikte bei unterschiedlichen Arbeitsstilen.
Anstellung und Teilzulassung
Eine weitere Form der Niederlassung ist die Teilzulassung, bei welcher man selbstständig mit der eigenen Praxis in Teilzeit arbeitet. Das bedeutet: Im Vergleich zu einer vollen Zulassung beträgt die vorgeschriebene Präsenzzeit in der Praxis zehn anstatt zwanzig Stunden pro Woche. Als teilzugelassene Person kann man sich halbtags in einem Krankenhaus anstellen lassen oder sich in der freien Zeit, die zur Verfügung steht, der Familie, den Freunden und den Hobbies widmen.
Für die Niederlassung als Ärztin/Arzt ist eine Selbstständigkeit nicht zwingend erforderlich. Wenn man sich niederlassen möchte, kann man sich auch als Ärztin/Arzt in einer Praxis anstellen lassen oder sich für eine Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) entscheiden. Der Vorteil: Sicheres regelmäßiges Gehalt und keine finanziellen Investitionen.
Mehr zum Job-Sharing und der Frage „Niederlassen oder anstellen lassen?“ finden Sie hier:
- Jobsharing für Ärzte: Wenn sich zwei Mediziner einen Arztsitz teilen
- Infoseite Niederlassen oder Anstellen lassen
Konzepte der medizinischen Zusammenarbeit
Zusätzlich bieten Versorgungskonzepte wie die integrierte Versorgung erweiterte Möglichkeiten, die Patientenbetreuung durch sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern und effizienter zu gestalten. Diese Optionen helfen dabei, die Praxisführung optimal an individuelle Bedürfnisse und regionale Versorgungsanforderungen anzupassen.
Integrierte Versorgung
Die integrierte Versorgung zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen zu verbessern. Ziel ist es, die Patientenversorgung durch eine nahtlose Verknüpfung verschiedener Sektoren zu optimieren.
Vorteile:
Verbesserte Patientenversorgung, sektorenübergreifende Zusammenarbeit.
Nachteile:
Erfordert eine sorgfältige Planung und vertragliche Vereinbarungen zwischen den beteiligten Einrichtungen.
Häufige Fragen
- Mit welchem Arbeitsverhältnis kann man in einer Niederlassung arbeiten?
- Wie familienfreundlich ist eine Niederlassung?
- Wie sind die Arbeitszeiten in einer Niederlassung?
- Was verdient man als niedergelassener Arzt?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, in welchem Arbeitsverhältnis Ärzte in der Niederlassung arbeiten können. Sowohl die Selbstständigkeit als auch das Angestelltenverhältnis ist möglich.
Niedergelassene Ärzte können außerdem klinisch tätig sein, indem sie als Belegärzte arbeiten. Belegärzte haben Verträge mit Krankenhäusern, in denen sie Betten mit eigenen Patienten belegen dürfen, um diese dort zu behandeln. Dies ist zum Beispiel in den Fächern HNO, Gynäkologie, Urologie, Augenheilkunde und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie üblich.
Als Praxisinhaber ist man sein eigener Chef und kann bis zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, wie viel man tatsächlich arbeiten möchte. Ärztinnen können sich nach der Geburt eines Kindes für bis zu 12 Monate vertreten lassen. Für Eltern in der Kindererziehung sind sogar bis zu 3 Jahre Vertretungszeit möglich.
Auch die alte Residenzpflicht gibt es nicht mehr: Heutzutage kann auch der Standort der Praxis unabhängig vom Wohnsitz frei gewählt werden, was Familien mehr Freiheit gewährt.
Mit einer vollen Kassenzulassung geht die Verpflichtung einher, mindestens 20 Sprechstunden in der Woche anzubieten. Mit einer halben Kassenzulassung (der sogenannten Teilzulassung) sind 10 Sprechstunden in der Woche Pflicht.
Durchschnittlich kommen niedergelassene Hausärztinnen/-ärzte in Deutschland inklusive Hausbesuche, Notdienste und Verwaltungsarbeiten auf knapp 56 Wochenstunden bei 52 Patienten/Tag, niedergelassene Fachärzte auf 53 Stunden/Woche bei 38 Patienten/Tag.
Was ein niedergelassener Arzt verdient, lässt sich pauschal nicht sagen. Der Reinertrag einer Praxis ist abhängig von ihrer Größe und Lage, den zu bezahlenden Fixkosten und Verbindlichkeiten, der Fachrichtung und zahlreichen anderen Einflussfaktoren.