Die eigene Praxisgründung ist für viele Ärztinnen und Ärzte ein großer Traum. Es lassen sich Arbeitsschwerpunkte je nach Interesse selbst festlegen, ebenso hat man bei der Geschäftsstrategie mehr Gestaltungsspielraum, wenn es beispielsweise um Investitionsentscheidungen geht. Mit persönlichem Einsatz und unternehmerischem Geschick ist eine eigene Praxis auch finanziell überaus lukrativ. Der folgende Artikel fasst die wichtigsten Schritte zur eigenen Praxis zusammen, damit Ihr Weg in die Selbstständigkeit als Arzt möglichst strukturiert abläuft.
Inhaltsverzeichnis
1. Schritt: Vorüberlegungen und Planung
Bevor sich ein Arzt in eine detaillierte Planung stürzt, sollte er sich einige grundsätzliche Fragen beantworten, denn sie bestimmen das gesamte weitere Vorgehen. Dazu gehören Fragen zu:
- Bedarfsplanung
- Zulassungsbeschränkungen
- Standort
- Anforderungen an die Räumlichkeiten
- Kosten und Finanzierung
- Niederlassungsform und Rechtsform
- eigene Fähigkeiten
- Beratungsbedarf
Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkung
Sich einfach mit der eigenen Praxis an einem Wunschort niederlassen ist nicht so einfach möglich. Wo man sich schlussendlich niederlassen kann, hängt grundsätzlich von der Bedarfsplanung seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der Länder ab. Die KV regeln im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags bezüglich der ambulanten Patientenversorgung, wo beziehungsweise unter Beachtung welchen Modalitäten eine Praxisniederlassung möglich ist, sodass die Menschen in einer Region wohnortnah und flächendeckend Zugang zur medizinischen Versorgung haben.
In diesem Zusammenhang wird zwischen „offenen“ und „gesperrten“ Niederlassungsbereichen unterschieden. In offenen Bereichen können Ärzte eine eigene Praxis gründen, eine Praxis von einem Kollegen übernehmen oder in eine Gemeinschaftspraxis einsteigen. In gesperrten Niederlassungsbereichen muss zuerst eine Praxis „frei“ beziehungsweise die ärztliche Zulassung eines Arztes abgegeben werden, bevor eine neue Praxis eröffnet werden kann. In bestimmten Ausnahmefällen ist die Erteilung einer Zulassung auch bei Erreichen des maximalen Versorgungsniveaus möglich.
Welche Niederlassungsform ist die richtige?
Arbeiten Sie als Arzt lieber allein oder im Team? Wie viel Verantwortung möchten Sie selbst tragen und möchten Sie eine Vollzeitstelle oder gegebenenfalls nur in Teilzeit arbeiten? Diese Fragen sollte man sich unter anderem bei der Wahl der geeigneten Niederlassungsform stellen. Die folgenden Modelle stehen hierbei zur Auswahl:
- Einzelpraxis
- Gemeinschaftspraxis
- Praxisgemeinschaft
- Teilzulassung
- Anstellung in einer bestehenden Praxis
- Jobsharing (Teilen eines Arztsitzes)
Welche Rechtsform ist die richtige?
Wenn die Entscheidung für eine passende Niederlassungsform gefallen ist, muss noch die passende Rechtsform gewählt werden:
Arztpraxis eröffnen – Welche Rechtsform ist die richtige?
Standortanalyse und Standortbewertung
Im Rahmen der Standortanalyse und -bewertung sollten sich Ärzte mit Niederlassungswunsch die folgenden Fragen stellen.
- Ist meine Praxis gut mit dem Auto und den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen?
- Stehen ausreichend Parkmöglichkeiten zur Verfügung?
- Wie steht es um die medizinische Infrastruktur? Gibt es Apotheken oder medizinische Fachgeschäfte in kurzer Distanz?
- Wie ist die Wettbewerbssituation vor Ort beziehungsweise die fachliche Konkurrenz?
- Besteht die Möglichkeit Patienten in kurzer Distanz an Kollegen anderer Fachrichtungen zu überweisen?
- In welchem Einzugsgebiet ist man tätig und wie ist die dortige Bevölkerungsstruktur?
Anforderungen an die Räumlichkeiten
Die Wahl der geeigneten Praxisräume ist basierend auf der Arbeitsstättenverordnung an gesetzliche Anforderungen gebunden. Diese betreffen unter anderem die folgenden Punkte.
- die Praxis darf nicht in einer Wohn- sondern nur in einer Gewerbeimmobilie eröffnet werden
- Brand-, Wärme- und Schallschutz muss gewährleistet sein
- Praxisräume müssen ausreichend groß und hoch sein
- Notausgänge müssen vorhanden und gekennzeichnet sein
- einzelnen Praxisräume müssen je nach Benutzungszweck (Anmeldung, Untersuchungsraum, Eingriffsraum) unterschiedlich ausgestattet sein
- Praxisräume müssen barrierefrei sein
Weniger straffe Regeln bei Praxisübernahme
Bei Übernahme einer bereits bestehenden Praxis gilt ein weniger straffes Regelwerk als bei einer Neueröffnung. Daher empfiehlt es sich, eine Praxisübernahme und damit bestehende Praxisräume in Erwägung zu ziehen.
Kosten und Finanzierung
Je nach Fachgebiet variieren die Kosten einer Praxisgründung, was in erster Linie der Anschaffung medizinischer Gerätschaften geschuldet ist. Die Praxisausstattung eines Allgemeinmediziners ist bei Weitem nicht so kostenintensiv, wie die eines Radiologen. Finanzierung durch Kredite, Leasing oder Mietkauf? Das ist keine Frage des Entweder-Oder. Ein zuverlässiges Finanzierungskonzept enthält häufig mehrere Elemente. Sind Sie noch unsicher, ob Sie lieber eine Praxis üebrnehmen wollen? Dann lesen Sie hier:
Fähigkeiten analysieren
Eine Arztpraxis ist vor allem auch ein Wirtschaftsunternehmen. Zum Erfolg gehören neben betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein gutes Personalmanagement. Beides steht auf dem Fundament ihres Medizinischen Fachwissens. Mitarbeiter und Patienten wollen mit Fachkompetenz überzeugt werden. Schließlich ist die Qualität der Behandlung der Maßstab jeder Arztpraxis. Dies spricht sich schnell rum und ist die Grundlage ihres Praxismarketings. Hier helfen regelmäßige Fort und Weiterbildungen, um auf dem neuesten Stand der Behandlungsmethoden zu bleiben für ihre Mitarbeiter – und auch für Sie, u.a. auch im Bereich Führung und Management.
2. Schritt: Genehmigungen einholen
Bevor Sie Investitionen tätigen, sollten Sie alle notwendigen Genehmigungen besorgen. Diese bürokratischen Hürden nehmen einige Zeit in Anspruch und auch die Bearbeitung von Anträgen dauert eine Weile. Was zu tun ist:
- Facharztanerkennung einholen und Schwerpunktbezeichnungen, Zusatzbezeichnungen und Fachkundenachweise genehmigen lassen
- Eintrag im Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung des Wohnbundeslandes
- Eintragung in die Warteliste für einen Vertragsarztsitz bei der Kassenärztlichen Vereinigung des Wohnbundeslandes
- Bewerben um einen Vertragsarztsitz
3. Schritt: Zulassung beantragen
Voraussetzung für die Niederlassung in eigener Praxis ist der vorherige Erwerb einer Zulassung.
Anspruchsberechtigt sind alle approbierten Ärzte sowie psychologische Psychotherapeuten, die die Zulassungsvoraussetzungen der Zulassungsordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erfüllen. Die Zulassung muss beim jeweils zuständigen Zulassungsausschuss beantragt werden.
Die folgenden Unterlagen sind hierbei einzureichen:
- ausgefüllter Antrag mit Angabe des Vertragsarztsitzes sowie Angabe der Gebietsbezeichnung
- Auszug aus dem Arztregister
- Lebenslauf
- (Arbeitgeber-)Bescheinigung aller bisher ausgeübten ärztlichen Tätigkeiten
- Polizeiliches Führungszeugnis
- Persönlicher Eignungsnachweis
- Versicherungsnachweis gem. § 113 Abs. 2 VVG i.V.m. § 95 e SGB V
4. Beratungsangebote nutzen
Um in der Umsetzungsphase und auch im späteren Praxisalltag kompetent aufgestellt zu sein und aufkommende Herausforderungen adäquat umsetzen zu können, ist die es ratsam, Hilfs- und Weiterbildungsangeboten in den folgenden Bereichen in Erwägung zu ziehen:
- steuerrechtliche und buchhalterische Grundlagen
- Mitarbeiterführung
- Finanzierung
- Marketing
- Arbeitsrecht
Je spezieller die Angebote auf die Gesundheitsbranche zugeschnitten sind, desto besser. Im späteren Praxisbetrieb übernimmt der Arzt diese Tätigkeiten nicht, allerdings ist er für deren Umsetzung verantwortlich.
Passende Berater auswählen
Wichtige Berater bei der Praxisgründung sind auf jeden Fall ein Anwalt und ein Steuerberater. Dabei sollte man nicht den nächstbesten auswählen, sondern wenn möglich, je einen Anwalt und Steuerberater, die im Berufsumfeld Arztpraxis bereits erfahren sind. Beide Fachgruppen sollte man schon im Vorfeld der Praxisgründung mit einbeziehen. Daneben sind die Niederlassungsberater der KV ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um die versorgungsorientierte Existenzgründungsberatung geht.
5. Schritt: Businessplan und Finanzierung
Die meisten Kreditinstitute verlangen einen ausführlichen Businessplan, um das finanzielle Potenzial eines Unternehmens einschätzen zu können. Für Geldgeber ist vor allem interessant, wann und in welcher Höhe der Kredit voraussichtlich zurückbezahlt wird. Bevor man den Weg zur Bank geht, sollte man einen Businessplan erstellen.
Je genauer der Plan ist, desto reibungsloser gelingt für gewöhnlich die spätere Umsetzung. Mit einem detaillierten Businessplan steigt zudem die Chance, den gewünschten Kredit(rahmen) zu erhalten. Mehr zu Praxisfinanzierung hier:
Die eigene Niederlassung – Kosten und Praxisfinanzierung
Mit welchem Verdienst kann ich in der Arztpraxis rechnen?
Die Einnahmen einer Arztpraxis entsprechen nicht dem Verdienst. So stehen den Einnahmen Personalkosten, Miete der Räumlichkeiten, Materialkosten, Zinsen und weitere Betriebskosten gegenüber. Auch der Überschuss ist nicht mit dem Einkommen gleichzusetzen: Von diesem Überschuss müssen noch Steuern sowie die Tilgung abgezogen werden. Auch die Aufwendungen für die Altersvorsorge sollten bedacht sein. Die Einkommen aller ärztlichen Fachbereiche gibt es hier:
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6. Schritt: Verträge unterschreiben und Versicherungen abschließen
Folgende Verträge müssen üblicherweise bei Praxisneugründung oder Praxisübernahme unterzeichnet werden.
- Finanzierungsvertrag
- Übernahmevertrag
- Mietvertrag
- Vertrag über den Ankauf von Praxisgeräten
Bei der Unterzeichnung der Verträge sollte man eine konkrete zeitliche Abfolge – gegebenenfalls auch mit Unterstützung durch einen Rechtsberater – festlegen, damit sich kein Vertragspartner spontan zurückziehen kann. Ist dafür ein Notar nötig, sollte man die Termine rechtzeitig vereinbaren.
Darüber hinaus ist der Abschluss der folgenden Versicherungen sinnvoll:
- Rechtsschutzversicherung
- Berufshaftpflichtversicherung
- Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (oftmals Bestandteil der Berufshaftpflichtversicherung)
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Betriebsunterbrechungsversicherung
- Gebäude- und Geräteversicherungen
7. Schritt: Personalplanung
Ein Mediziner braucht ein kompetentes Team um sich herum, denn der Praxis-Alltag verursacht einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand. Folgendes Personal ist notwendig:
- Sprechstundenhilfe
- Fachlich ausgebildetes Hilfspersonal
- Reinigungsfachkräfte
Dabei gilt es nicht nur die richtigen Mitarbeiter zu finden, sondern die Einsatzplanung effizient zu gestalten. Mehr dazu hier:
8. Schritt: Buchhaltung und digitale Infrastruktur
Beim Thema Buchhaltung lohnt es sich oftmals, einen erfahrenen Steuerberater hinzuzuziehen oder zumindest einen kompetenten Mitarbeiter mit steuerrechtlichem Sachverstand hiermit zu beauftragen. Rechtliche Verstöße können in diesem Bereich sehr teuer sein.
Mit Hilfe der folgenden Programme und digitalen Anwendungen lassen sich bürokratische Abläufe der Praxis vereinfachen.
- Nutzung von kostenlosen Rechnungs- und generellen Dokumentenvorlagen
- Verwendung von Software für das Terminmanagement, zur Verwaltung von Patientenakten, zum Erstellen der Lohnbuchhaltung sowie der Bestellung der Verbrauchsgüter
- Cloudlösungen anstatt eines lokalen Praxisnetzwerks
Um Rechtsstreitigkeiten und Imageverluste zu vermeiden, muss eine Arztpraxis besonderen Wert auf den Datenschutz legen. Immerhin geht es um hochsensible persönliche Daten. Seit dem 25. Mai 2018 gelten aufgrund der DSGVO beim Speichern und Verarbeiten von persönlichen Informationen strengere Richtlinien.
9. Schritt: Marketingstrategien wählen und Kooperationspartner suchen
In diesem Schritt gilt es, die eigene Praxis bekannt zu machen. Doch wie sieht erfolgreiches Praxismarketing aus?
Werbung in eigener Sache ist in Form der Präsentation auf klassischen und/oder Social-Media-Kanälen grundsätzlich erlaubt. Jedoch sollte man unbedingt beachten, dass informative Werbung zu medizinischen Themen und/oder Behandlungen sachlich zu erfolgen hat und nicht berufswidrig sein darf, das heißt sie darf die eigene Praxis nicht anpreisen und darüber hinaus nicht vergleichend sein oder den Patienten in die Irre führen.
Oft lohnt es sich in diesem Zusammenhang die Hilfe von Social-Media-Spezialisten oder einer Werbeagentur in Anspruch zu nehmen.
Geschäftsfördernd sind zudem Kooperationen mit Hausärzten und Fachärzten in der Region, da durch Überweisungen neue Patienten gewonnen werden können. Mehr dazu hier:
10. Schritt: Die Praxis eröffnen
Nachdem die eigene Praxis nun eröffnet ist, kann mit der Behandlung der Patienten begonnen werden. Das A und O für einen langfristigen Praxiserfolg ist die Patientenzufriedenheit. Diese lässt sich sicherstellen durch:
- kompetente Behandlung und freundliches Auftreten
- serviceorientiertes und zuvorkommendes Personal
- gepflegte, helle und moderne Einrichtung
- Behandlungsgeräte auf dem neuesten Stand der Technik
Vor allem im städtischen Umfeld ist es für den Erfolg der Praxis essenziell, bestehende Patienten zu halten und sie nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Dabei spielt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient die vielleicht wichtigste Rolle.