Der Schritt in die Selbstständigkeit als Arzt mit eigener Niederlassung bringt nicht nur Flexibilität und eine höhere Einkommenserwartung mit sich, sondern bedarf auch einiges an vorheriger Planung zur Praxisfinanzierung. Doch wie viel kostet so eine Praxisgründung eigentlich? Und was muss man zu Finanzierung und Krediten wissen? Damit Sie nicht von Zahlen und Möglichkeiten erschlagen werden, liefert diese Artikel einen Überblick mit den wichtigsten Aspekten.
Inhaltsverzeichnis
Praxisfinanzierung – Was kostet eine Praxisgründung?
Eine Praxisgründung kann mit hohen Kosten auflaufen. Um die Frage zur Höhe der Kosten zu beantworten, hat die apoBank in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Kassenärztliche Versorgung insgesamt 3.100 Existenzgründungen aus dem Jahr 2019/20 ausgewertet.
Vorweg kann man sagen: Meistens sind für eine Praxisgründung oder -übernahme anfangs sechsstellige Beträge zu investieren. Die Gesamtinvestitionen pro Praxisgründung belaufen sich dabei auf durchschnittlich 169.300 Euro. In diese Zahl sind sowohl der Übernahmepreis (103.800 Euro), als auch die weiteren Investitionen (65.500 Euro) miteingeschlossen. In dieser Hinsicht zeigt sich ein deutlicher Trend nach oben, denn noch zwei Jahre zuvor lagen die durchschnittlichen Gesamtinvestitionen rund 20.000 Euro niedriger (146.400 Euro im Jahr 2017/18).
94 Prozent der neuen Niederlassungen gehen dabei auf eine Praxisübernahme zurück. Neugründungen sind allerdings auch merklich teurer und schlagen im Schnitt mit 205.000 Euro (Beispiel Hausarztpraxis) zu Buche.
Plant man, den Schritt in die Selbstständigkeit durch den Eintritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft (kurz: BAG) zu realisieren, so kostet dies 143.000 Euro. Nur unwesentlich mehr kostet es jedoch, wenn mehrere Ärzte eine BAG komplett übernehmen (144.000 Euro pro Kopf).
Am teuersten sind die Kosten einer Praxisgründung in einer Großstadt.
Existenzgründung | Kosten |
Gesamtinvestitionen pro Praxisgründung | 169.300 € |
| 103.800 € |
| 65.500 € |
Neugründung Hausarztpraxis | 205.000 € |
Eintritt in BAG | 143.000 € |
Komplettübernahme BAG | 144.000 € |
Welche Einflussfaktoren auf die Kosten gibt es?
Nicht jede Praxis kostet gleich viel, im Gegenteil: Die verschiedenen Kostenfaktoren beeinflussen den Preis maßgeblich. So kann eine Existenzgründung unter gewissen Umständen auch lediglich für knapp 50.000 Euro möglich sein, mit anderen Gegebenheiten kostet dieser Schritt jedoch mehr als das Vierfache. Um die verschiedenen Einflussfaktoren sollte man sich also definitiv im Vorhinein Gedanken machen. Spätestens bei der Präsentation des eigenen Finanzierungskonzepts im Bankgespräch werden all diese Faktoren relevant. Die wichtigsten Faktoren hinsichtlich der Kosten für eine Praxisfinanzierung sind in den folgenden Unterpunkten zusammengestellt.
Fachrichtung
Ein erster Einflussfaktor auf die Kosten stellt die Fachrichtung der Praxis dar. Das liegt überwiegend daran, dass der Bedarf an Medizingeräten und Praxisausstattung stark zwischen den verschiedenen Fachrichtungen variiert. Ein gutes Ultraschallgerät mag zwar beim Gynäkologen unverzichtbar sein, dafür ist die Orthopädin allerdings von Röntgenbildern abhängig; alles Gerätschaften, die sich eine psychiatrische Praxis zum Beispiel sparen kann.
Aus diesem Grund belaufen sich die Kosten einer Praxisgründung als Psychotherapeut auf lediglich 50.000 Euro. Hausärzte schlagen hingegen mit dem dreifachen Budget zu Buche, nämlich 170.000 Euro. Noch teurer wird es für Gynäkologen (mehr als 300.000 Euro) und Orthopäden (über 400.000 Euro).
Übernahme oder Neugründung?
Weiterhin ist es von Bedeutung, ob man eine bereits bestehende Praxis übernimmt oder komplett neu gründet. 94 Prozent aller Existenzgründungen gehen auf Übernahmen zurück. Für diesen Umstand könnten auch finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle spielen, denn eine Neugründung ist deutlich kostspieliger.
Gemeindegröße
Aus den soeben erwähnten Übernahmekosten lässt sich schon erahnen, dass die Größe der Gemeinde, beziehungsweise Lage der Praxis in einer Stadt oder auf dem Land, ebenfalls die Kosten beeinflusst. Als Faustregel hinsichtlich der Gemeindegröße kann man zunächst festhalten: Je mehr Einwohner der Standort besitzt, desto höher sind die Kosten einer Existenzgründung.
Region | Einwohnerzahl | Übernahmepreis | Weitere Investitionen | Gesamtkosten |
Großstadt | >100.000 | 115.500 € | 54.200 € | 169.700 € |
Mittelstadt | 20.000 – 100.000 | 99.300 € | 60.900 € | 160.200 € |
Kleinstadt | 5.000 – 20.000 | 84.000 € | 57.500 € | 141.500 € |
Ländliches Gebiet | <5.000 | 67.800 € | 59.600 € | 127.400 € |
Kaufen oder Mieten?
Prinzipiell lässt sich zu diesem Punkt sagen, dass der Kauf von Immobilien oder Gerätschaften die anfänglichen Investitionskosten stark beeinflusst. Entscheidet man sich hingegen für das Mieten, so sind auf lange Sicht höhere Fixkosten zu erwarten. In dieser Hinsicht gilt es, den persönlichen Präferenzen zur Praxisfinanzierung zu folgen.
Inventar und Geräte
Wie zuvor erwähnt, sind die notwendigen Gerätschaften abhängig von der Fachrichtung der zu gründenden Praxis und den persönlichen Präferenzen hinsichtlich der Ausstattung für den Arbeitsalltag. Daneben spielen jedoch auch diverse andere Faktoren eine wichtige Rolle bei den Kosten. Eine Übersicht dazu gibt es hier:
- Alter des Geräts
- Herstellerfirma
- Finanzierungsmodell (Kaufen / Leasen)
- Installationskosten
- Kostenaufteilung (mit anderen Ärzten)
Unterschiede bei Männern und Frauen
Die Analyse der apoBank weist auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Scheinbar sind Frauen in diesem Fall deutlich sparsamer als ihre männlichen Kollegen.
Betrachtet man die Investitionen bei der Übernahme einer Einzelpraxis, so kommen Frauen mit allen Positionen (Ideeller Wert, Materieller Wert, Weitere Investitionen) auf durchschnittlich 141.900 Euro. Männer hingegen investieren über 20 Prozent mehr, nämlich 173.300 Euro.
Eigene Niederlassung: Wie finanziert man eine Praxisgründung?
Aus den vorangegangenen Analysen ist deutlich herauszulesen, dass so eine Praxisgründung kostspielig ist. Meist sind daher Finanzierungshilfen notwendig, denn die hohen Investitionskosten könnten nur die wenigsten komplett aus eigener Tasche zahlen. Die grundsätzlichen Ankerpunkte zur Praxisfinanzierung stellen öffentliche Fördermittel sowie Kredite dar. Als Ergänzung dienen dann weitere Mittel, wie beispielsweise Leasing- oder Mietkaufangebote. Hier empfiehlt sich für die detailliertere Planung meist eine kompetente Beratung über die bestehenden Möglichkeiten und Angebote. Im Folgenden gibt es einen Überblick zu den wichtigsten Finanzierungsinstrumenten bei einer Praxisgründung.
Öffentliche Fördermittel
Öffentliche Fördermittel stellen eine solide Unterstützung bei der eigenen Existenzgründung dar. Wichtig zu erwähnen ist dabei: Bevor man den Antrag für eine Förderung stellt, sollte man auf keinen Fall schon vertragliche Pflichten eingehen. Der Förderantrag erlischt nämlich in einem solchen Fall, beispielsweise wenn man schon Kaufverträge für medizinische Geräte abgeschlossen hat.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die von öffentlichen Trägern zur Verfügung gestellt werden. Vor der eigenen Niederlassung wird etwa von den Bundesländern eine Beratungsförderung angeboten. Hierbei erhält man einen finanziellen Zuschuss für vier bis zehn Beratungstage.
Des Weiteren geben Bundesländer, Kassenärztliche Vereinigungen und Kommunen Zuschüsse für den Schritt der Praxisgründung. Wie viel man dabei erhalten kann, ist von diversen Faktoren abhängig, darunter beispielsweise die Fachrichtung und ob es sich um eine Neugründung oder eine Übernahme handelt. Auf Basis dessen sind vier- bis fünfstellige Fördersummen möglich.
Viele Ärztinnen und Ärzte legen eine kurze berufliche Verschnaufpause vor ihrer Selbstständigkeit ein. Beim Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit kann man den sogenannten “Gründungszuschuss” beantragen. Die genaue Höhe wird individuell berechnet und ist vom vormaligen Gehalt sowie persönlichen und familiären Verhältnissen abhängig. Bis zu 18.000 Euro sind jedoch hierbei möglich.
Eine weitere Alternative bilden die Angebote der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Diese stellt verschiedene Fördermöglichkeiten für Gründungsvorhaben zur Verfügung, zum Beispiel den ERP-Gründerkredit oder den ERP-Förderkredit.
Kredite
Viele Kreditinstitute haben einzelne Abteilungen, die auf Finanzierungslösungen für Heilberufe spezialisiert sind. Meistens besitzen derartige Kreditlösungen Laufzeiten zwischen fünf und 15 Jahren. Der Zugang zu besseren Konditionen ist natürlich leichter, sofern man einen gewissen Anteil an Eigenkapital für die Praxisgründung beisteuern kann. Wichtig ist zudem, dass man vor beziehungsweise für die Beantragung seinen Finanzierungsplan vorlegen kann. Mehr dazu gibt es im letzten Abschnitt.
Für die Finanzierung einer Praxisgründung kommen verschiedene Kreditmodelle in Frage. Hier sind einige der meistgewählten Varianten:
- lineares Tilgungsdarlehen
- endfälliges / tilgungsfreies Darlehen
- Annuitätendarlehen
Den größten Anbieter auf dem Gebiet der Privatkredite für Ärzte stellt in Deutschland die apoBank dar, die rund 60 Prozent aller Gründungen im medizinischen Bereich betreut.
Weitere Anbieter für Kredite zur Praxisfinanzierung sind:
- Deutsche Ärzte Finanz
- KfW
- Deutsche Bank
- Commerzbank
- Hypovereinsbank
- Hausbanken
- Fleming
- MLP
Leasing
Leasing stellt in der Regel eine Ergänzung zu den beiden zuvor beschriebenen Finanzierungsmethoden dar. Vorrangig eignet sich dieses Modell für die Finanzierung von Hardware, Inventar und Praxisbedarf. Vorab wird dabei eine gewisse Laufzeit (auf Wunsch) definiert, während dieser man dann monatliche Raten für das Leasing-Objekt bezahlen muss.
Leasing ist generell empfehlenswert, wenn bestimmte medizinische Geräte regelmäßig ausgetauscht oder erweitert werden sollten. Während der Laufzeit bleibt das geleaste Objekt stets Eigentum des Leasinggebers. Allerdings gibt es oftmals die Möglichkeit, das Gut am Ende der Laufzeit gegen eine Einmalzahlung zu kaufen.
Mietkauf
Eine letzte Möglichkeit zur Finanzierung der Praxisgründung ist der Mietkauf. Diese Variante wird zum Beispiel für Immobilien oder medizinische Gerätschaften verwendet. Man zahlt dabei monatliche Raten in gleichbleibender Höhe. Die Güter gehen somit schrittweise in den eigenen Besitz über, denn die bezahlten Monatsmieten werden auf den Gesamtkaufpreis angerechnet.
Wie bekomme ich einen Kredit?
Der wichtigste Schritt, um bei der Bank einen Kredit für die Praxisgründung zu beantragen, besteht in der Erstellung eines Geschäftsplans beziehungsweise Businessplans. Dieser gibt Auskunft über die Wirtschaftlichkeit und den Finanzierungsbedarf der geplanten Praxis. Der Geschäftsplan wird dann beim Bankinstitut vorgelegt. Ein Kredit wird nur gewährt, sofern aus dem Businessplan ein lohnenswerter Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Praxis hervorgeht.
Diese Tabelle gibt eine Übersicht zu den wichtigsten Punkten, auf welche ein guter Businessplan mindestens eingehen sollte:
Inhalt | Was hier berücksichtigt werden sollte |
Geschäftsidee und -konzept |
|
Geschäftsmodell |
|
Finanzplan |
|
Markt und Wettbewerb |
|
Checkliste Praxisfinanzierung
Wenn Sie nun mit der Planung Ihrer Praxisfinanzierung starten möchten, finden Sie in unserem Whitepaper-Bereich eine ausführlichere Checkliste Praxisfinanzierung als PDF zum Download. Die eigene Niederlassung ist ein langfristiges Projekt für Sie als Ärztin oder Arzt. Dafür braucht es Geduld, Durchhaltevermögen, das nötige Quäntchen Glück und vor allem gute Vorbereitung und Planung. Sie benötigen umfangreiches Basiswissen und sind gut beraten, wenn Sie sich zusätzlich Hilfe von Experten holen. Unsere Checkliste kann dies nicht ersetzen, soll Ihnen aber helfen, die Übersicht in Ihrer Planung zu behalten. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Finanzierung und Umsetzung Ihres Traums!