
Wer eine ärztliche Karriere außerhalb von Klinik und Praxis anstrebt, findet in der Tätigkeit als medizinische/r Sachverständige/r eine attraktive Alternative. Medizinische Sachverständige bzw. ärztliche Gutachter/innen beurteilen Fragen zum Gesundheitszustand, möglichen Fehlbehandlungen und Körperschädigungen von Patienten/-innen ebenso wie zu Kosten und Abrechnungen von Behandlungen. Auf diese Weise unterstützen sie Gerichte, Behörden und Versicherungen bei der Entscheidungsfindung. Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über das Aufgabengebiet, die Weiterbildung und das Gehalt als medizinische/r Sachverständige/r.
Inhaltsverzeichnis
Wer darf als medizinischer Sachverständiger arbeiten?
Grundsätzlich sind alle Fachärzte und – ärztinnen nach Abschluss ihrer Weiterbildung dazu berechtigt, medizinische Gutachten zu erstellen. Verfügen Mediziner/innen über die entsprechende Sachkunde, können sie gemäß Zivilprozessordnung vom Gericht sogar dazu verpflichtet werden (§ 407 ZPO). Strebt man eine Karriere als medizinische/r Sachverständige/r an, bestehen verschiedene Fortbildungsmöglichkeiten.
Unterschied zwischen Gutachter/innen und Sachverständigen
Die Bezeichnungen “Gutachter/in” und “Sachverständige/r” sind synonym. Für die gerichtliche Beweiserhebung findet allerdings nur der Begriff “Sachverständige/r” Verwendung, da nur dieser auch in Gesetzestexten genutzt wird.
Aufgabengebiete medizinischer Sachverständiger
Die Hauptaufgabe von medizinischen Sachverständigen besteht in der Erstellung von ärztlichen Gutachten. Ein Gutachten ist ein begründetes Urteil über eine Zweifelsfrage. Welche Aufgaben dabei genau auf die Gutachter/innen zukommen, unterscheidet sich je nach Auftraggeber und nach Art der Fragestellung. So werden medizinische Sachverständige als Experten/-innen zum Beispiel von Gerichten, Rechtsanwaltschaften, Berufsgenossenschaften, Sozialversicherungen, vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder von Privatpersonen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Medizinische Gutachten erstellen
Medizinische Gutachten sind unter anderem gefragt, um Streitfälle vor Gericht zu klären. Klagt ein/e Patient/in etwa aufgrund eines Behandlungsfehlers auf Schadenersatz, wird ein medizinische/r Sachverständige/r aus dem entsprechenden Fachgebiet mit der Beurteilung des Falles beauftragt. In Versicherungsprozessen gehen ärztliche Gutachter/innen beispielsweise der Frage nach, ob Unfallverletzungen für weitere Gesundheitsschädigungen verantwortlich sind und dem/-r Patienten/-in eine Entschädigung zusteht. Die medizinischen Sachverständigen begutachten den Fall aufgrund der Aktenlage, untersuchen Patienten/-innen gegebenenfalls selbst und erstellen eigene Befunde. Weiterhin erläutern sie dem Gericht medizinische Sachverhalte. Das medizinische Gutachten bildet anschließend die Basis für die richterliche Entscheidung.
Honorargutachten erstellen
Medizinische Sachverständige kommen auch bei strittigen Abrechnungsfragen zum Einsatz. Sie begutachten zum Beispiel Fälle zur Anerkennung ärztlicher oder zahnärztlicher Rechnungen oder klären Unstimmigkeiten bei der Anwendung von Honorar- und Gebührenordnungen. Honorargutachten können sich zudem auf Fragen zur stationären Krankenhausvergütung im DRG- und PEPP-System beziehen. Dabei handelt es sich meist um Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, etwa zur Verweildauer eines/-r Patienten/-in in der Klinik oder zur Kodierung eines Falles. Honorargutachten können sowohl von Behörden und Gerichten, von Versicherungen als auch von Privatpersonen beauftragt werden.
Sozialmedizinische Begutachtungen durchführen
Bevor Pflegekassen die Zahlung von Pflegegeld bewilligen, lassen sie zunächst den Pflegegrad des/der Antragstellers/-in ermitteln. Auch diese Aufgabe fällt in den Tätigkeitsbereich von Medizinischen Sachverständigen. Für die sozialmedizinische Begutachtung besucht man die Antragsteller in der Regel zu Hause, stellt Fragen zu ihrem Gesundheitszustand und beobachtet sie im Alltag. Durch diesen Kontakt stellt man fest, ob die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit vorliegen und welcher Pflegegrad besteht. Dabei werden auch frühere medizinische Befunde und Vorgutachten berücksichtigt. Zu diesem Zweck arbeiten die ärztlichen Gutachter/innen mit den behandelnden Medizinern/-innen zusammen. Darüber hinaus beraten sie die Antragsteller/innen und stehen ihnen bei Fragen zur Seite.
Vermittlung zwischen Versicherungen, Versicherten und Ärzten/-innen
Werden medizinische Sachverständige im Auftrag von Krankenversicherungen tätig, nehmen sie häufig die Rolle als Vermittler/in ein. Für gewöhnlich bearbeiten sie Fragen zur Prävention und Risikoeinschätzung und beurteilen die Leistungsansprüche von Versicherten. Stellen Versicherte etwa einen Antrag auf Arbeitsunfähigkeit, untersucht der/die medizinische Sachverständige den/die Antragsteller/in, beurteilt Art und Dauer der Erkrankung und gibt diese Informationen an die Versicherung weiter.
Wie wird man medizinischer Sachverständiger?
Um medizinische Gutachten zu erstellen, benötigt man zunächst einmal solide fachmedizinische Kenntnisse. Als medizinische Sachverständige können daher nur ausgebildete Fachärzte/-innen tätig werden. Ein Medizinstudium und eine Facharztausbildung liefern die Grundlage.
Neben der Erfahrung im kurativen Bereich erfordert die Arbeit als Gutachter/in aber oft noch weitere Fähigkeiten, etwa juristische und versicherungsrechtliche Grundkenntnisse. Die Landesärztekammern führen Verzeichnisse mit qualifizierten medizinischen Gutachter/innen. Wer aufgenommen werden möchte, muss bestimmte Zusatzqualifikationen erfüllen, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. In Berlin benötigt man zum Beispiel neben der Facharztqualifikation noch drei Jahre Berufserfahrung und darf keine berufsrechtlich relevanten Verstöße aufweisen.
Die nötigen Qualifikationen für eine Tätigkeit als Sachverständige/r können sich interessierte Ärzte/-innen durch verschiedene Weiterbildungsprogramme aneignen.
Curriculare Fortbildung “Medizinische Begutachtung”
Die curriculare Fortbildung “Medizinische Begutachtung” wird von der Bundesärztekammer angeboten. Sie wendet sich an Ärzte/-innen, die ihre Kenntnisse in der Gutachtenerstellung erweitern und vertiefen möchten. Das Curriculum umfasst insgesamt 64 Stunden und setzt sich aus drei Modulen zusammen, die wahlweise auch einzeln belegt werden können.
Teilnahmeberechtigt sind Ärzte/-innen mit abgeschlossener Facharztweiterbildung. Zum Abschluss der Fortbildung sind jeweils ein Final- und ein Kausalitätsgutachten zu erbringen und Lernerfolgskontrollen zu bestehen. Erfolgreiche Absolventen/-innen erhalten eine Bescheinigung der Ärztekammer.
Das speziell für gutachtlich tätige Fachärzte/-innen entwickelte Fortbildungsprogramm „Qualifizierung Medizinischer Sachverständiger cpu“ ist die laut Informationen der Hochschul-Homepage umfangreichste Fortbildung, die es aktuell auf dem Gebiet der medizinischen Sachverständigenqualifizierung gibt. Es wird von der TU Dresden angeboten, dauert 1 Jahr und umfasst 6 Module, die auch einzeln gebucht werden können.
Zertifikatsstudium Versicherungsmedizin
Möchte man als Gutachter/in für Versicherungen arbeiten, besteht die Möglichkeit, das dafür notwendige Wissen in einem Aufbaustudiengang zu erwerben. Solche Studiengänge bestehen bereits seit einigen Jahren in Basel und in Wien. In Deutschland bietet die Universität Tübingen einen Zertifikatsstudiengang Versicherungsmedizin als Master of Advanced Studies (MAS) an. Alternativ kann der Studiengang mit einem Diplom (Diploma of Advanced Studies, DAS) oder einem Zertifikat (Certificate of Advanced Studies, CAS) abgeschlossen werden.
Der Studiengang richtet sich an Ärzte/-innen, die bei Sozial- und Privatversicherern, bei Gesundheitsbehörden, in der Klinik oder in der Praxis arbeiten, und an weitere im Berufsfeld der Versicherungsmedizin tätige Fachleute (wie z.B. Gesundheitsökonome/-innen und Case Manager/-innen). Zu den Voraussetzung gehören eine abgeschlossene Berufsausbildung, ausgewiesene Weiterbildungen und mindestens drei bis fünf Jahre Berufserfahrung. Die curriculare Fortbildung “Medizinische Begutachtung” wird anerkannt.
Weiterbildung Sozialmedizin
Eine weitere Option ist eine Zusatzweiterbildung Sozialmedizin. Diesen Weg gehen vor allem Ärzte/-innen, die für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen als Sachverständige arbeiten. Die Weiterbildung wird über die Deutsche Rentenversicherung an neun Akademien in Deutschland angeboten. Je nach Ausbildungsstätte finden die Kurse online oder als Präsenzveranstaltung statt. Präsenzveranstaltungen werden meist als Blockveranstaltungen durchgeführt und dauern rund zwei Wochen.
Wo und wie kann ich als medizinischer Sachverständiger arbeiten?
Die Karrierechancen für medizinische Sachverständige sind breit gefächert. Zum einen kann man sich selbstständig machen und im Auftrag von Gerichten, Behörden, Berufsgenossenschaften und Privatpersonen als Gutachter/in tätig werden. Wer eine Angestelltenposition bevorzugt, findet Stellen unter anderem beim MDK, bei den Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung oder einem Gutachteninstitut.
Beim MDK arbeiten rund 2.400 Ärzte/-innen als medizinische Sachverständige. Insgesamt hat der MDK im Jahr 2021 rund 3.470.000 Empfehlungen für Krankenkassen ausgesprochen. Darunter fallen Gutachten zur häuslichen Krankenpflege, zur Arbeitsunfähigkeit, zur Rehabilitation und zum Einsatz neuer oder unkonventioneller Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Medizinische Sachverständige des MDK haben den Auftrag, die Interessen der Versicherten an einer angemessenen medizinischen Versorgung zu wahren. Die bewilligten Leistungen müssen sowohl an den Bedürfnissen der Antragsteller/innen ausgerichtet als auch zweckmäßig und wirtschaftlich sein.
Medizinische Sachverständige für Versicherungen wie der Deutschen Rentenversicherung oder der Krankenkassen klären ebenfalls, welche Leistungen den Versicherten zustehen. Außerdem beurteilen sie Fragen zu Abrechnungen und Honoraren.
Was verdienen medizinische Sachverständige?
Im gerichtlichen Auftrag erstellte Gutachten werden gemäß Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) vergütet. Sachverständige erhalten dabei:
- ein Honorar für ihre Leistung – der Stundensatz berechnet sich anhand dreier Schwierigkeitsgrade (M1 bis M3) und beträgt je nach Sachgebiet zwischen 70 und 145 Euro
- Fahrtkostenersatz
- Entschädigung für Aufwand bei längerer Abwesenheit vom Wohnort
- Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen
Bei angestellt tätigen Sachverständigen richtet sich die Bezahlung nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Beim MDK werden ärztliche Gutachter nach Tarif vergütet. Im Tarifvertrag der Medizinischen Dienste fallen Beschäftigte, die ärztliche Aufgaben wahrnehmen, in die Vergütungsgruppen 12 bis 16. Berufseinsteiger/innen verdienen zwischen 6.541 und 9.202 Euro brutto im Monat, nach mehreren Jahren im Beruf ergibt sich eine leistungsorientierte Vergütungsspanne von 7.550 bis 7.828 Euro auf Stufe 12 bis hin zu 10.615 bis 11.007 Euro monatlich auf Stufe 16.
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