
Der ärztliche Alltag ist geprägt von Verantwortung, Zeitdruck und Bürokratie – mit spürbaren Folgen für die Gesundheit. Wie der aktuelle Medscape-Stress-Report zur Lebenszufriedenheit von Ärzten zeigt, fühlt sich fast jeder Zweite ausgelaugt oder emotional erschöpft. Viele Mediziner berichten von Überlastung und psychischen Symptomen. Besonders in Kliniken ist die Belastung deutlich höher als in Praxen. Doch was bedeutet dies konkret für das Leben der Mediziner? Wie gelingt es ihnen, mit dem Stress umzugehen? Und wie viel Raum bleibt für ein erfülltes Privatleben? Trotz aller Herausforderungen zeigen die Ergebnisse des Berichts auch überraschend positive Tendenzen – sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Der folgende Artikel fasst die wichtigsten Ergebnisse der Online-Umfrage aus dem Jahr 2024 zusammen, an der insgesamt 1.060 Ärzte teilgenommen haben.
Inhaltsverzeichnis
Zufriedenheit im medizinischen Beruf
Ein genauerer Blick auf die berufliche Zufriedenheit zeigt: Insgesamt sind etwa zwei Drittel der befragten Ärzte in ihrem Job glücklich, wobei sich 14 Prozent sogar als „sehr zufrieden“ und 48 Prozent wiederum als „eher zufrieden“ bezeichnen. Auffällig ist jedoch, dass jüngere Ärzte unter 45 Jahren deutlich seltener zufrieden sind als ihre älteren Kollegen (46 Prozent versus 61 Prozent).
Ein klarer Unterschied zeigt sich auch beim Blick auf das Arbeitsumfeld: Ärzte, die in einer Praxis arbeiten, sind deutlich zufriedener mit ihrem Beruf als diejenigen, die in Krankenhäusern tätig sind (61 Prozent versus 55 Prozent). Viele Befragte geben als Grund dafür die hohe Bürokratie an, die den Arbeitsalltag stark belastet und die eigentliche Arbeit erschwert.
Zufriedenheit außerhalb des Berufs
Auch im privaten Bereich zeigt sich ein überwiegend positives Bild: Rund zwei Drittel der Befragten sind mit ihrem Leben außerhalb des medizinischen Berufs eher oder sogar sehr zufrieden. Etwa jeder Sechste beschreibt sich dabei als „sehr glücklich“, fast die Hälfte als „eher glücklich“. Aber es bestehen auch Unterschiede, je nachdem, wo die Ärzte tätig sind: In Praxen sind etwa 67 Prozent mit ihrem Privatleben zufrieden, während es bei Krankenhausmitarbeitenden – mit rund 60 Prozent – etwas weniger sind, was unterstreicht, wie stark das berufliche Umfeld auch das private Wohlbefinden beeinflussen kann.
Stress-Report zeigt Verbreitung von Burnout und Depression unter Ärzten
Knapp ein Drittel der befragten Ärzte fühlt sich zumindest zeitweise ausgebrannt. 5 Prozent der Befragten berichten über depressive Symptome und insgesamt 12 Prozent der Mediziner zählen sich zur besonders belasteten Gruppe, die bereits aufgrund von Stress sowohl an einem Burnout als auch an Depression gelitten hat. Besonders betroffen von psychischen Beschwerden sind jüngere Mediziner unter 45 Jahren. Frauen sind zudem häufiger betroffen als Männer. Aber auch die Arbeitsumgebung spielt eine Rolle: Ärzte in Kliniken leiden mit 30 Prozent häufiger an einem Burnout als Ärzte, die in einer Praxis tätig sind (26 Prozent).
Die große Mehrheit aller befragten Ärzte (72 Prozent) sieht in der beruflichen Belastung den Hauptgrund für Burnout und depressive Symptome. Jeder Fünfte gibt sogar an, dass ausschließlich die Arbeit dafür verantwortlich sei. Die Auswirkungen bleiben dabei nicht auf den Beruf beschränkt: Zwei Drittel derjenigen, die ihre Beschwerden mit dem Job in Verbindung bringen, berichten auch von negativen Folgen für ihr Privatleben – vor allem in der jüngeren Altersgruppe unter 45 Jahren. Private Ursachen spielen dagegen eine deutlich untergeordnete Rolle: nur 16 Prozent sehen ihr Privatleben als Hauptursache für Burnout und Depressionen.
Ein ähnliches Bild zeichnete bereits 2024 die praktischArzt-Umfrage zu den Arbeitsbedingungen von Ärzten. Hier geht es zu den ausführlichen Zahlen:
Was Ärzte gegen Stress tun
Die am Stress-Report beteiligten Ärzte setzen auf verschiedene Strategien, um mit psychischer Belastung umzugehen. Im Fokus stehen vor allem soziale Kontakte, regelmäßige Zeit mit der Familie, ausreichend Bewegung und bewusste Erholung, um psychische Belastungen auszugleichen und die mentale Gesundheit zu stärken. Aber auch das regelmäßige Ausüben von Hobbys hat einen hohen Stellenwert. Rund 86 Prozent geben an, dass Freizeitaktivitäten ihr Wohlbefinden fördern, und fast die Hälfte empfindet sie sogar als besonders wichtig.
Besonders beliebt bei den befragten Medizinern sind sportliche Aktivitäten (66 Prozent), Lesen (64 Prozent), Filme/Serien (48 Prozent), Gartenarbeit (44 Prozent) und Kochen (42 Prozent). Rund 40 Prozent der Ärzte sind außerdem nebenbei ehrenamtlich tätig, vor allem im lokalen Umfeld oder im medizinischen Bereich.
Der Stellenwert von Urlaub
Auch Urlaub spielt eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung, sowohl für die Erholung als auch für die mentale Gesundheit. Laut Umfrage nehmen etwas mehr als die Hälfte der Befragten jährlich fünf bis sechs Wochen Urlaub, 16 Prozent mehr als sechs Wochen. Urlaub wird von den meisten Ärzten als wesentlich für das psychische Wohlbefinden angesehen: 88 Prozent halten Auszeiten für „wichtig“ oder „sehr wichtig“, insbesondere im Hinblick auf ihre mentale Gesundheit.
Die Umfrage zeigt aber auch, dass viele Ärzte ihre Urlaubsplanung nicht flexibel gestalten können. Besonders betroffen sind Ärzte im Krankenhaus, wobei hier 52 Prozent von Einschränkungen bei der Urlaubsplanung berichten, während es bei Ärzten in Praxen nur 42 Prozent sind.
Herausforderungen bei sozialen Kontakten
Viele Ärzte finden es aufgrund des Zeitmangels durch ihren Beruf schwierig, enge Freundschaften im Alltag zu pflegen, weswegen fast ein Drittel der Ärzte Freundschaften vor allem zu Arbeitskollegen pflegt. Jüngere Ärzte unter 45 Jahren sind mit 65 Prozent häufiger von Zeitproblemen betroffen, Frauen zudem häufiger als Männer (58 Prozent gegenüber 50 Prozent).
Auch der Arbeitsort spielt eine Rolle: Klinikpersonal berichtet öfter von Zeitmangel als Beschäftigte in Praxen (59 Prozent versus 51 Prozent). Neben dem Zeitdruck empfinden 23 Prozent soziale Kontakte als zu energieaufwendig. Jüngere Befragte fühlen sich häufiger durch soziale Verpflichtungen belastet (29 Prozent) als ältere Kollegen (21 Prozent). Trotz dieser Herausforderungen geben 32 Prozent der Ärzte an, dass sie enge Freundschaften gut aufrechterhalten können.
Religiöse Praxis spielt eine untergeordnete Rolle
Für die Mehrheit der Ärzte hat Religion im Privatleben nur eine geringe Bedeutung. Ein kleiner Teil (17 Prozent) praktiziert den Glauben zu Hause oder besucht regelmäßig Gottesdienste. Jüngere Ärzte zeigen sich dabei insgesamt weniger religiös aktiv als ältere Kollegen.
Internet und soziale Medien im Alltag
Viele Ärzte verbringen täglich mehrere Stunden online: Etwas mehr als die Hälfte nutzt das Internet privat zwischen zwei und vier Stunden, 46 Prozent für berufliche Zwecke. Besonders aktiv sind jüngere Ärzte unter 45 Jahren. Rund 50 Prozent versuchen, ihre Online-Zeit im Privatleben bewusst zu reduzieren. 57 Prozent empfinden das Internet gelegentlich als entspannend, während 32 Prozent es wiederum nie für Erholungszwecke nutzen. Soziale Medien dienen für 60 Prozent der Ärzte hauptsächlich der Kontaktpflege. Besonders jüngere Ärzte unter 45 Jahren nutzen Social Media intensiv. Videos, vor allem zu Themen wie Musik oder Comedy, sind bei ihnen besonders beliebt (57 Prozent). Engagement in politischen oder medizinischen Diskussionen ist hingegen selten (12 Prozent). 17 Prozent der Ärzte – insbesondere die ältere Generation – verzichten privat ganz auf soziale Medien.
Fazit
Der aktuelle Medscape-Stress-Report zeigt ein vielschichtiges Bild des Stresserlebens deutscher Ärzte. Zwar ist die Mehrheit mit ihrem Beruf und Privatleben zufrieden, doch gleichzeitig sind Zeitdruck, emotionale Erschöpfung und psychische Belastungen weit verbreitet – besonders bei jüngeren Ärztinnen und Klinikpersonal. Burnout und depressive Symptome betreffen einen relevanten Teil der Befragten, wobei berufliche Ursachen klar dominieren. Trotzdem gelingt es vielen, mit gezielten Strategien wie Sport, Freizeitaktivitäten, Urlaub und sozialen Kontakten gegenzusteuern. Auffällig ist der Wunsch nach mehr zeitlicher Freiheit, etwa für Freundschaften oder Erholung.
Der Report zeigt: Trotz hoher Belastung finden viele Ärzte Wege, ihre Lebenszufriedenheit zu erhalten oder sogar zu steigern. Diese Artikel geben einige erste Impulse:













