
Work-Life-Balance allein ist nicht genug: Ein aktuelles Berufsmonitoring legt die Wünsche der Medizinstudierenden in Deutschland offen. Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist den meisten Befragten wichtig bis sehr wichtig. Doch noch andere Kriterien stehen hoch im Kurs, darunter flexible Arbeitszeiten und gute Verdienstmöglichkeiten.
Berufsmonitoring Medizinstudierende: Erwartungen an die spätere Berufstätigkeit
Das Berufsmonitoring Medizinstudierende untersucht seit 2010, welche Erwartungen angehende Ärzte an ihren zukünftigen Beruf haben. Durchgeführt wird die Umfrage von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd), dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und der Universität Trier. An der mittlerweile vierten Umfrage nahmen insgesamt 8.600 Nachwuchsmediziner teil.
Nach ihren Erwartungen an die spätere Berufstätigkeit gefragt, zeigt sich, dass der Mehrheit der Medizinstudierende eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr wichtig ist (92,7 Prozent). Für rund 83 Prozent sind zudem geregelte Arbeitszeiten von großer Bedeutung, 81 Prozent wünschen sich, ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten zu können. Gute Verdienstmöglichkeiten halten 79 Prozent der Befragten für wichtig oder sehr wichtig. Alle diese Faktoren belegten auch in den früheren Befragungen die Spitzenplätze auf der Prioritätenliste.
In Bezug auf ihre Arbeit mit Patienten möchten 67,5 Prozent der Medizinstudierenden später ein breites Spektrum an Krankheiten behandeln. 64,4 Prozent wünschen sich, auch die Lebensgeschichte der Patienten kennen zu lernen. Fast ebenso viele Befragte (64,2 Prozent) möchten im Team mit Ärzten aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenarbeiten. An Forschungsthemen und Studien möchten sich dagegen nur knapp über 35 Prozent der Medizinstudierenden beteiligen.
Wünsche für die Weiterbildung
Teilt man die Wünsche der Medizinstudierenden auf verschiedene Themenbereiche auf, zeigt sich, dass der Bereich „Familie und Freizeit“ den größten Stellenwert einnimmt. 86,5 Prozent der Befragten ist er wichtig oder sehr wichtig. Darauf folgen die Bereiche „Beruflicher Erfolg“ (69,7 Prozent), „Team und Kollegen“ (62,6 Prozent) und „Abwechslung im Beruf“ (62,3 Prozent). Frauen legen dabei einen noch größeren Wert auf Familie und Beruf als Männer: 88 Prozent der weiblichen Befragten schätzen diesen Themenbereich als wichtig oder sehr wichtig ein, bei den männlichen Medizinstudierenden sind es 75,3 Prozent. Dagegen wünschen sich mehr Männer als Frauen viel Abwechslung im Beruf (69,4 Prozent gegenüber 55,1 Prozent).
Welchen hohen Stellenwert die Work-Life-Balance einnimmt, lässt sich auch erkennen, wenn man die Wünsche der Medizinstudierenden für ihre Weiterbildung betrachtet. Mehr als der Hälfte (53,3 Prozent) ist eine Kinderbetreuung durch die medizinische Fakultät wichtig oder sehr wichtig, für weitere 26,7 Prozent ist sie gar ein unverzichtbarer Faktor. 41 Prozent der Befragten halten zudem Mentoren als feste Ansprechpartner für unverzichtbar, für 55,3 Prozent sind diese wichtig oder sehr wichtig. Insgesamt 87,7 Prozent wünschen sich während der Weiterbildung flache Hierarchien, 90,9 Prozent erwarten begleitende Angebote von der medizinischen Fakultät.
Alle Informationen rund ums Medizinstudium hier in der Übersicht:
Tätigkeit als angestellter Arzt besonders attraktiv
Wer heute das Fach Humanmedizin studiert, kann später nicht nur im Krankenhaus oder in der eigenen Praxis arbeiten, sondern auch im öffentlichen Gesundheitsdienst oder bei einer Krankenkasse tätig werden. Bei der Frage nach den späteren Berufswünschen liegt die angestellte Tätigkeit im Krankenhaus nach wie vor auf Platz 1. Die Beliebtheit dieser Möglichkeit hat allerdings im Laufe der Jahre abgenommen: Nannten im Jahr 2010 noch 77,3 Prozent die Arbeit im Krankenhaus als ihre präferierte Karriereoption, sind es bei der aktuellen Umfrage nur noch 72 Prozent.
In der eigenen fachärztlichen Praxis zu arbeiten, ist für 71,2 Prozent der Befragten attraktiv (2010: 74,5 Prozent). An Beliebtheit gewonnen hat die angestellte Tätigkeit in einer Niederlassung: 67,5 Prozent der Medizinstudierenden könnten sich eine solche Karriere vorstellen. 2010 waren es noch 48,9 Prozent. Die Arbeit in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) halten 65,7 Prozent der Befragten für attraktiv (2010: 55,6 Prozent), die Tätigkeit in der eigenen hausärztlichen Praxis 42,6 Prozent (2010: 38 Prozent). Die Tätigkeit in der klinischen Forschung kommt nur für 28,9 Prozent der Befragten infrage (2010: 23,6 Prozent), eine Arbeit im öffentlichen Gesundheitsdienst könnten sich 20 Prozent der Medizinstudierenden vorstellen (2010: 18,6 Prozent). Wenig beliebt sind die Optionen, in der Pharmaindustrie oder bei einer Krankenkasse zu arbeiten. Nur 11 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Befragten bezeichnen die Möglichkeiten als attraktiv (2010: 12,5 bzw. 5,5 Prozent).
Bei der Frage nach den späteren Karriereoptionen fallen große Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf: So können es sich 94,3 Prozent der befragten Männer vorstellen, als Oberarzt zu arbeiten, rund die Hälfte findet auch eine Stelle als Chefarzt attraktiv. Eine Tätigkeit als Oberärztin kommt aber nur für 85 Prozent der Frauen in Frage, als Chefärztin möchten nur 29,4 Prozent der Medizinstudentinnen arbeiten.
Wünsche und Erwartungen an die Digitalisierung
Die Befragung ist auch auf die Wünsche der Medizinstudierenden an ihr Studium eingegangen, insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung. Ein Großteil der Studierenden beklagt, dass im Studium noch zu wenig Wert auf Digitalisierung gelegt werde. Dabei erhoffen sich die angehenden Mediziner durch die Digitalisierung viele Verbesserungen, zum Beispiel bei der Arbeitsorganisation (81,6 Prozent), den Diagnosemöglichkeiten (80,7 Prozent), der sektorenübergreifenden Versorgung (74,3 Prozent) und bei den Behandlungsmöglichkeiten (74,1 Prozent). Während aber rund zwei Drittel der Befragten die Zielsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen als gut oder sehr gut bewerten, finden nur 1,4 Prozent die Umsetzung positiv. Viele Befragte befürchten außerdem, dass sich durch die fortschreitende Digitalisierung das Arzt-Patienten-Verhältnis verschlechtert.