
Die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) nimmt seit Jahren zu. Nicht nur aufgrund der steigenden Arbeitsbelastung in deutschen Kliniken und Praxen, erhöht sich die Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte immer mehr, in ein Arbeitsverhältnis zu treten. Doch wie sieht der Arbeitsalltag im MVZ aus und welche Vor- und Nachteile bringt er mit sich?
Was ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
Unter einem Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) ist eine eigenständige Einrichtung zu verstehen, in der mindestens zwei Ärztinnen und Ärzte mit unterschiedlichen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen unter einem Dach zusammenarbeiten und patientenorientierte, ambulante und vertragsärztliche Versorgungen gewährleisten. Die Medizinischen Versorgungszentren wurden 2004 eingeführt und nehmen erheblich zu. Von klassischen Einzel- oder Gemeinschaftspraxen, bei denen die Praxisinhaberinnen und -inhaber in der Regel auch die ärztliche Tätigkeit persönlich ausüben, unterscheidet sich das MVZ vor allem dahingehend, dass es nur von bestimmten Trägern gegründet werden kann.
Als Gründer kommen seit Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes an 1. Januar 2012 ausschließlich zugelassene Ärztinnen und Ärzte und Krankenhäuser sowie Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen in Frage. Solche Nichtärztlichen Dialyseleistungen umfassen sämtliche Sach- und Dienstleistungen rund um die Dialyse wie beispielsweise die Bereitstellung von Behandlungseinrichtungen, Reparaturen und Wartungen, oder die pflegerische und medikamentöse Betreuung von Patientinnen und Patienten. Zuletzt sind gemeinnützige Träger, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, sowie anerkannte Praxisnetze dazu berichtigt, ein MVZ zu gründen. Bis zum Jahr 2004 war es Ärztinnen und Ärzten lediglich möglich eine Gemeinschaftspraxis zu gründen, insofern sie ihren Beruf gemeinsam ausüben wollten.
Seit der Gründung von Medizinischen Versorgungszentren können sich auch Ärztinnen und Ärzte zusammenschließen, die unterschiedlichen Fachrichtungen oder Gesundheitsberufen nachgehen. Ein Zusammenschluss zweier Ärztinnen und Ärzte gleichen Fachgebietes ist jedoch auch möglich.
Welche Ärztinnen und Ärzte können im MVZ Anstellung finden?
Die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Insgesamt sind derzeit knapp 22.000 deutsche Ärztinnen und Ärzte in rund 3.500 bundesweiten Einrichtungen beschäftigt. In einem Medizinischen Versorgungszentrum arbeiten durchschnittlich rund 6,4 Ärztinnen und Ärzte. Darunter sind die Facharztgruppen der Hausärzte, Internisten und Chirurgen am häufigsten vertreten. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass es in jedem Fall eine(n) ärztliche(n) Leiter/in im MVZ geben muss, der selbst als angestellte(r) Ärztin/Arzt oder Vertragsärztin/-arzt im Medizinischen Versorgungszentrum praktiziert und dort die medizinische Leitung übernimmt.
Ärztinnen und Ärzte nahezu aller Fachrichtungen können sowohl als selbstständige Vertragsärztin oder selbstständiger Vertragsarzt sowie als angestellte Medizinerin bzw. angestellter Mediziner im MVZ Anstellung finden. Voraussetzung für die ärztliche Tätigkeit im medizinischen Versorgungszentrum ist ein vorhandener Arztsitz, eine Eintragung im Arztregister, sowie die Genehmigung des Zulassungsausschusses.
Arbeitsalltag im Medizinischen Versorgungszentrum
Grundsätzlich unterscheidet sich die ärztliche Tätigkeit in einem medizinischen Versorgungszentrum nicht wesentlich von der in einer Gemeinschafts- oder Einzelpraxis. Jedoch beschränkt sich die Arbeit in einem MVZ nicht allein auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten. So hat die ärztliche Leiterin bzw. der ärztliche Leiter, welche(r) unbedingt einer ärztlichen Tätigkeit im medizinischen Versorgungszentrum nachgehen muss, die Aufgabe, dass die vertragsarzt- und berufsrechtlichen Pflichten der angestellten Ärztinnen und Ärzte eingehalten werden. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass die Abrechnung stimmt und die Qualitätssicherung eingehalten wird. Neben der ärztlichen Leiterin/dem ärztlichen Leiter kann es eine(n) Geschäftsführer/in geben. Alle Aufgaben, die nicht in die ärztliche Verantwortlichkeit fallen, können somit auch von Nichtmedizinern übernommen werden.
Vorteile für Ärztinnen und Ärzte im Medizinischen Versorgungszentrum
Dass Ärztinnen und Ärzte nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie, zunehmend an ihrer Belastungsgrenze arbeiten, ist kein Geheimnis. Aufgrund dessen zieht es immer mehr Ärztinnen und Ärzte in ein Angestelltenverhältnis. Die Aussicht auf flexible Arbeitszeiten oder gar eine Teilzeitanstellung, lockt nicht nur ältere Ärztinnen und Ärzte in die medizinischen Versorgungszentren, sondern auch solche, die Familie und Job in Einklang bringen möchten und sich eine bessere Work-Life-Balance erhoffen als in anderen ambulanten oder stationären Einrichtungen im Rahmen der Möglichkeit liegt. Allein die Vorstellung Bereitschafts-, Ruf- und Schichtdiensten den Rücken kehren zu können, ist für viele Ärztinnen und Ärzte Argument genug.
Zudem zieht es insbesondere junge Ärztinnen und Ärzte in die Medizinischen Versorgungszentren. Auf diesem Wege können sie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, ohne die mit einer Praxisgründung verbundenen wirtschaftlichen Risiken, wie beispielsweise die Anschaffung von Geräten oder Nutzung von Räumlichkeiten, in Kauf nehmen zu müssen. Des Weiteren punkten die Medizinischen Versorgungszentren vor allem im Rahmen von administrativen Aufgaben wie Personalsuche, Abrechnung oder die Beschaffung von Medizintechnik und Verwaltungsarbeiten, um die sich Ärztinnen und Ärzte im Anstellungsverhältnis nicht zusätzlich kümmern müssen. So bleibt den Ärztinnen und Ärzten mehr Zeit für die Behandlung ihrer Patienten sowie für Fort- und Weiterbildungen.
Vorteile eines MVZ für Patientinnen und Patienten
Auch für Patientinnen und Patienten bieten Medizinische Versorgungszentren Vorteile, die klar auf der Hand liegen. So profitieren Sie nicht nur von einer Versorgung durch Mediziner/innen verschiedener Fachrichtungen im gleichen Haus. Es arbeiten auch alle, an der Behandlung Beteiligten eng miteinander zusammen und verständigen sich gemeinsam über Krankheitsverlauf, Behandlungsziele und Therapie. Somit entfallen lange Anfahrten zu Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen sowie notwendige Überweisungen und parallele Behandlungen. Für Patientinnen und Patienten bedeutet dies vor allem eine deutliche Zeitersparnis aufgrund eines schnelleren Informationsaustausches und verringerten Wartezeiten. Zudem kann die Form der ambulanten ärztlichen Behandlung dazu beitragen, zeitraubende und unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden.
Nachteile für Ärztinnen und Ärzte im Medizinischen Versorgungszentrum
Einen möglichen Nachteil für angestellte Ärztinnen und Ärzte eines Medizinischen Versorgungszentrums könnte die Tatsache darstellen, dass Kassenärztliche Vereinigungen und das MVZ Fragen nach arbeitsrechtlichen Regelungen miteinander absprechen. Die vertraglich angestellten Ärztinnen und Ärzte sind in diesen Gesprächen nicht vertreten, aber müssen den ohne sie getroffenen Bestimmungen folgen. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Ärztinnen und Ärzte bei weitem nicht die Freiheiten einer Einzelpraxis genießen können. Rahmenbedingungen wie Standort, Praxisräume, sowie bedingt auch die Personalauswahl können nicht beeinflusst werden. Des Weiteren existiert derzeit noch keine einheitliche Regelung für im Arbeitsverhältnis stehende Ärztinnen und Ärzte bezüglich der Themen Freistellung, Vertretung und Kündigung. Unstimmigkeiten, welche sich hieraus ergeben könnten, sind aktuell nicht in den Sozial- oder Bundesgesetzbüchern geregelt. Zudem muss bedacht werden, dass die Rückumwandlung angestellter Ärztinnen und Ärzte in freiberufliche Zulassungen zwar möglich sind, hierfür jedoch ein Antrag des anstellenden Medizinischen Versorgungszentrums oder Vertragsarztes erforderlich ist.
Nachteile eines MVZ für Patientinnen und Patienten
In der Regel profitieren die Patientinnen und Patienten von den zahlreichen Vorteilen eines Medizinischen Versorgungszentrums, wie der verbesserten medizinischen Versorgung aufgrund mehrerer praktizierender Fachärztinnen und Fachärzten unter einem Dach. Verglichen mit einer Einzelpraxis hat das Medizinische Versorgungszentrum jedoch einen größeren Kundenstamm. Patientinnen und Patienten empfinden das MVZ aufgrund dessen oftmals als unpersönlich und anonym. Zudem fällt den tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie MFA teilweise die Identifikation mit dem Medizinischen Fachzentrum nicht leicht, was wiederum demotivierend auf das Arbeitsverhalten wirken kann und von den Patienten deutlich wahrgenommen wird.