
Welche Bedeutung hat das Aus der Ampel-Koalition für die Gesundheitspolitik? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte einen „Herbst der Reformen“ angekündigt. Doch welche laufenden Projekte können noch auf den Weg gebracht werden? Welche haben kaum noch Chancen auf Umsetzung? Der folgende Artikel gibt einen Überblick.
Gesundheitspolitik: Wie steht es um Lauterbachs „Herbst der Reformen“?
Am 6. November 2024 hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Am 16. Dezember will Scholz nun im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, Neuwahlen sollen nach aktueller Planung am 23. Februar 2025 stattfinden. Bis dahin bleibt die bisherige Regierung geschäftsführend im Amt.
Ob in der knappen Zeit noch alle Projekte umgesetzt werden können, die Lauterbach für seinen „Herbst der Reformen“ vorgesehen hat, ist fraglich. Welche Vorhaben noch ins Ziel gebracht werden könnten und welche vermutlich scheitern, zeigt die folgende Übersicht.
Krankenhausreform
Die breit aufgestellte Krankenhausreform möchte Lauterbach noch unbedingt umsetzen. Der Bundestag hatte der Reform bereits Mitte Oktober zugestimmt, die letzte Beratung im Bundestag steht aber noch aus. Stattfinden soll sie am 22. November. Mehrere Bundesländer haben angekündigt, dort einen Vermittlungsausschuss anrufen zu wollen. Kommt es tatsächlich soweit, könnte das die Krankenhausreform noch stoppen. Die Folge: In den nächsten zwei Jahren müssten mehrere Hundert Krankenhäuser Insolvenz anmelden.
Für die Umsetzung der Krankenhausreform werden darüber hinaus noch drei Rechtsverordnungen benötigt. Das Bundesgesundheitsministerium wollte diese ursprünglich im Frühjahr erlassen. Dabei soll es auch bleiben: Kommt die Reform durch den Bundesrat, brauchen die Rechtsverordnungen nur noch dessen Zustimmung. Der Bundestag muss nicht beteiligt werden. Fraglich ist jedoch, ob das Bundesgesundheitsministerium die Rechtsverordnungen noch vor den Neuwahlen fertigstellen kann.
Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit
Das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit steht kurz vor dem Abschluss und ist kaum umstritten. Sie gilt daher als die Reform mit den größten Chancen auf Umsetzung. Der Fokus liegt auf dem Aufbau eines Instituts für öffentliche Gesundheit. Allerdings sollen an das Gesetz noch neue Regelungen angehängt werden, etwa ein Passus, der weitere Impfungen in Apotheken erlauben soll. Die abschließende Beratung ist für Mitte November geplant.
Notfallversorgung
Mit der Notfallversorgung möchte die Bundesregierung die überfüllten Notaufnahmen entlasten. Es sollte Mitte 2025 in Kraft treten. Erst am 6. November, kurz vor dem Koalitions-Aus, hatte sich der Gesundheitsausschuss noch mit dem Gesetz befasst. Ein Termin für die Abstimmung im Plenum steht jedoch noch nicht fest. Angesichts des knappen Zeitplans bis zu den Neuwahlen erscheint ein Beschluss schwierig – auch, da die FDP dem Gesetz vermutlich nicht zustimmen wird.
Gesundheitsversorgungs-Stärkungsgesetz
Über das Gesundheitsversorgungs-Stärkungsgesetz hatte der Bundestag zum ersten Mal im Juni beraten. Die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss findet aber erst Mitte November statt. Die Reform soll unter anderem die Aufhebung starrer Budgetgrenzen für Hausärzte festschreiben. Ihre Umsetzung steht nun aber auf der Kippe.
Gesunde-Herz-Gesetz
Das Gesunde-Herz-Gesetz sieht zusätzliche Check-Ups zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Die Reform ist in erster Lesung durch den Bundestag. Die öffentliche Anhörung soll in der letzten November- oder der ersten Dezemberwoche stattfinden. Bei der Union und den Krankenkassen stößt das Vorhaben auf Widerstand. Es wird daher als unwahrscheinlich angesehen, dass SPD und Grüne die Reform noch weiter vorantreiben werden.
Vorhaben zur Organspende
Ein vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachter Gesetzesentwurf soll die Möglichkeiten für Nierenspenden erweitern. Eine Spende soll demnach auch zwischen zwei unterschiedlichen Paaren über Kreuz möglich sein. Das Vorhaben steht allerdings noch ganz am Anfang der Beratungen.
Eine fraktionsübergreifende Initiative setzt sich derweil dafür ein, die Spenderegeln zu ändern. Künftig soll jeder als Spender gelten, es sei denn, man widerspricht der Organspende ausdrücklich. Dieses Vorhaben könnte unabhängig von Koalitionsmehrheiten noch auf den Weg gebracht werden.
Apothekenreform
Schlechte Chancen werden der Apothekenreform eingeräumt. Das Gesetz soll unter anderem den Betrieb von Filialen auf dem Land vereinfachen. So sollen etwa auch pharmazeutisch-technische Assistenten die Beratung übernehmen dürfen, sofern sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Die Reform war von Beginn an umstritten. Um sie noch durchzubringen, bräuchte Lauterbach die Stimmen der Union. Die jedoch lehnt das Projekt ab.
Digitalisierung: Die elektronische Patientenakte kommt
Noch rechtzeitig auf den Weg gebracht wurde dagegen ein Schlüsselprojekt von Lauterbachs Gesundheitspolitik: die elektronische Patientenakte (ePA). Ab Anfang 2025 erhalten alle gesetzlich Krankenversicherten von ihrer Kasse eine solche Akte – es sei denn, sie legen Einspruch ein. Die elektronische Patientenakte dient als Speicher für Informationen zu Befunden, Laborwerten und Medikamenten und soll Patienten ein Leben lang begleiten. Am 15. Januar 2025 soll das Projekt zunächst in zwei Modellregionen starten, vier Wochen später ist die bundesweite Einführung geplant.
Lesen Sie hierzu außerdem: ePA-Widerspruch: So können Versicherte vorgehen