Die realen Arbeitszeiten in deutschen Krankenhäusern weichen oft signifikant von den offiziell festgelegten Arbeitsstunden ab. Nicht selten überschreiten Ärzte das erlaubte Wochenstundenkontingent. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, sich als Arzt sowohl über die eigenen Rechte als auch über die Pflichten im Klaren zu sein.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliche Grundlagen im klinischen Alltag
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) spielt eine zentrale Rolle in der Gestaltung des Arbeitsalltags von jedem Arbeitnehmer in Deutschland. Es definiert die Rahmenbedingungen für Arbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten. Dabei hat es auch einen direkten Einfluss auf die Dienstplangestaltung in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Das Arbeitszeitgesetz legt u.a. fest, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten darf. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur dann verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Für Ärzte bestimmt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), dass die durchschnittliche Arbeitszeit im Krankenhaus 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten sollte. Diese Regelung schließt alle Arten von Diensten ein, einschließlich Bereitschafts- und Rufdienste sowie Überstunden. Doch trotz klarer gesetzlicher Vorgaben stellt die Realität im Krankenhausalltag oft eine Herausforderung dar. Dies ist auch entscheidender Unzufriedenheits Treiber bzw. Faktor, den Ärtzinnen und Ärzte als Belastung empfinden, wie unsere Umfrage zeigt:
Ruhepausen und Ruhezeiten
Das Gesetz schreibt zudem vor, dass Arbeitnehmer bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden mindestens 30 Minuten Pause machen müssen, die auf zwei 15-Minuten-Blöcke aufgeteilt werden kann. Bei mehr als neun Stunden erhöht sich diese Pause auf 45 Minuten. Nach Beendigung der Tagesarbeit müssen mindestens elf Stunden Ruhezeit eingehalten werden. In Krankenhäusern kann diese Ruhezeit auf zehn Stunden verkürzt werden, was häufig aufgrund der Arbeitsanforderungen in der Medizin genutzt wird.
Besonderheiten für Ärzte unter dem ArbZG
Ärzte leisten häufig Bereitschaftsdienste, bei denen sie am Arbeitsplatz anwesend sein müssen, um bei Bedarf sofort tätig werden zu können. Diese Zeiten gelten nach deutschem Recht als Arbeitszeit, wenn der Arzt tatsächlich zur Arbeit aufgerufen wird. Das bedeutet, dass auch Zeiten des Nichtstuns, wenn der Arzt auf Abruf wartet, in vielen Fällen als Arbeitszeit angesehen werden können.
Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst kann sich der Arzt bei der Rufbereitschaft (oder dem sogenannten “Pikettdienst”) an einem Ort seiner Wahl aufhalten, muss jedoch sicherstellen, dass er innerhalb einer angemessenen Zeit am Arbeitsplatz sein kann. Diese Zeiten zählen im Normalfall nicht als Arbeitszeit, es sei denn, der Arzt wird tatsächlich zur Arbeit gerufen.
Dienstplanung und Arbeitszeiterfassung
Das Arbeitszeitgesetz (§ 16 Abs. 2 ArbZG) schreibt vor, dass alle über die reguläre Arbeitszeit hinausgehenden Stunden dokumentiert und mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden müssen. Moderne Kliniken nutzen elektronische Systeme zur Arbeitszeiterfassung, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihre Zeiten bequem zu erfassen, sei es über Magnetkarten, Stechkarten oder Transponder-Chips. Diese Systeme bieten den Vorteil, dass nur Abweichungen von der geplanten Arbeitszeit dokumentiert werden müssen, was den Aufwand erheblich reduziert. Über ein Mitarbeiterportal können Ärzte und Pflegepersonal ihre Arbeitszeiten einsehen, Dienstpläne abrufen und Urlaubsanträge stellen.
Wie viele Dienste müssen Ärzte machen?
Die Anzahl der Dienste, die Ärzte monatlich leisten müssen, variiert je nach verschiedenen Faktoren wie Bettenzahl, Abteilungsstruktur, Patientenaufkommen und Vorhandensein spezieller Einrichtungen wie Notaufnahmen oder Intensivstationen. Kleinere Teams müssen häufiger Bereitschafts- und Nachtdienste übernehmen als größere Abteilungen. Laut den meisten Tarifverträgen dürfen Ärzte maximal vier Bereitschaftsdienste pro Monat und höchstens an zwei Wochenenden arbeiten, es sei denn, die Patientensicherheit erfordert zusätzliche Einsätze. Sie sollten sich dennoch vor einer Zusage die Dienstpläne zeigen lassen, um ein realistisches Bild von den tatsächlichen Arbeitszeiten zu bekommen.
Umgang mit Überstunden und Notfällen
Trotz sorgfältiger Planung können Notfälle auftreten, die eine Anpassung der Dienstpläne erfordern. Das Arbeitszeitgesetz erlaubt Ausnahmen für echte Notfälle, definiert jedoch klare Grenzen, um Missbrauch zu verhindern. Schlechte Planung oder Personalmangel gelten nicht als Notfälle. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz können zu Bußgeldern führen und die Gesundheit des Personals gefährden.
Realität der Arbeitszeiten im Krankenhausalltag
Viele Klinikärzte erleben einen anspruchsvollen Arbeitsalltag mit langen Arbeitszeiten, die oft die gesetzlich festgelegten Grenzen überschreiten. Laut einer Umfrage des Marburger Bundes aus dem Jahr 2017 überschreiten 60% der befragten Klinikärzte regelmäßig die 48-Stunden-Woche. Diese Diskrepanz zwischen gesetzlichem Rahmen und klinischer Praxis wird häufig durch die sogenannte “Opt-out”-Regelung ermöglicht. Diese ermöglicht es Ärzten, im Rahmen von Bereitschaftsdiensten und unter einem Tarifvertrag, ihre Arbeitszeit auf bis zu 58 Stunden pro Woche zu erweitern. Voraussetzung dafür ist jedoch eine schriftliche Zustimmung. Diese wird schon oft bei der Einstellung eingefordert. Dabei suggeriert man jungen Assistenzärzten, dass dies eine übliche Praxis sei. Das führt dazu, dass viele Ärzte unter Druck gesetzt werden, diese Vereinbarung zu unterzeichnen. Eine einmal gegebene Zustimmung zur Opt-out-Vereinbarung kann dennoch innerhalb von sechs Monaten schriftlich widerrufen werden. Und zwar ohne dass daraus berufliche Nachteile entstehen dürfen, wie es § 7 Abs. 7 des ArbZG festlegt.