
Mediziner sind im Rahmen der ärztlichen Schweigepflicht dazu verpflichtet, über alle (persönlichen) Informationen und Gesprächsinhalte, die ihnen im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit anvertraut werden zu schweigen. Ärzte und Mitarbeiter, die gegen die Schweigepflicht verstoßen, müssen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Inhaltsverzeichnis
- Ärztliche Schweigepflicht - Historie und gesetzliche Verankerung
- Was umfasst die Schweigepflicht?
- Gegenüber welchen Personen besteht die ärztliche Schweigepflicht?
- Entbindung und Ausnahmen von der Schweigepflicht
- Konsequenzen bei Verletzung der Schweigepflicht
- Praktische Anwendung und Vermeidung von Fallstricken
Das Wichtigste in Kürze
- Schweigepflicht gilt für Ärzte, Pflegefachkräften, Assistenten, Auszubildenden, Verwaltungspersonal und allen weiteren Personen, die Zugriff auf die Krankenakte haben.
- Die ärztliche Schweigepflicht besteht generell gegenüber jedem, egal ob Arbeitgeber, Polizei, Gericht und Medien, Familienangehörige, Ehepartner und Freunde - auch über den Tod hinaus.
- Neben Paragraf 203 des Strafgesetzbuches sieht in bestimmten Berufen ein Bruch der Schweigepflicht neben Geld- und Freiheitsstrafen auch ein Berufsverbot vor.
- Entbindungen von der Schweigepflicht sind in Ausnahmen möglich.
- Auch einer unbewussten Verletzung der Schweigepflicht auf Station oder im Wartezimmer muss vorgebeugt werden.
Ärztliche Schweigepflicht – Historie und gesetzliche Verankerung
Die Ursprünge der ärztlichen Schweigepflicht liegen im hippokratischen Eid begründet. Dieser wurde um das 5. bis 4. Jahrhundert vor Christus erstmals von Hippokrates von Kos – einem griechischen Arzt – geschrieben. In der entsprechenden Passage heißt es: „Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten.“
Rechtliche Rahmenbedingungen
Gemäß Paragraf 203 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) „macht sich der Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar, wer als Verschwiegenheitsverpflichteter unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart.“ Neben der Verankerung im StGB ist die Schweigepflicht auch im Paragrafen 9 Absatz 1 der Berufsordnung für Ärzte niedergeschrieben, beziehungsweise den Berufsordnungen für Mediziner der jeweiligen Landesärztekammern zu entnehmen.
Was umfasst die Schweigepflicht?
Üblicherweise unterliegen alle Informationen, die der Patient seinem Arzt anvertraut, der Schweigepflicht. Diese umfasst demnach,
- die personenbezogenen Daten
- den generellen Sachverhalt, dass ein Arzt-Patienten-Verhältnis besteht
- alle Informationen über die im Rahmen der Behandlung getätigten Maßnahmen
- alle privaten Geheimnisse, von denen der Patient dem Arzt berichtet
Gegenüber welchen Personen besteht die ärztliche Schweigepflicht?
Die Verschwiegenheitspflicht gilt gegenüber jedem. Alle Familienangehörigen, der Arbeitgeber und selbst die Polizei sind nicht davon ausgenommen.
Schweigepflicht von Arzt zu Arzt
Auch untereinander sind Ärzte grundsätzlich an die Schweigepflicht gebunden. Wenn jedoch mehrere Ärzte zur gleichen Zeit oder nacheinander einen Patienten behandeln, entfällt basierend auf dem Paragrafen 9 Absatz 4 der Berufsordnung für Ärzte die Schweigepflicht, wenn das Einverständnis des Patienten vorliegt oder dieses zumindest anzunehmen ist.
Entbindung und Ausnahmen von der Schweigepflicht
Eine Ausnahme von der Schweigepflicht besteht also nur dann, wenn der Patient den Arzt von dieser entbindet oder die Schweigepflicht aufgrund besonderer Umstände aufgehoben ist, z.B. wenn der Patient einen gesetzlichen Betreuer hat und dieser im Rahmen der medizinischen Behandlung des Patienten dessen Interessen vertritt. Bei der Behandlung von Kindern und noch nicht einwilligungsfähigen Jugendlichen besteht gegenüber den Eltern keine Schweigepflicht.
Seuchenschutz
Um einen besonderen Umstand handelt es sich beispielsweise im Zusammenhang mit einem meldepflichtigen Krankheitsfall im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes. Für die Erkennung von übertragbaren Krankheiten und Infektionen sowie für die Verhinderung derer Weiterverbreitung befreit Paragraf 8 des Infektionsschutzgesetzes den Arzt von der Schweigepflicht.
Todesfall
Schweigepflicht besteht auch nach dem Tod des Patienten die Schweigepflicht. Eine Ausnahme ist beispielsweise vorhanden, wenn der Arzt einen mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln konnte (z.B. für Lebensversicherung). Tritt diese für die Angehörigen in Kraft durch den Tod des Patienten, so kann der Arzt davon ausgehen, dass der Patient mit einem Bruch der Schweigepflicht einverstanden wäre, um die Auszahlung zu ermöglichen.
Gegenwärtige Gefahr für geschützte Rechtsgüter
Sollten Rechtsgüter Dritter gefährdet sein, die höher zu bewerten sind als das Recht auf Datenschutz, so darf der Arzt seine Schweigepflicht brechen. Sollte ein Patient also wie beim vorigen Beispiel an einer übertragbaren Krankheit leiden, möchte dies jedoch nicht bekannt geben, so ist der Arzt berechtigt diese Krankheit zu melden, da für andere eine Gefahr besteht.
Hinweis auf schwere Straftaten
Ein äußerst seltener, jedoch möglicher Fall dieser Art, ist die Ermittlung einer geplanten schweren Straftat wie Mord. Sollte der Arzt eine sogenannte Katalogtat (aufgeführt in Paragraf 138 Strafgesetzbuch) erfahren, ist er verpflichtet diese zu melden und ist somit von der Schweigepflicht entbunden.
Konsequenzen bei Verletzung der Schweigepflicht
Bei Verletzung der Schweigepflicht muss ein Arzt mit folgenden Konsequenzen rechnen.
Strafrechtliche Folgen
In Deutschland ist die Verletzung der Schweigepflicht gemäß Paragraf 203 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Im Falle einer tatsächlichen Verurteilung können eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder drohen. Die Höhe der Geldstrafe hängt von den Einkommensverhältnissen des Arztes ab und ist üblicherweise in Tagessätzen zu entrichten.
Berufsrechtliche Konsequenzen
Neben den strafrechtlichen Folgen können Ärzten, die die Schweigepflicht missachten auch berufsrechtliche Konsequenzen drohen. Wegen des Verstoßes gegen Paragraf 9 der ärztlichen Berufsordnung kann die Ärztekammer des zuständigen Bundeslandes schlimmstenfalls Sanktionen, wie beispielsweise einen Approbations- oder Zulassungsentzug, verhängen.
Zivilrechtliche Haftung
Über die Paragrafen 823 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und 203 Strafgesetzbuch (StGB) besteht zudem eine zivilrechtliche Haftung auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld.
Zur Sicherheit für den Arzt: Ärztekammer informieren
Gerade im Verdacht auf eine mögliche schwere Straftat kann sich der Arzt mit Schweigepflicht an die Ärztekammern wenden. In anonymisierter Form kann sich der Arzt Rat bei der Ärztekammer einholen, welche den Fall prüft. Hiermit sichert sich der Arzt strafrechtlich ab, da er grundsätzlich gegen seine Verschwiegenheitspflicht agiert, jedoch einen begründeten Verdacht hat.
Praktische Anwendung und Vermeidung von Fallstricken
Der Umgang mit (persönlichen) Informationen von Patienten und allgemeinen Patientendaten ist Bestandteil der täglichen Arbeit von Medizinern. Welche Hürden sich hierbei ergeben und welche Maßnahmen die Sicherheit der Patientendaten verbessern können ist im Folgenden zusammengefasst.
Umgang mit Patientendaten im Praxisalltag
Gemäß Artikel 9 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind Patientendaten als sogenannte „besondere Kategorien“ von personenbezogenen Daten besonders geschützt. Ärzte sind daher dazu verpflichtet, ihre Patienten darüber in Kenntnis zu setzen, in welcher Form und zu welchem Zweck persönliche Daten erhoben, gespeichert und weitergeleitet werden. Nur durch Aufnahme und Verarbeitung der Patientendaten kann ein Behandlungsvertrag zu Stande kommen. Die Datenweitergabe an Dritte wird zum Beispiel notwendig zur Leistungsabrechnung mit den Krankenkassen oder bei der Einholung für die Behandlung notwendiger Informationen bei ärztlichen Kollegen. Im Rahmen der Erstvorstellung müssen Patienten daher grundsätzliche eine Datenschutzvereinbarung unterzeichnen und der Datenspeicherung, -Verarbeitung und -Weitergabe zustimmen.
Datenschutz und Datensicherheit
Trotz Datenschutzvereinbarung besteht in Arztpraxen die Gefahr für potenzielle Sicherheitslücken. Diese ergeben sich beispielsweise, wenn Patientendaten offen an der Anmeldung für andere Patienten einsehbar sind oder sich der Arzt und das Praxispersonal über Inhalte der Behandlung oder Testergebnisse vor anderen Patienten unterhalten. Gleiches gilt für Flur- und Küchengespräche, wenn dabei Rückschlüsse auf den Patienten bestehen können.
Die folgenden Basismaßnahmen sollten von Praxisinhabern getroffen werden, um die Sicherheit der Patientendaten zu gewährleisten.
- Empfangsbereich und Wartezimmer so gestalten, dass Computerbildschirme von Dritten nicht eingesehen werden können und Gespräche nicht mitgehört werden
- Arbeitsplätze durch individuelle Passwörter schützen
- Mitarbeiter regelmäßig zum Thema Datenschutz und -sicherheit schulen
- Patientenakten in Papierform vor dem Zugriff Dritter sichern
- Zutritt zu den Behandlungsräumen nur nach vorheriger Aufforderung und unter Aufsicht
- In einem Fall der Praxisübergabe oder eines Arztwechsels Einwilligung des Patienten einholen, damit die Krankenakte weitergegeben werden kann.