
Jeder angehende Medizinstudent stellt sich bei der Bewerbung wohl dieselbe Frage: „Welche Unis gebe ich jetzt auf meiner Ranking-Liste an?“
Neben Faktoren wie Größe der Uni, Standort (Mietpreise und Wohnungssituation vor Ort) und Heimatnähe spielen auch Qualitätsmerkmale eine wichtige Rolle bei der Wahl für eine Uni. So sollte auch das Curriculum der jeweiligen medizinischen Fakultät näher betrachtet werden. Denn hier gibt es ganz entscheidende Unterschiede zwischen den Unis.
Welcher Lerntyp bist du?
Eine der ersten Fragen, die man sich bei der Bewerbung stellen sollte, ist die nach dem Lerntyp. Bevorzuge ich ein „verschultes“ System, also eines, dass viele Pflichtkurse und Anwesenheiten erfordert. Oder ist mir ein „freieres“ System lieber, in dem man weniger Anwesenheitspflichten hat? Das würde aber unter Umständen dazu führen, dass man selbst zu viel auf der „faulen Haut“ liegt.
Die beiden Paradebeispiele hierfür sind interessanterweise in ein und derselben Stadt: München. Die LMU hat mit MeCuM ein verschultes System, die TU München hingegen ein sehr freies Curriculum. Dies bedeutet wohl bemerkt nicht, dass eines hiervon besser oder schlechter ist.
Die wichtigsten Qualitätsmerkmale
Orientierung an Leitlinien
Ein wichtiger Faktor ist sicherlich die Orientierung an aktuellen Leitlinien für den Aufbau des Medizinstudiums. Die aktuellste Leitlinie ist der „Masterplan Medizinstudium 2020“. Ziele dieser Leitlinie sind unter anderem ein besserer Praxisbezug im Studium und kommunikative und soziale Fähigkeiten erhalten mehr Gewicht. Außerdem wird die Allgemeinmedizin im Zuge des Masterplans ausgebaut. Universitäten, die diese Ziele bereits umsetzen, bieten natürlich einen Vorteil für das Studium und den zukünftigen Arztberuf.
Einbindung aktueller Forschungsergebnisse
Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist der Einbau von aktuellen Forschungsergebnissen der Medizindidaktik in das Curriculum. Die Medizindidaktik widmet sich speziell der Ausbildung der Studierenden. Wie lehren Professoren, Dozenten am besten? Und wie lernen Studierende am besten? Die Ergebnisse dieser Forschung sollten sich in den Curricula widerspiegeln.
Organisation des Curriculums
Die Organisation des Curriculums ist ein weiterer, ganz entscheidender Faktor. Durch eine gute Organisation sind kleinere Gruppen möglich (beispielsweise beim „bedside-teaching“ – Unterricht am Krankenbett). Die Anmeldung zu Wahlfächern ist einfacher und zuverlässiger. Und allen voran sind die vielbeschäftigten Dozenten (die sich oft zwischen Krankenversorgung, Forschung und Unterricht dreiteilen müssen) deutlich motivierter und weniger frustriert, was den Studierenden zu Gute kommt. Im Bereich der Studienorganisation sind Aachen und Lübeck die Spitzenreiter, die auch insgesamt für ihre Curricula regelmäßig Spitzenplätze in den Rankings belegen.
Größe einer Uni
Die Größe einer Universität beeinflusst natürlich auch in gewisser Weise die Qualität des Studiums. Es gibt aber zwei Seiten. Auch eine große Universität kann durch die entsprechende Anzahl an Gruppen, Unterricht in Kleingruppen bieten. Der Vorteil einer größeren Universität sind oft die Wahlmöglichkeiten und die Vielfalt, welche eine kleinere Universität unter Umständen nicht bieten kann. Hingegen der Vorteil einer kleineren Universität ist oft eine familiäre Atmosphäre, man entwickelt schneller ein Netzwerk, welches sich später als nützlich erweisen kann.
E-Learning wichtig
Zunehmend wichtiger wird auch das Online- bzw. E-Learning Angebot der Universitäten. Wenn man beispielsweise Vorlesungen auch bequem per Podcasts anhören kann, muss man sich nicht zwangsläufig dafür morgens um sechs aus dem Bett quälen. Weiterhin hat man die Möglichkeit, schwierige Sachverhalte mehrmals anzuhören, bzw. in seinem eigenen Tempo zu lernen.
Natürlich ersetzt das gerade im Bereich Medizin nicht die Anwesenheiten. Denn der Unterricht am Krankenbett und in Tutorials ist unersetzlich. Aber zumindest kann E-learning eine gute Ergänzung bieten. Hier ist Heidelberg unter den Spitzenreitern. Aber auch Tübingen und Hannover bieten ein umfangreiches E-Learning Angebot an.
Wahlfachangebot
Das Wahlfachangebot ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor im Curriculum einer medizinischen Fakultät. Bei den meisten Unis hat man nicht nur im praktischen Jahr die Möglichkeit eines Wahlfaches. Auch im vorklinischen- und klinischen Studienabschnitt können ein oder mehrere Wahlfächer belegt werden. Dies kann den weiteren Werdegang entscheidend prägen. Eine große Universität mit guter Organisation bietet hier die meisten Vorteile. Die geographische Lage hat ebenfalls einen (wenngleich auch nur geringen) Einfluss auf die Wahlfächer der Universität. Die Universitäten in Alpennähe bieten beispielsweise meist Höhenmedizin oder Bergrettung an.
Wie finde ich heraus, welche Kriterien erfüllt werden?
Die entscheidende Frage ist natürlich, wie man nun in Erfahrung bringt, ob z.B. Leitlinie und Forschungsergebnisse im Lehrplan berücksichtigt wurden.
Um sich die mühsame Suche auf den einzelnen Homepages der Universitäten zu ersparen, gibt es Rankings. Einige werden jährlich aktualisiert, um Änderungen in den Curricula und Empfehlungen zu berücksichtigen.
Das anerkannteste Ranking ist das Hochschulranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Bei diesem Ranking werden die meisten Daten verarbeitet. Es gibt sowohl Befragungen von Studierenden als auch von Professoren und Wissenschaftlern. Die Kriterien variieren, berücksichtigen aber unter anderem Anzahl der Studierenden, Studienorganisation, Unterstützung am Studienanfang und die allgemeine Studiensituation.
Viel Gestaltungsspielraum im klinischen Studienabschnitt
Der grundsätzliche Aufbau ist natürlich bei allen Curricula gleich. Vier Semester vorklinischer Studienabschnitt (mit Fächern wie Anatomie, Physiologie, Biochemie) und acht Semester klinischer Studienabschnitt (mit Fächern wie Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie etc.).
Der klinische Studienabschnitt bietet den Universitäten jedoch viel Handlungsspielraum. Einige Universitäten nutzen diese Gestaltungsmöglichkeit und weichen vom traditionellen Aufbau (nach Fächern getrennt) ab. Besonders gestaltungsfrei aufgrund Gesetzgebung und finanzieller Mittel sind die privaten Universitäten in Deutschland. Witten Herdecke z.B. gilt bezüglich der Lehre als Spitzenreiter unter den Universitäten.
Beispiele für innovative Curricula
Heidelberg, München LMU und einige weitere Universitäten bieten beispielsweise ein Studium in Modulen an, welche interdisziplinär (also zum Beispiel Chirurgie und Innere Medizin gemeinsam) und zudem nach Organen aufgebaut (zum Beispiel das Modul „Herz“ mit Kardiologie und Herzchirurgie) sind. Dies bietet den Vorteil, dass man schon im Studium ein vernetztes Denken lernt. Außerdem ist es für die Patienten von großem Vorteil, wenn ein Arzt nicht nur stur in seiner Fachrichtung denkt, sondern von einer offenen, interdisziplinären Denkweise geprägt ist.
Heidelberg bietet seinen Studierenden sogar die Möglichkeit, das Studium mitzugestalten, indem man selbst Schwerpunkte setzt (mittels sogenannter Wahltracks), bestimmte Kenntnisse vertieft (in verschiedenen Sozietäten) und auch örtlich flexibler ist (es gibt ein umfangreiches E-Learning Angebot).
Es soll an dieser Stelle keine Werbung gemacht werden, nur aufgezeigt werden, welche Vorteile ein innovatives Curriculum bieten kann.
Fazit
Insgesamt zeigt sich in Deutschland derzeit eine sehr vielfältige und inhaltlich wertvolle Studienlandschaft im Bereich der Medizin. Die Curricula sind nicht mehr so starr wie noch vor ein paar Jahr-(zehnt)en, sie verändern sich, werden neu gestaltet und schaffen eine ganz andere Lerngrundlage für die Medizinerinnen und Mediziner von morgen.
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