Eine positive Unternehmenskultur kann für Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen ein ...

Fehler im klinischen Alltag sind häufig und passieren aufgrund der Überlastung von Klinikpersonal, Zeitdruck und Personalmangel leider zu oft. Das Berichtssystem CIRSmedical sammelt diese Fehlerberichte verschiedenster deutscher Ärzte, Ärztinnen, Pflegepersonal sowie deutscher Krankenhäuser. Doch was sind oftmals auftretende Problemsituationen im klinischen Alltag?
Was ist CIRSmedical?
CIRSmedical, abgekürzt „Critical Incident Reporting System“, ist das Berichts- und Lernsystem der deutschen Ärzteschaft für kritische Ereignisse in der Medizin. Deutsche Ärzte und Ärztinnen haben die Möglichkeit, anonym und sicher Situationen aus dem Klinikalltag zu berichten. Die Plattform hat zum Ziel, gegenseitig aus Fehlern und kritischen Ereignissen zu lernen und ist für alle Mitarbeitenden des Gesundheitssystems gedacht.
Auf CIRSmedical befinden sich kaum Richtlinien in Bezug auf die Fehler im klinischen Alltag. Lediglich die Vorgabe, dass es sich um sicherheitsrelevante Ereignisse in der Medizin handeln muss, ist gegeben. Beispiele hierfür sind unerwünschte, kritische Ereignisse, Fehler oder Beinahe-Schäden. Daten, welche Rückschlüsse auf Personen oder Institutionen erlauben, dürfen Mitarbeitende des Gesundheitswesens nicht beschreiben.
Gravierende Fehler im klinischen Alltag
Im Anschluss sind nun kritische Fehler und Ereignisse im klinischen Alltag aufgeführt, welche auf der Plattform zu finden sind. Die Fallberichte weisen alle Nummern auf und neben den Beschreibungen zu den Vorkommnissen existiert eine Matrix zur Risiko-Abschätzung eines Ereignisses, worin der Vorfall eingeordnet wird.
Patientengefahr durch geringe Personalbesetzung
Dieses Ereignis geschah in einer Anästhesie-Abteilung einer deutschen Klinik, welche mit zwei Pflegekräften besetzt war. Zudem waren zwei intensivpflichtige PatientInnen sowie ein verdächtiger Fall mit Covid-19 isoliert und beatmet anwesend. Der Verdachtsfall war kathecholaminpflichtig, ein Wirkstoff, welcher für die Herz-Lungen-Wiederbelebung von hoher Relevanz ist.
Das Ereignis an sich belief sich darauf, dass ein Kollege sich im Isolationszimmer befand, während die andere Pflegekraft für die anderen beiden PatientInnen verantwortlich war. Der Verdachtsfall mit Covid-19 war instabil und musste bereits häufig im Dienst defibrilliert werden. Daraufhin klingelte ein Patient und meinte, es gehe ihm nicht gut. Im Anschluss hörte dieser auf zu atmen und erlitt einen Krampfanfall. Obwohl die Pflegekraft um Hilfe rief, konnte die andere Pflegekraft nichts hören. Aus diesem Grund musste der oder die PflegerIn den krampfenden Patient allein lassen und den diensthabenden Arzt rufen.
Patientin im Rollstuhl warten lassen
Eine Patientin sollte mit dem Patientenfahrdienst zum Röntgen gefahren werden. Dabei wurde sie in einen Rollstuhl vom Fahrdienst gesetzt und zwischen den Betten in einem Zimmer stehen gelassen. Sie saß eine halbe Stunde dort, bis eine Physiotherapeutin aus Zufall in das Zimmer kam und sie sah.
Da die Patientin keine Option gehabt hatte, Hilfe zu holen, war sie aufgelöst. Ihr sei es nicht möglich gewesen, aufgrund ihres Zustandes aufzustehen. Der Mitarbeitende vergaß wohl, der Patientin eine Klingel mitzugeben, damit sie mit den Pflegekräften kommunizieren konnte. Ebenso vergaß der Mitarbeitende, die Patientin für das Röntgen abzuholen. Als Faktoren, welche zu dem Ereignis beitrugen, wurde neben der Ausbildung die persönlichen Faktoren des Mitarbeitenden wie Müdigkeit und Motivation genannt.
Aggressives Verhalten bei PatientInnen
In einem Krankenhaus berichtete man bei zwei PatientInnen, dement bzw. dement und im Delir, über Streitigkeiten und daraus resultierendem fremdaggressiven Verhalten. Dies verbesserte sich die darauffolgenden Tage auch nicht. Daraus folgte eine entsprechende Medikation der PatientInnen, da sich die Situation nicht weiter entschärfen ließ. Die Entscheidung für die Medikation war dahingehend problematisch, da sie potenzielle Nebenwirkungen enthielt und die Not seitens des Teams und die Wut weiterhin bestehen blieben.
Dementsprechend wurde kein Erfolg versprechender oder strukturierter Plan eingeleitet. Ein Umgang mit dementen oder deliranten Patienten muss nach dem Bericht erstattenden Mitarbeitenden noch erlernt werden, um solche drastischen Fehler im klinischen Alltag entgegenzuwirken. Darüber hinaus sollten Kompetenzen und Kenntnisse in solchen Pflegevorgängen helfen, solche Verläufe früh genug zu erkennen und diesen richtig zu begegnen.
CIRSmedical brachte außerdem auf diesen Bericht Vorschläge bezüglich Arbeitsgruppen und Projekten, welche die Implementierung und Umsetzung neuer Versorgungskonzepte für demenziell Erkrankte in der Klinik zum Ziel haben. Dazu gehören beispielsweise die Leitlinie für die Versorgung von Demenzkranken. Der Artikel 7 Tipps bei Gewalt gegen Ärzte und Praxismitarbeiter enthält ferner weitere Informationen, wie man im Falle einer gewalttätigen Auseinandersetzung reagieren sollte.
Notfall-Operation aufgeschoben
In der Abteilung Frauenheilkunde in einem Krankenhaus wurde eine Frau mit einer Eileiterschwangerschaft, welche eigentlich als Notfall gelten sollte, nicht als solcher behandelt. Der Eingriff, welcher eigentlich eine Notfall-OP ist und schnellstmöglich durchgeführt werden sollte, wurde verschoben. Der Grund lag darin, dass die Eileiter nicht rupturiert war. Demzufolge musste die junge Frau noch weitere Stunden auf ihre Operation warten.
Die Notfall-Operation hätte Vorrang vor anderen Notfällen haben sollen, da es um das Patientenwohl geht. Dazu kommt, dass der Kinderwunsch der Patientin über allem anderen hätte stehen sollen. Ebenfalls hätte sich der diensthabende Narkosearzt durchsetzen müssen. Persönliche Faktoren des Mitarbeitenden, falsche Kommunikation im Team oder mit anderen Ärzten sowie Teamfaktoren wie Führung und Zusammenarbeit wurden als Gründe für diesen gravierenden Fehler im klinischen Alltag genannt.
Erschreckend ist überdies, dass bei der Häufigkeit dieses Ereignisses „monatlich“ notiert wurde. Das bedeutet konkret, dass Aufschübe von solchen Notfall-Operationen monatlich in dieser Klinik stattfinden.
Patientenverwechslung bei Insulin-Spritze
In einer Chirurgie-Abteilung in einer Klinik verwechselte man einen Patient bei einer Injektion, welchem man dann Insulin spritzte. Nachdem ein Mitarbeitender des Klinikpersonals erfuhr, dass es der falsche Patient war, zogen Pflegekräfte umgehend einen Arzt hinzu, woraufhin der Blutzucker eine stetige Kontrolle erfuhr. Da der Patient psychisch auffällig wurde und das Beschwerdemanagement informierte, führte die Stationsleitung ein Gespräch mit dem betroffenen Patienten. Darüber hinaus erfolgte eine stationsinterne Besprechung des Vorfalls.
Das Ereignis hätte verhindert werden können, wären ÄrztInnen und Pflegepersonal aufmerksam gewesen und hätten richtig kommuniziert. Zudem führte man die Patientenidentifikation vor der Injektion nicht durch.
Fazit
Die Plattform CIRSmedical bietet Mitarbeitenden des Gesundheitswesens die Möglichkeit, Berichte über inkorrektes Verhalten, fehlerhafte Ereignisse oder Abläufe zu melden und zu sammeln.
Bei besonders drastischen Ereignissen gibt es Feedback bzw. Fachkommentare des CIRS-Teams, beispielsweise Informationen zu zusätzlichen Berichten, Deeskelationstrainings oder Tipps zur weiteren Vorgehensweise. Solche Plattformen sind von hoher Bedeutung, um einen Überblick bezüglich der Zustände in deutschen Kliniken zu erhalten und somit einschätzen zu können.