
Auch im Gesundheitswesen ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (kurz: KI) mittlerweile nicht mehr wegzudenken. KI unterstützt Ärzte bei der Diagnosestellung und Behandlung von Patienten. Sie erleichtert zudem die generelle Kommunikation und Administration, indem sie beispielsweise Sprechstundenberichte und Arztbriefe erstellt. Wir stellen ausgewählte KI-Technologien vor, die Ärzte bereits nutzen, um ihren Arbeitsalltag effizienter zu gestalten und zeigen deren Vorteile, Nachteile und Risiken auf.
Inhaltsverzeichnis
Chat GPT
Chat GPT (GPT steht hier für „Generative Pre-trained Transformer“) wurde im Jahr 2022 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dieser KI-gestützte Chatbot erkennt menschliche Sprache und liefert textbasierte Antworten auf Fragen aller Art. Die Entwickler trainierten die KI initial mit einer Vielzahl an Textdokumenten. Während der Nutzung sammelt sie kontinuierlich Erfahrungswerte, die sie in künftige Antworten einfließen lässt. Dadurch antwortet die KI im Laufe der Zeit immer menschenähnlicher.
Ärzte verwenden Chat GPT, um auf allgemeine medizinische Informationen, spezielle Behandlungspläne, Medikamente (inklusive Dosierung, Neben- und Wechselwirkungen) sowie medizinische Studien und Publikationen zuzugreifen. Außerdem nutzen sie das Tool zur Dokumentation und für die Erstellung von Arztbriefen, da es wichtige Informationen logisch zusammenfasst und sinnvolle Formulierungsvorschläge bietet.
KI-Vorteile
- Zeitersparnis: Chat GPT ermöglicht es Ärzten, Informationen schnell zu beschaffen, was besonders im hektischen Klinikalltag hilfreich ist, wenn keine Zeit bleibt, in Büchern oder auf Websites nachzuschlagen.
- Dokumentation: Statt selbst langwierig Arztbriefe zu schreiben, kann der Arzt eine Vorlage erstellen lassen, die er nur noch überprüfen und anpassen muss.
Praxisnahes Beispiel
Wenn Du Dich auf eine seltene Krankheit wie das Erdheim-Chester-Syndrom vorbereiten möchtest, kannst Du Chat GPT konsultieren, um schnell eine Übersicht über Symptome, Diagnosekriterien und aktuelle Therapiemethoden zu erhalten. Zudem kannst Du mithilfe der KI einen ersten Entwurf für den Arztbrief formulieren, der später individuell angepasst wird.
Risiken und Probleme bei der Verwendung von ChatGPT
- Fehlende Quellenangaben: Die KI zeigt keine primären Studien oder Nachweise, sodass Ärzte die Informationen validieren müssen.
- Falsche Informationen: Die Antworten der KI sind nur so gut wie die Daten, auf denen sie basiert. Ohne kritisches Hinterfragen könnten falsche oder veraltete Infos verwendet werden.
Perplexity AI
Perplexity AI ist eine KI-basierte Suchmaschine, die im Jahr 2022 erstmals zum Einsatz kam. Diese Technologie zielt – ähnlich wie Chat GPT – darauf ab, Antworten auf Anfragen aus allen Themenbereichen zu liefern, wobei alle online verfügbaren Webartikel als Informationsquelle dienen und in Echtzeit durchsucht werden. Perplexity AI fasst den Nutzern die benötigten Informationen verständlich zusammen und liefert gleichzeitig auch die verwendeten Quellen. Ärzte können dieses Tool daher nicht nur zur reinen Informationsgewinnung nutzen, sondern die bereitgestellten Informationen leichter auf Richtigkeit prüfen und durch die Quellenangaben auch im Rahmen der Erstellung von Publikationen und wissenschaftlichen Texten verwenden.
KI-Vorteile
- Nutzerfreundlichkeit und Verlässlichkeit: Perplexity AI ist benutzerfreundlich, fasst medizinische Inhalte sinnvoll und verständlich zusammen und kann auch im Rahmen der akademischen Forschung genutzt werden. Dank Quellenangaben können Ärzte die Informationen sofort nachprüfen.
- Akademischer Nutzen: Besonders hilfreich bei der Vorbereitung wissenschaftlicher Vorträge oder Publikationen.
Praxisnahes Beispiel
Als Onkologe, der über neue Therapieoptionen bei triple-negativem Brustkrebs informiert sein möchte, verwendest Du Perplexity AI. Die KI liefert Dir eine Zusammenfassung neuer Studienergebnisse und gibt gleichzeitig Links zu den entsprechenden Publikationen an, die Du direkt einsehen kann.
Risiken und Probleme bei der Verwendung von Perplexity AI
- Falschinterpretation von Quellen: Die KI ist zwar in der Lage, Texte und Artikel für den Nutzer zusammen zu fassen. Es besteht hierbei jedoch die Gefahr, dass Inhalte falsch dargestellt werden, insbesondere wenn diese Inhalte aus mehreren Quellen stammen. Wenn die KI Inhalte aus verschiedenen Artikeln kombiniert, können Nuancen verloren gehen oder fehlerhafte Schlussfolgerungen entstehen. Eine sorgfältige Prüfung ist daher unabdingbar.
SciSpace
SciSpace – auch bekannt als Typeset – erleichtert den Zugang zu Forschungsarbeiten. Medizinstudenten, Doktoranden und Ärzte greifen auf diese Technologie für wissenschaftliche Recherchen und zur Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten zurück. Die Entwickler haben die KI mit einer Datenbank von über 200 Millionen Dokumenten ausgestattet, die hauptsächlich wissenschaftliche Publikationen umfasst. SciSpace ergänzt die bereitgestellten Informationen mit Links und Hinweisen zu den zugrundeliegenden Quellen. Darüber hinaus bietet das Tool die Möglichkeit, eigene wissenschaftliche Arbeiten hochzuladen, sie mit bestehenden Texten zu vergleichen und entsprechende Markierungen vorzunehmen.
KI-Vorteile
- Effiziente Recherche: SciSpace ist insbesondere für Personen geeignet, die im wissenschaftlichen Kontext arbeiten und das Tool beispielsweise für die Literaturrecherche nutzen möchten. SciSpace durchsucht große Datenbanken gezielt nach relevanten Artikeln.
- Vergleichsmöglichkeit: Hochgeladene Texte können gegen bestehende Literatur abgeglichen werden.
Praxisnahes Beispiel
Als Ärztin schreibst Du an Deiner Promotionsarbeit zu neuen Ansätzen in der Immuntherapie bei Melanomen. SciSpace hilft Dir, relevante Artikel zu finden und in einen strukturierten Zusammenhang zu bringen. Dabei entdeckst Du einen Artikel, der neue Perspektiven bietet, und kannst ihn direkt mit Deiner eigenen Arbeit verknüpfen.
Risiken und Probleme bei der Verwendung von SciSpace
- Kosten: Neben den erwähnten Nachteilen der zuvor erwähnten KIs, bestehen Nachteile in der Verwendung von SciSpace darin, dass hier nur die Basisversion kostenfrei ist und man sich vor der ersten Benutzung zudem erst in die eher komplexe Benutzeroberfläche dieses Tools einarbeiten muss.
- Komplexität: Neue Nutzer könnten Schwierigkeiten mit der Einarbeitung haben, was den Nutzen zunächst einschränkt.
Glass Health
Glass Health richtet sich – im Gegensatz zu den zuvor vorgestellten KIs – speziell an Ärzte und medizinisches Fachpersonal. Das Tool unterstützt sie dabei, medizinisches Fachwissen zu gewinnen und zu organisieren, Diagnosen zu stellen und Behandlungspläne zu erstellen. Ärzte geben Patientendaten und Informationen zum Krankheitsverlauf ein. Die KI analysiert diese Angaben und stellt eine Liste möglicher (Differential-)Diagnosen sowie geeigneter Behandlungsansätze bereit.
KI-Vorteile
- Schnelligkeit: Ein großer Vorteil dieser KI liegt in der Entscheidungsfindung bei komplexen Fällen durch schnelle Bereitstellung der gewünschten Informationen sowie in der Unterstützung bei der Entscheidungsfindung des passenden Behandlungsansatzes.
- Qualitätssicherung: Hilft Ärzten, alle möglichen Diagnosen zu bedenken.
Praxisnahes Beispiel
Als Allgemeinmediziner hast Du einen Patienten mit unklaren Symptomen, die sowohl auf eine Autoimmunerkrankung als auch auf eine Infektion hinweisen könnten. Mithilfe von Glass Health gibst Du die Symptome ein und erhältst eine Liste möglicher Differentialdiagnosen sowie Vorschläge für diagnostische Tests.
Risiken und Probleme bei der Verwendung von Glass Health
- Abhängigkeit von Dateneingabe: Um zu gewährleisten, dass Glass Health den genausten und bestmöglichen Behandlungsansatz liefert, muss man unbedingt darauf achten, alle vorhandenen Informationen und Daten in der Suchmaske der KI einzugeben. Ungenaue Angaben können zu falschen Diagnosen führen.
- Haftungsfragen: Ärzte bleiben letztlich für die Entscheidungen verantwortlich.
Intonate
Das Schweizer Start-up hinter der Intonate-App ermöglicht es Ärzten, Dokumentationsprozesse zu vereinfachen. Ärzte zeichnen mit Handy oder Laptop Patientengespräche auf und lassen diese von der KI in Verlaufs- oder standardisierte Arztberichte umwandeln. Die App unterstützt Deutsch, Schweizerdeutsch, Englisch, Französisch und Italienisch und kam im Juli 2024 bereits in einigen Arztpraxen in der Schweiz und Deutschland pilotweise zum Einsatz.
KI-Vorteile
- Zeitersparnis: Ärzte können sich durch den Einsatz dieser KI ausschließlich auf die Sprechstunde konzentrieren und sparen wichtige Zeit bei der Dokumentation. Der Dokumentationsprozess wird vollständig automatisiert.
- Mehrsprachigkeit: Besonders hilfreich in multikulturellen Regionen, wo Patienten oft in verschiedenen Sprachen kommunizieren.
Praxisnahes Beispiel
Als Hausarzt nimmst Du ein Patientengespräch über Rückenschmerzen auf. Intonate wandelt die Aufnahme direkt in einen strukturierten Verlaufsbericht um, der später in der elektronischen Patientenakte gespeichert wird. So kannst Du Dich auf den Patienten konzentrieren, ohne parallel mitschreiben zu müssen.
Risiken und Probleme bei der Verwendung von Intonate
- Datenschutz: Die Betreiber dieses Tools weisen die Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem Datenschutz der Patientendaten von sich und verweisen stattdessen auf den behandelnden Arzt, an den sich die betroffenen Patienten beispielsweise wenden müssen, wenn sie mit der Verarbeitung ihrer Daten durch die App nicht einverstanden sind.
- Akzeptanz: Patienten könnten sich durch die Aufnahme unwohl fühlen.
Floy
Floy, eine in Deutschland entwickelte Medizin-KI-Technologie, unterstützt Radiologen, indem sie eine KI-basierte Zweitmeinung für Diagnosen liefert. Mehr als 200 radiologische Praxen setzen Floy zusätzlich zur ärztlichen Diagnosestellung ein. Die KI erkennt Pathologien auf Basis von Tausenden radiologischen Datensätzen. Sie bietet spezialisierte Module wie FloyBrain für neurologische Veränderungen, FloySpine für Wirbelsäulenerkrankungen und FloyMammo für Mammographieanalysen.
KI-Vorteile
- Präzision: Da die KI mit einer Vielzahl an Daten trainiert wurde, ist sie hinsichtlich der Erkennung von Krankheiten und Pathologien sehr verlässlich. Floy verbessert die diagnostische Sicherheit durch die Analyse großer Datenmengen.
- Spezialisierung: Die verschiedenen Module ermöglichen eine zielgerichtete Unterstützung.
Praxisnahes Beispiel
Bei einer CT-Untersuchung entdeckst Du als Radiologe Auffälligkeiten, die auf eine seltene Form der Lungenfibrose hinweisen könnten. Floy analysiert die Bilder, vergleicht sie mit Tausenden anderer Fälle und schlägt vor, die Ergebnisse durch eine spezifische genetische Untersuchung abzusichern.
Risiken und Probleme bei der Verwendung von Floy
- Kosten: Ein Nachteil ergibt sich für die Patienten, da die Kosten für die Nutzung von Floy nicht von der Krankenkasse übernommen werden und vom Patienten selbst entrichtet werden müssen.
- Menschliche Expertise bleibt essenziell: Ärzte müssen auch hier die KI-Ergebnisse immer kritisch hinterfragen.
Fazit: Wertvolles Werkzeug aber kein Arzt-Ersatz
KI in der Medizin bietet wertvolle Werkzeuge, die den Alltag von Ärzten erheblich erleichtern. Sie ermöglicht schnellere Diagnosen, präzisere Behandlungen und eine effizientere Dokumentation. Dennoch birgt der Einsatz von KI Risiken – insbesondere wenn es um Datenschutz oder die Validität der gelieferten Informationen geht. Es bleibt essenziell, dass Ärzte die Technik verantwortungsbewusst nutzen, um von den Vorteilen zu profitieren, ohne die Sicherheit der Patienten zu gefährden. KI wird den Arzt nicht ersetzen, aber sie wird ihn weiterhin in seiner Arbeit unterstützen – als unverzichtbarer Begleiter in einer zunehmend digitalen Gesundheitswelt.