
Ärztinnen und Ärzte werden in der medialen Berichterstattung gerne als Bremser bei der Digitalisierung dargestellt – ein Meinungsbild, das nicht den Tatsachen entspricht. Das zeigt zumindest die Untersuchung „Die Zukunft der Medizin – eine Trendstudie zum Mindset von Fachärzten und Allgemeinmedizinern“. Auftraggeber sind das Deutsche Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie Bayer Vital.
In der Studie wurden Mitte vergangenen Jahres insgesamt 336 Medizinerinnen und Mediziner befragt. Das geschah – dem Studienthema angemessen – online. Etwa ein Drittel der Befragten war hausärztlich tätig, ein weiteres knappes Drittel arbeitete in Kliniken. Durch eine entsprechende Auswahl wurde sichergestellt, dass auch fachärztliche Spezialisierungen gut vertreten waren. So ergab sich insgesamt ein repräsentativer Querschnitt.
Digitale Kommunikation wird hochgeschätzt
Fast 90 Prozent der Befragten gab an, bereits Tools für die digitale Kommunikation zu nutzen. Die häufigste Nennung mit 39 Prozent betraf den Messenger-Dienst WhatsApp. Fast genauso viele (38,5 Prozent) nutzten den Fax-Nachfolger KIM (= Kommunikation im Gesundheitswesen). Ebenfalls viele Nennungen gab es bei der elektronischen Patientenakte ePa (37,5 Prozent). Die Video-Sprechstunde setzte jeder Fünfte ein. Das eRezept lag mit 8,0 Prozent Nutzung weit abgeschlagen. Das dürfte sich mittlerweile geändert haben. Zum Zeitpunkt der Umfrage kämpfte das elektronische Rezept noch mit erheblichen Startschwierigkeiten.
Social Media werden nur zum Teil beruflich eingesetzt
So hoch die Wertschätzung für digitale Kommunikation ist, bei Social Media sind Ärztinnen und Ärzte bislang eher zurückhaltend – zumindest, wenn es um berufliche Zwecke geht. Nur eine knappe Hälfte der Befragten nutzte Social Media im beruflichen Kontext. Am häufigsten setzt man dabei auf LinkedIn (26,5 Prozent) und YouTube (21,1 Prozent). Ebenfalls häufig genutzt werden Facebook, Instagram und XING – mit Nennungen jeweils über 10 Prozent. Weit abgeschlagen ist dagegen der Kurznachrichtendienst X – ehemals Twitter – mit 5,4 Prozent.
Bedeutung von KI ist erkannt
Dass Künstliche Intelligenz (KI) einen Paradigmenwechsel für den Medizinbetrieb bedeutet, wird allgemein bejaht. Dabei erhofft man sich vor allem mehr Effizienz. Mehr als die Hälfte der Befragten (50,9 Prozent) sah den größten Mehrwert von KI in besserer und schnellerer Diagnostik. 26,2 Prozent erwarteten Unterstützung bei der Praxisorganisation. Nur jeder zehnte Teilnehmende versprach sich eine bessere Patientenbetreuung. In der Breite ist KI im Praxisalltag allerdings noch nicht im Einsatz. Fast drei Viertel verneinten die Frage nach einer aktuellen KI-Nutzung.
Unterstützung in Sachen Digitalisierung benötigt
Bei der Einführung von digitalen Lösungen im Praxisbetrieb wird umfassende externe Unterstützung erwartet. Nur etwa jeder zehnte Teilnehmende traut sich das selbst zu. Über 60 Prozent benötigen Hilfe bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur, genauso viele wünschen sich mehr Übersicht bei Funktionen von Software und Apps. Fast die Hälfte der Befragten sah einen Bedarf an IT-Schulungen und -Kursen. Hier fühlen sich Medizinerinnen und Mediziner offensichtlich fachfremd und nicht kompetent.
DiGas selten verordnet, Digitalbremse Bürokratie
Digitale Gesundheitsanwendungen – kurz: DiGas – sind im Praxisalltag noch nicht angekommen. Nur ein gutes Viertel der Teilnehmenden hatte entsprechende Apps bereits verordnet, nur jeder Zwanzigste schon häufiger. Ein Grund für diese Zurückhaltung ist zu viel Bürokratie. Hauptproblemfelder hier: hoher Erklärungsbedarf bei Patienten, organisatorische Hürden im Praxisbetrieb und hoher Aufwand bei der Code-Aktivierung.
Große Offenheit für digitale Transformation
Insgesamt macht die Umfrage deutlich, dass die große Mehrzahl der Ärztinnen und Ärzte bereit ist, die digitale Transformation aktiv mitzugestalten. Dabei zeigt man sich auch offen, sich selbst entsprechend weiterzubilden. Favorisiert werden schnelle und unkomplizierte Formate wie Tweetorials und Microlearnings. Sie ermöglichen digitale Weiterbildung quasi nebenher, während der Praxisbetrieb weiterläuft.