
Das klinische Hauptfach Augenheilkunde ist ein Fachgebiet der Medizin, das sich mit dem Aufbau, der Funktion und den Erkrankungen des Auges sowie seiner Anhangsorgane befasst. Dieses traditionsreiche Fach spielt im Medizinstudium zwar eher eine untergeordnete Rolle. Doch ein fundiertes Verständnis von Anatomie, Physiologie und Pathologie des Sehorgans ist nicht nur für die Diagnostik und Therapie von Augenerkrankungen wichtig. Trotz ihres vergleichsweise kleinen Umfangs stellt die Augenheilkunde hohe Anforderungen an das Verständnis komplexer Zusammenhänge und erweist sich als unerlässlich für die ärztliche Tätigkeit, auch als “Nicht-Augenarzt”.
Inhaltsverzeichnis
Augenheilkunde – Was ist das?
Die Augenheilkunde, auch Ophthalmologie genannt, gehört zu den Hauptfächern im Medizinstudium. Sie ist eine der ältesten medizinischen Teildisziplinen und befasst sich mit der Lehre von Bau, Funktion, Erkrankungen und Funktionsstörungen des Sehorgans, seiner Anhangsorgane sowie des Sehsinns. Für die Zulassung zum Hammerexamen ist das Bestehen des entsprechenden Scheins in diesem Fach zwingend erforderlich.
Nice to know
Die Katarakt-Operation, bei der der Graue Star behandelt wird, gilt als häufigster chirurgischer Eingriff weltweit. Sie ist zugleich eine der kostenträchtigsten Operationen in der gesamten Medizin.
Augenheilkunde – Die wichtigsten Inhalte
Es ist kaum vorstellbar, dass so viel Medizin auf ein so winziges Körperareal wie das Auge passt. Doch die Augenheilkunde umfasst nicht nur die Behandlung des Auges selbst, sondern auch die Untersuchung und Therapie von Erkrankungen der umliegenden Strukturen. Zudem spielen Strukturen des ZNS und ihre Bedeutung für die Funktion des Sehorgans eine wichtige Rolle:
- Augenlider (Palpebrae)
- Tränenorgane
- Bindehaut (Konjunktiva)
- Hornhaut (Kornea)
- Lederhaut (Sklera)
- Linse
- Gefäßhaut (Tunica vasculosa bulbi)
- Pupille
- Glaukom
- Glaskörper (Corpus vitreum)
- Sehnerv
- Sehbahn
- Augenhöhle (Orbita)
- Optik und Refraktionsfehler
- Bulbusmotilität und Schielen
- Unfallophthalmologie
- Sehbehinderung
M2 Relevanz
Das IMPP stellt im Hammerexamen wenige Fragen zur Opthalmologie. Bei den insgesamt 320 Fragen kann man ungefähr mit 1,5 Prozent bis maximal 5 Prozent (in einzelnen Ausnahmeexamen) der Fragen in Ophthalmologie rechnen.
Lernaufwand und Umfang
Die Augenheilkunde ist im Klinikabschnitt des Medizinstudiums zwar ein kleineres Fach, dennoch sollte der Lernaufwand nicht unterschätzt werden. Besonders die zahlreichen Schichten des Auges können verwirrend sein, da jede einzelne, aber auch mehrere gleichzeitig, von Erkrankungen betroffen sein können.
Das sagen unsere Medizinstudenten
Robin: "Ich habe schon nach den ersten beiden Vorlesungen gemerkt, dass die Augenheilkunde mich eher weniger begeistert. Prinzipiell werde ich sofort hellhörig, wenn es um spannende OPs geht. Auf diesem kleinen Raum aber so viele verschiedene Krankheiten und OP-Verfahren zu unterscheiden - das ist nichts für mich. Zum Glück war der Lernumfang echt gering. Am besten hat es mir geholfen, nochmal die Anatomie und Physiologie von Auge und Co zu rekapitulieren. So ließen sich viele der Erkrankungen und Symptome gut herleiten."
Lilli: "Eigentlich wusste ich schon vor dem Fach Augenheilkunde dass ich keine Augenärztin werde. Anderen im Auge "rumstochern" ist dann doch nichts für mich. Um einen guten Überblick über das Organ und seine Beschwerden zu bekommen, war das Fach dann aber doch ganz cool, vor allem, weil die Krankheiten so thematisch eingegrenzt sind und sich systematisch lernen lassen. Damit konnte man ohne großen Lernaufwand eine gute Note abstauben – Augenärztin werde ich aber trotzdem nicht."
Nico: "Die Augenheilkunde hat mir gut gefallen. Besonders interessant fand ich dabei die Hornhautchirurgie (insbesondere die Hornhauttransplantation) sowie den Einsatz von Lasern bei Sehschwächen. An unserer Uni befindet sich eine der renommiertesten Augenkliniken in Deutschland, deshalb konnte uns hier im Rahmen eines einwöchigen Augenblocks alles im Detail (wie z.B. die ganzen Untersuchungsgeräte) gezeigt werden. Den Lernaufwand schätze ich eher als gering ein, weil es doch ein recht kleines Fach ist und ich den Eindruck hatte, dass sich in der Praxis immer wieder dieselben Krankheitsbilder zeigen."
Relevanz der Augenheilkunde für die ärztliche Tätigkeit
Die Augenheilkunde ist ein Fachgebiet, das besonders für jene geeignet ist, die Freude am operativen Arbeiten und eine Faszination für kleine, feine Strukturen mitbringen. Augenärzte genießen in der Regel eine gewisse „Ruhe“ in ihrem Fach, da Kollegen anderer Disziplinen meist vorsichtig sind, sich an das Auge heranzuwagen – immerhin steht einer der wichtigsten Sinne des Menschen auf dem Spiel.
Auch für Ärztinnen und Ärzte, die nicht als Augenarzt tätig werden möchten, ist das Wissen aus der Augenheilkunde essenziell: Warnsignale wie Symptome, die einem irreversiblen Sehverlust (z. B. durch eine Netzhautablösung) vorausgehen können, müssen rechtzeitig erkannt werden. Zudem bestehen enge Verbindungen zu anderen Fachgebieten wie HNO, Dermatologie und Neurologie. Häufig ist das Auge auch bei Allgemeinerkrankungen mitbeteiligt, weshalb ophthalmologische Untersuchungen in den Facharztrichtungen Inneren Medizin und Neurologie oft eine unterstützende Rolle bei der Diagnosestellung spielen (z. B. Diabetische Retinopathie).
Wenn Dir dieses Fach viel Spaß bereitet hat, ist vielleicht später die Tätigkeit als Facharzt für Augenheilkunde ideal für Dich. Mehr zur Facharztrichtung und der passenden Weiterbildung hier:
Lerntipps für Augenheilkunde
Ein fundiertes Wissen über die Anatomie des Auges und der Sehbahn ist essenziell, da es das Verständnis für Erkrankungen und die Zuordnung von Symptomen erheblich erleichtert. Ebenso wichtig ist es, sich die physikalischen Grundlagen des Sehens ins Gedächtnis zu rufen. Diese helfen nicht nur, die Auswahl einer passenden Brille logisch nachzuvollziehen, sondern auch die Funktionsweise ophthalmologischer Untersuchungstechniken besser zu verstehen.
Abschließend sind hier einige wichtige Leitsymptome der Augenheilkunde dargestellt, damit Du für den nächsten Patientenunterricht gerüstet bist:
Leitsymptom | Mögliche Verdachtsdiagnosen |
Augenbrennen | Blepharitis, Demodex folliculorum, Keratoconjunctivitis sicca, Sjögren-Syndrom, Konjunktivitis, Keratoconjunctivitis epidemica, Episkleritis, Pinguecula, irritiertes Pterygium, obere Limbuskeratitis |
Augentränen | Kongenitales Glaukom, Fremdkörper (subtarsal / korneal), Erosio cornea, Tränengangsverschluss |
Augentränen (schmerzlos) | Ektropium, Sicca-Syndrom, Tränengangsverschluss, Tränenpünktchenobstruktion |
Augentränen (schmerzhaft) | Erosio corneae, subtarsaler Hornhautfremdkörper, Trichiasis, Entropium |
Erhöhtes Blendungsempfinden | Katarakt, Sphinkterlähmung (medikamentös / traumatisch), Albinismus, Irisdefekte, Buphthalmus |
Doppelbilder (binokular) | Augenmuskelparese, Okulomotoriusparese, Orbitabodenfraktur, okuläre Myositis, Orbitaphlegmone, endokrine Orbitopathie (M. Basedow), normosensorisches Spätschielen, Pterygium |
Doppelbilder (monokular) | Katarakt, Linsenluxation, Linsensubluxation, Abriss der Iriswurzel, Keratokonus /-globus |
Enophthalmus | Orbitabodenfraktur, Horner-Syndrom, Atrophia bulbi, seniles Höhlenauge |
Exophthalmus | M. Basedow, retrobulbärer Tumor, Orbitablutung, hochgradige Myopie, okuläre Myositis, Orbitaphlegmone, Dyskranie |
Hypopon | Akute Endophthalmitis, Ulcus serpens, steriles Hypopyon |
Kopfschmerzen | Glaukomanfall, AION, Riesenzellarteriitis, asthenopische Beschwerden, Stauungspapille |
Lichtblitze | hintere Glaskörperabhebung, Netzhautablösung, Netzhautloch, Retinitis |
Lidschwellung (entzündlich) | Herpes-simplex-Virus-Infektion, Hordeolum, Insektenstich, Konjunktivitis, Lidabszess, Orbitaphlegmone, Zoster opthalmicus |
Lidschwellung (nicht entzündlich) | Chalazion, Cutis laxa senilis, Blepharochalasis, Lidtumor, Tränendrüsentumor, internistische Ursache, orbitale Fetthernie, Orbitabodenfraktur |
Pseudoptosis | Cutis laxa senilis, Blepharochalasis, Orbitabodenfraktur, Phthisis bulbi, Lidtumor |
Ptosis | Dehiszenz / Dehnung M. levator palpebrae, kongenitale Ptosis, chronisch progressive externe Ophthalmoplegie, Erosio corneae, Fremdkörper (korneal / subtarsal), NW von Medikamenten, Horner-Syndrom, Myasthenia gravis, Okulomotoriusparese |
Miosis | medikamentös, toxisch |
Miosis, Ptosis, Enophtalmus | Horner-Syndrom, Reizmiosis |
Mydriasis | medikamentös, Läsion Nervus / Tractus opticus, plötzliche Erblindung |
Ringe um Lichtquellen | Katarakt, erhöhter Augeninnendruck |
Rotes Auge | Konjunktivitis, Skleritis, Episkleritis, Glaukomanfall, Hyposphagma, |
Schwarze Punkte | Glaskörpertrübung, hintere Glaskörperabhebung, hintere Uveitis |
Sehverschlechterung (transient) | Amaurosis fugax, Kreislaufkollaps, Migräne, Hypoglykämie |
Sehverschlechterung (plötzlich, schmerzlos) | AION, Glaskörperblutung, Netzhautblösung, Retrobulbärneuritis, Venenastverschluss, hemisphärischer Verschluss, Zentralvenenverschluss, Zentralarterienverschluss |
Sehverschlechterung (langsam zunehmend, schmerzlos) | Katarakt, chron. Hornhautdegeneration, Keratopathie, AMD, primär chron. Offenwinkelglaukom, Myopie, Hyperopie, Raumforderung (N. opticus / Sehbahn), Netzhautdystrophie |
Sehverschlechterung (schmerzhaft, akut) | akuter Keratokonus, Glaukomanfall, Retrobulbärneuritis, Uveitis |
Verzerrtsehen, Unscharfsehen | Refraktionsanomalie, AMD, Chorioretinopathia centralis serosa, Migräne, Katarakt, Z. n. Augentropfen, Netzhautablösung, zerebraler Tumor, erhöhter Hirndruck |
Weißer Pupillenreflex (Leukokorie) | Katarakt, M. Coats, Netzhautablösung, PHPV, Retinoblastom |
Quelle: Lang G., Lang S., Augenheilkunde (Thieme, 7. Auflage, 2024)