Psychische Erkrankungen spielen in der modernen Arbeitswelt eine immer bedeutendere Rolle. Die Wahrscheinlichkeit am Arbeitsplatz eine/n davon betroffene/n Kollegen/-in zu haben ist hoch, denn jährlich kämpft fast jede/r Dritte mit psychischen Gesundheitsproblemen. Aus Angst vor Stigmatisierung wollen viele nicht, dass Kollegen/-innen oder Arbeitgeber/-innen von ihrer Erkrankung erfahren. Also versuchen sie den Schein so lange wie möglich zu wahren, was nicht dauerhaft gelingt, denn Arbeitsausfälle aufgrund Erkrankungen der Psyche sind sehr häufig. Langfristig kann dies auch Auswirkungen auf das Arbeitsklima haben. Es ist nicht leicht eine/n Kollegen/-in direkt anzusprechen, wenn man vermutet, dass derjenige/diejenige psychisch krank ist, aber es kann hilfreich sein und Veränderungen anstoßen.
Wie häufig kommen psychische Erkrankungen eigentlich in der Bevölkerung vor? Was können mögliche Anzeichen einer psychischen Erkrankung sein und wie spricht man eine/n Kollegen/-in an, wenn man vermutet, dass er/sie davon betroffen ist?
Antworten auf diese Fragen sowie hilfreiche Tipps zur Gesprächsführung liefert der folgende Artikel.
Psychische Krankheiten
In Deutschland sind etwa 18 Millionen Menschen von einer psychischen Krankheit betroffen. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählen Depressionen, Angststörungen und die Abhängigkeit von Substanzen wie Alkohol oder Drogen. Betroffene können im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung beispielsweise unter Stimmungsschwankungen, Ängsten und Zwängen oder einer veränderten Wahrnehmung mit Wahnstörungen leiden. Der private als auch berufliche Alltag von psychisch kranken Menschen ist daher häufig mit starken Einschränkungen verbunden. Viele der Krankheitsbilder sind eigentlich nur mit professioneller Hilfe in den Griff zu kriegen, einige Betroffene versuchen es initial jedoch oft mit einer „Eigentherapie“, was eine Verschlimmerung der Beschwerden zur Folge haben kann. Die Zahl der Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen steigt stetig. Am Arbeitsplatz fällt es jedoch oft erst sehr spät auf, dass ein/e Kollege/-in an einer psychischen Krankheit leidet, denn die meisten Betroffenen gehen aus Angst vor einer möglichen beruflichen Benachteiligung trotzdem arbeiten.
Warnsignale
Viele Menschen nehmen eine klare Trennung zwischen Berufsleben und Privatleben vor. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass private Probleme und Belastungen, oder eben auch psychische Krankheiten, am Arbeitsplatz nicht mit den Kollegen/-innen besprochen werden. Änderungen im gewohnten Verhalten einer Person können Hinweise auf eine psychische Krankheit geben.
Wenn die nachfolgenden Verhaltensweisen oder Beschwerden bei einem/einer Kollegen/-in beobachtet werden, könnte eine psychische Krankheit ursächlich sein.
- Sozialer Rückzug
- Psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Bauchschmerzen
- Zunehmende Müdigkeit
- Abnehmende Konzentration und/oder Motivation
- Abnehmende Arbeitsleistung und/oder abnehmende Belastbarkeit
- Traurigkeit, Gereiztheit
- Regelmäßiger Substanzkonsum
Das erste Ansprechen
Wenn sich ein/e Kollege/-in auf der Arbeit anders verhält als sonst, nicht mehr an Gesprächen teilnimmt und sich immer mehr zurückzieht, sollte man darüber nachdenken, diese/n Kollegen/-in anzusprechen. Die Ansprache sollte hierbei unbedingt in einem geeigneten Rahmen erfolgen, um die Privatsphäre desjenigen/derjenigen zu schützen. Niemand gibt gerne zu, dass gerade nicht alles rund läuft und die Ursache hierfür eine psychische Krankheit ist. Viele Betroffene thematisieren ihre psychische Krankheit aufgrund der Angst vor einer möglichen Verurteilung durch ihr Umfeld nicht. Man sollte daher immer damit rechnen, dass man auf Ablehnung stößt und der/die Kollege/-in nicht sprechen will. Deshalb ist es umso wichtiger, die persönlichen Grenzen seines/seiner Gegenüber zu akzeptieren und sich daher auch nicht aufzudrängen. Betroffene, die ein Gespräch zunächst ablehnen, kommen gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt auf das Angebot erneut zurück.
Tipps für eine gute Gesprächsführung
Grundsätzlich sollte es nicht darum gehen, die Aufgabe eines/einer „Hobby-Psychologen/-in“ zu übernehmen. Viele Menschen sind bereits dankbar, wenn ihre Kollegen/-innen auf empathische Art und Weise Interesse an ihrer persönlichen Situation zeigen und Verständnis für ihre psychische Krankheit haben.
Die folgenden Tipps und Maßnahmen können die Gesprächsführung mit einem/einer Kollegen/-in erleichtern:
- Geeigneten Ort und Zeitpunkt wählen
- Gespräch nur unter vier Augen führen
- Auf wert- und kritikfreie Kommunikation achten
- Eigene Beobachtungen sachlich schildern
- Erfragen, ob der/die Betroffene bereits Hilfe in Anspruch nimmt
- Persönliche Hilfe nur im Rahmen der eigenen Möglichkeiten anbieten
- Keine Lösungsvorschläge unterbreiten, die über die eigenen Kenntnisse hinaus gehen.
Was tun, wenn die psychische Krankheit das Arbeitsklima beeinflusst?
Ein gut funktionierendes Team kann eine reduzierte Arbeitsbelastung eines/r psychisch erkrankten Kollegen/-in oder den vorübergehenden Ausfall desselben/derselben kompensieren. Die Krankheit des/der Kollegen/-in kann jedoch auch dauerhaft zu Spannungen am Arbeitsplatz führen. Wenn Fehlzeiten des/der Betroffenen beispielsweise dazu führen, dass andere Mitarbeiter/-innen regelmäßig einspringen und Aufgabenbereiche oder sogar ganze Schichten langfristig übernehmen müssen, kann dies zu Unmut im Kollegium führen. Möglicherweise stoßen die Mitarbeiter/-innen durch die aufkommende Mehrarbeit irgendwann selbst an ihre Belastungsgrenze. Da solche Veränderungen in der Regel auch nicht vor Arbeitgebern/-innen verborgen bleiben, können geeignete Anpassungen am Arbeitsplatz häufig eine Besserung der Situation herbeiführen.
Wann wird professionelle Hilfe unumgänglich?
Wenn der/die erkrankte Kollege/-in im Zusammenhang mit seiner/ihrer Erkrankung im Gespräch zum Beispiel von einer schweren Substanzabhängigkeit berichtet oder Substanzkonsum am Arbeitsplatz auffällt, kann dies bei Mitarbeitern/-innen zu einer Überforderung führen. Wenn der/die betroffene Kollege/-in berichtet, allein nicht mehr klarzukommen oder plötzlich von Suizidgedanken die Rede ist, sollte man hellhörig werden. In diesen Fällen sollte unbedingt auf professionelle Hilfsangebote verwiesen werden.
Fazit
Wie ein/e Kollege/-in reagiert, wenn man ihn/sie auf seine/ihre psychischen Probleme anspricht, kann man im Vorfeld natürlich nicht wissen. Hat man sich jedoch entschlossen, den ersten Schritt zu wagen und auf den/die Betroffene/n zuzugehen, ergeben sich die weiteren Schritte meist von ganz allein.
Wer gut vorbereitet in ein solches Gespräch geht, kann eigentlich nicht viel falsch machen. Wenn man jedoch das Gefühl hat, dass während des Gesprächs eigene Grenzen und Fähigkeiten überschritten werden, sollte man rechtzeitig auf professionelle Hilfe verweisen. Nur so können sinnvolle Problemlösungen für den/die Erkrankte/n gefunden werden.