
Praxisinhaber/innen sind als Ärztin bzw. Arzt gefordert und müssen auch Manager/in sein. Jede Arztpraxis ist zugleich Unternehmen. Häufig wird die betriebswirtschaftliche Seite der Praxistätigkeit als lästig empfunden. Dabei sollte sie nicht vernachlässigt werden – insbesondere, wenn die Praxis wachsen soll. Praxisexpansion ist eine anspruchsvolle Aufgabe, weil bestehende Strukturen und Abläufe angepasst werden müssen. „Last but not least“ ändern sich die Anforderungen an die Praxisinhaber/innen selbst. Führung und Organisationstalent sind gefragt. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Praxisleitung im Spannungsfeld von Arzttätigkeit und Management
Arzt/Ärztin sein und als Manager/in fungieren – das sind zwei unterschiedliche Tätigkeiten, die man als Praxisinhaber/in unter einen Hut bringen muss. Beide Tätigkeitsfelder erfordern unterschiedliche Kenntnisse und Fertigkeiten. Die größte Herausforderung besteht darin, beiden Aufgaben gerecht zu werden. Denn die eigene Arbeitszeit lässt sich nicht unbegrenzt ausdehnen. Und schließlich soll auch die Work-Life-Balance stimmen.
Wenn die Praxis wächst, fallen einerseits mehr Behandlungen an, andererseits nehmen die Management-Aufgaben zu. Das lässt sich auf Dauer nur bewältigen, wenn Aufgaben delegiert werden. Nach dem Motto „Führen, statt selbst machen“. Mehr dazu im Abschnitt „Wie gelingt die Anpassung an veränderte Praxisgrößen?“.
Praxisexpansion: Betriebswirtschaftliche Überlegungen zum Praxiswachstum
Mehr Patienten/-innen, mehr Behandlungen, mehr Umsatz – das bedeutet noch nicht automatisch mehr Gewinn. Denn mit der Expansion steigen in der Regel auch die Kosten. Nur wenn die zusätzlichen Einnahmen die zusätzlichen Kosten mindestens aufwiegen, ist zusätzlicher Gewinn möglich.
In gewissen Grenzen lassen sich Umsätze zwar auch ohne Mehrkosten steigern. Zum Beispiel bei einem höheren Anteil an Privatpatienten/-innen oder wenn die Kapazitäten noch nicht voll ausgeschöpft sind. Das ist aber noch keine Expansion im eigentlichen Sinn. Sie findet erst statt, wenn Behandlungskapazitäten und -möglichkeiten nachhaltig erweitert werden. Dazu bedarf es erst einer Reihe kostenwirksamer Maßnahmen.
Größere Räumlichkeiten mit entsprechender Ausstattung sind erforderlich oder zusätzliche Standorte. Weitere Behandlungsgeräte müssen angeschafft werden. Es wird mehr Personal benötigt. Neben Einmalinvestitionen wie Geräteanschaffung oder zusätzlicher Ausstattung erhöhen sich auch die laufenden Betriebskosten – u.a. Miete für Praxisräume, Personalkosten, Nebenkosten (Heizung, Strom, Wasser, Reinigung usw.), Versicherungskosten. Investitionen müssen sich rechnen – d.h. im Zeitablauf amortisieren – und Mehrumsätze müssen die Mehrkosten mindestens abdecken: das sind die betriebswirtschaftlichen Grundanforderungen an eine Praxisexpansion.
Praxisexpansion: Organisches Wachstum oder externes Wachstum
Expansion kann grundsätzlich durch organisches Wachstum oder durch externes Wachstum erfolgen:
- organisches Wachstum bedeutet Wachstum aus eigener Kraft – durch Ausweitung des Patientenstamms und/oder mehr Behandlungen.
- externes Wachstum findet statt, wenn mehrere Praxisinhaber/innen ihre Praxisbetriebe zu einem größeren Ganzen zusammenlegen. Es gibt unterschiedliche Formen der Kooperation. Sie reichen von der einfachen Praxisgemeinschaft – nur Personal, Praxisräume und Ausstattung werden geteilt, jede/r Arzt/Ärztin ist weiterhin eigenständig tätig – bis zur Berufsausübungsgemeinschaft (in der Regel als GbR oder Partnerschaftsgesellschaft). Bei der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) findet die Patientenbehandlung gemeinschaftlich statt. Die BAG steht für den Außenauftritt und führt die Abrechnungen durch.
Mit der BAG-Zusammenarbeit ergeben sich spezifische Anforderungen an Aufgabenteilung und Aufgabenschwerpunkte, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Anpassung an organisches Praxiswachstum.
Wie gelingt die Anpassung an veränderte Praxisgrößen?
Praxisexpansion ist zwangsläufig mit mehr Aufgaben im Praxismanagement und bei Personalführung verbunden. Gleichzeitig bedeuten mehr Patienten/-innen mehr Behandlungen. Praxisinhaber/innen müssen einen Spagat leisten, der manchen zu zerreißen droht.
Wird die Management-Aufgabe vernachlässigt, droht der Praxisbetrieb aus dem „Ruder zu laufen“. Kümmert man sich nur noch ums Management, steht das oft im Gegensatz zur eigenen ärztlichen Berufung und die Berufszufriedenheit leidet.
Lösen lässt sich dieser Konflikt durch Delegation – die Übertragung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung auf andere. In der Regel geht es vor allem um eine Entlastung von administrativen Aufgaben, in begrenztem Umfang können auch Leitungsaufgaben delegiert werden.
Praxisexpansion: Die Organisation muss mitwachsen
Praxisexpansion stellt neue Anforderungen an die Praxisorganisation. Sie muss mitwachsen. Wenn die Arbeit mehr wird und bisher vom Arzt bzw. von der Ärztin wahrgenommene Aufgaben auf mehr Schultern verteilt werden sollen, dann ist oft zusätzliches Personal erforderlich. Ab einer Leitungsspanne von zehn Mitarbeitern/-innen kann es sinnvoll sein, eine weitere Leitungsebene einzuziehen, um sich auch beim Management zu entlasten. Einige Leitungsaufgaben können zum Beispiel von einer Praxismanagerin oder einem/r angestellten Arzt/Ärztin übernommen werden (siehe nächster Abschnitt).
Wie funktioniert Delegation?
Delegation setzt geeignete organisatorische Strukturen, eine klare Aufgabenzuweisung und eindeutige Verantwortlichkeiten voraus. Dazu bedarf es vorab einer eingehenden Analyse aller anfallenden Praxis-Aufgaben im Hinblick auf Aufgabeninhalte, Kapazitätsbedarf und mögliche Aufteilungen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Aufgaben an andere zu delegieren. Hier sind drei Beispiele:
– Beispiel Praxismanagement: in den letzten Jahren hat sich das Berufsbild der Praxismanagerin entwickelt. In Stellenanzeigen wird auch oft von leitender Arzthelferin/MFA oder Erstkraft gesprochen. Die Qualifikation wird meist durch eine entsprechende Weiterbildung erworben. Eine Praxismanagerin übernimmt Aufgaben in der Praxisorganisation, Praxisadministration, Praxisteamführung und bei der Patientenbetreuung. Das kann eine nachhaltige Entlastung bedeuten.
– Beispiel Auslagerung: einige Aufgaben lassen sich an externe Dienstleister auslagern. Beispiele: externe Anbieter für Lohn- und Gehaltsabrechnung, Abrechnungs- und Verrechnungsstellen, Cloud-Dienstleiser, Fernwartungs- und IT-Anbieter. Die Digitalisierung hat die Spielräume für Outsourcing erweitert. Die Auslagerung ermöglicht in der Regel flexible Kapazitätsanpassungen und kann eine Alternative zur Verstärkung des eigenen Personals sein.
– Beispiel Arztanstellung: bei der (Vollzeit-)Anstellung eines/r zusätzlichen Arztes/Ärztin werden die Behandlungskapazitäten sprunghaft erweitert. Das bedeutet allerdings auch eine sprunghafte Steigerung der Fixkosten. Erst bei nachhaltig mehr Behandlungsbedarf rechnet sich diese Investition. Bis es so weit ist, muss man als Praxisinhaber/in und Arzt/Ärztin zunächst selbst mehr leisten – umso wichtiger: administrative Entlastung. Eine andere Lösung kann zunächst die Teilzeit-Beschäftigung eines/r weiteren Arztes/Ärztin sein.
Führungskunst und Führungskultur
Führung ist mehr als Anweisungen erteilen. Um Verantwortung abzugeben, braucht es einen kooperativen Führungsstil, der neben sachlichen Gesichtspunkten auch emotionale und soziale Aspekte berücksichtigt. An die Stelle eines Über-Unterordnungs-Verhältnisses tritt zunehmend partnerschaftliche Zusammenarbeit. Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil der Führungskultur. Dazu zählen regelmäßige Mitarbeitergespräche. Sie sind ein effektives Führungsinstrument und leisten einen wesentlichen Beitrag, dass Führung gelingt.
Fazit
Führung ist eine Kunst, die man lernen kann. Wer als Arzt/Ärztin bereit ist, sich der Herausforderung zu stellen und auch „abgeben“ kann, dem wird die Praxisexpansion gelingen, ohne dass dieser Prozess zur persönlichen Belastung wird.