
Unter dem Personalmangel im Gesundheitswesen leiden Kranken- und Altenpflegekräfte wie auch Ärzte/-innen. Dass die Personalnot das Risiko für Erkrankungen steigert, belegt nun eine großangelegte Studie im Auftrag der DAK-Gesundheit, durchgeführt durch das Forsa-Institut. Bereits im Jahr 2019 hatten die Delegierten auf dem 122. Ärztetag in Münster vor den Folgen des Personalmangels und der damit einhergehenden Überlastung gewarnt.
Großangelegte Studie zu den gesundheitlichen Folgen des Personalmangels
Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat das Forsa-Institut die Daten von rund 2,4 Millionen DAK-Versicherten ausgewertet und 7.000 Erwerbstätige zu ihren Erfahrungen mit Personalnot befragt. Der Report „Gesundheitsrisiko Personalmangel – Arbeitswelt unter Druck“ fasst die Ergebnisse zusammen. Demnach bestehen zwischen Personalnot und Krankenstand größere Zusammenhänge, als bislang vermutet.
Durchschnittlich 45 Prozent der Befragten geben an, dass es an ihrem Arbeitsplatz an Personal mangelt. Für die Beschäftigten bedeutet dies einen höheren Leistungsdruck, mehr Überstunden und weniger Zeit für Pausen. Je größer die Personalnot im Betrieb, umso stärker fühlen sich die Beschäftigten dazu verpflichtet, auch erkrankt am Arbeitsplatz zu erscheinen. 70 Prozent der Befragten in Betrieben mit Personalnot berichten, in den letzten zwölf Monaten trotz Erkrankung gearbeitet zu haben. In den Betrieben ohne Personalnot sagen dies nur 41 Prozent der Mitarbeitenden.
Besonders vom Personalnotstand betroffen sind die Kranken- und Altenpflege. So berichten 74 Prozent der Krankenpflegekräfte, ihre Arbeit nur unter großer Anstrengung schaffen zu können. Unter den Altenpflegekräften stimmen 65 Prozent dieser Aussage zu. Ärzte/-innen wurden in der DAK-Studie nicht erfasst. Dass auch in der Ärzteschaft Personalnot herrscht, zeigen allerdings mehrere andere Auswertungen, unter anderem der Gesundheitsreport 2022 des Finanzdienstleisters MLP. Die Umfrage unter mehr als 400 Ärzten und rund 1.100 Bürgern hat ergeben, dass rund jede/r dritte Bürger/in Engpässe in der medizinischen Versorgung wahrnimmt, in Ostdeutschland sogar jede/r Zweite. Unter den Ärzten/-innen registrieren 52 Prozent den Mangel an Personal.
Personalmangel: Auswirkungen auf die Gesundheit
Ist im Betrieb nicht ausreichend Personal vorhanden, wirkt sich das negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten aus. Laut DAK-Studie kann mehr als die Hälfte der Betroffenen in der Freizeit nicht abschalten und fühlt sich müde und erschöpft (54 Prozent). 35 Prozent berichten von Schlafstörungen, 23 Prozent leiden unter Kopf- und Rückenschmerzen. In Folge weisen die Berufsgruppen mit den größten Fachkräftelücken einen um 1,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt liegenden Krankenstand auf. Der höchste Krankenstand besteht unter den Beschäftigten in der Altenpflege.
Dass die Personalnot im Gesundheitswesen auch die Gesundheit von Ärzten/-innen belastet, haben bereits die Delegierten auf dem 122. Deutschen Ärztetag im Jahr 2019 angemahnt. Eine ebenfalls 2019 vom Marburger Bund durchgeführte Befragung zeigt, dass drei Viertel der Krankenhausärzte/-innen über berufliche Überlastung klagen. 69 Prozent der Befragten stehen mehrfach am Tag oder ständig unter Zeitdruck. 30 Prozent kritisieren schlecht organisierte Arbeitsabläufe im Krankenhaus. Einer weiteren Befragung zufolge erwägt ein Fünftel der Krankenhausärzte/-innen, ihre Tätigkeit aufzugeben. Eine Umfrage des Hartmannbundes unter jungen Ärzten/-innen im Krankenhaus bestätigt diese Ergebnisse. Weiterhin lässt die Erhebung darauf schließen, dass sich viele junge Krankenhausärzte/-innen nur wenig um ihre eigene Gesundheit kümmern. So geben etwa rund 50 Prozent der Befragten an, häufig bis sehr häufig krank zur Arbeit zu erscheinen, obwohl sie sich nicht einsatzfähig fühlen. 45 Prozent der Befragten haben keine/n Hausarzt/-ärztin, entweder weil ihnen die Zeit zur Suche nach einer Praxis fehlt oder weil sie glauben, keine zu benötigen.
Auch niedergelassene Ärzte/-innen sind von der Personalnot und den damit einhergehenden Gesundheitsfolgen betroffen. Einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2018 zufolge fühlen sich viele Ärzte/-innen mit eigener Praxis ausgebrannt.
Personalmangel: So ließe sich den Folgen entgegenwirken
Wie lassen sich die gesundheitlichen Folgen des Personalmangels abmildern? Eine Möglichkeit sind Führungsprogramme, die sich mit dem gesundheitlichen Wohlergehen der Beschäftigten auseinandersetzen. In vielen Unternehmen gibt es solche Programme zwar, in Krankenhäusern sind sie aber selten, hieß es auf dem 122. Deutschen Ärztetag. In der DAK-Umfrage sagen nur 31 Prozent, dass sich ihr Betrieb um das Wohlergehen der Mitarbeitenden kümmert, und nur knapp ein Fünftel gibt an, dass Gesundheitsaspekte in der täglichen Arbeit Berücksichtigung finden.
Auf dem Deutschen Ärztetag wurde die Forderung nach flacheren Hierarchien ausgesprochen, in denen ein stärkerer Fokus auf die Potenziale der Gruppe und der einzelnen Beschäftigten gelegt wird. Die Teilnehmer/innen der Hartmannbund-Umfrage fordern unter anderem weniger Bürokratie, eine verlässlichere Dienstplanung, kürzere Arbeitszeiten mit strengeren Arbeitszeitkontrollen und besseren Systemen zur Arbeitszeiterfassung und mehr Möglichkeiten, nicht-ärztliche Aufgaben delegieren zu können.