
Der Personalmangel in deutschen Kliniken ist gravierend und zieht weitreichende Folgen nach sich. Pläne können nicht eingehalten werden, geforderte Weiterbildungsinhalte werden während der alltäglichen klinischen Arbeit nicht ausreichend vermittelt. Schließlich bleibt auch die Work-Life-Balance mehr und mehr auf der Strecke. Doch wie zufrieden sind die jungen Ärztinnen und Ärzte wirklich und wie steht es um die fachärztliche Weiterbildung? Die Umfrage des Marburger Bundes, an der im September und Oktober diesen Jahres 3.238 angehende Fachärztinnen und Fachärzte teilgenommen haben, liefert Aufschluss.
Weiterbildung: Wenig Feedback
Rund 52 Prozent der befragten Mediziner geben an, während ihrer Weiterbildung zum Facharzt hauptsächlich von Oberärzten angeleitet zu werden. Weitere 16 Prozent der Teilnehmer werden von Fachärzten betreut. Rund jeder vierte wird überwiegend durch berufserfahrene Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung angeleitet.
Einige Fragen der Erhebung stellte man bereits bei einer vergleichbaren Mitgliederbefragung des Marburger Bundes im Jahr 2014. Im Ergebnis ist festzustellen: Es hat sich wenig zum Besseren verändert, denn während bereits 47 Prozent der Befragten aus dem Jahre 2014 angaben, keine regelmäßigen Feedbacks durch ihre Weiterbilder zu erhalten, liegt die Prozentzahl der angehenden Ärzte die über mangelndes Feedback klagen auch 2021 noch bei 45 Prozent. Weitere 45 Prozent erhalten rund einmal im Jahr Rückmeldung. Lediglich zehn Prozent der Teilnehmer stehen im häufigen Austausch mit ihren Weiterbildern. Dies führt vor allem dazu, dass sich mehr als die Hälfte der jungen Ärzte gar nicht oder nur mangelhaft von den Zuständigen gefördert fühlen und mit ihrer Weiterbildung unzufrieden sind.
So viel Struktur beinhaltet die fachärztliche Weiterbildung wirklich
Dringender Handlungsbedarf herrscht auch in Sachen Strukturierung. Ganze 83 Prozent der Befragten erhielten bislang keinen strukturierten Weiterbildungsplan. Mehr als die Hälfte der angehenden Ärzte, die einen Weiterbildungsplan erhielten, geben an, dass dieser in der Praxis kaum von Bedeutung ist. Auch das eLogbuch, welches seit Beginn 2021 zur Verfügung steht und die fachärztliche Weiterbildung einheitlich von Beginn an kontinuierlich dokumentieren soll, findet lediglich bei 13 Prozent der Befragten Anwendung.
Vereinbarkeit von Familie und Klinikalltag
Familie, Freizeit und Beruf unter einen Hut zu bekommen, bedeutet für einen Großteil der Arbeitnehmer, dass der Tag wohl mehr als 24 Stunden haben müsste. Auch nach Auffassung der angehenden Fachärzte bemühen sich Arbeitgeber zu wenig, ihren Angestellten den Wunsch nach familienfreundlichen Arbeitsbedingungen zu erfüllen. So geben lediglich 20 Prozent der Befragten an, dass ihr Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördere. Knapp 21 Prozent erklären: „Wir haben einen Kompromiss für meine persönliche Situation gefunden“. Rund 39 Prozent wünschen sich mehr Flexibilität ihres Arbeitgebers. Weitere 20 Prozent der jungen Ärzte erhalten von ihrem Arbeitgeber gar keine Unterstützung.
Personalmangel führt zu unzureichender Rotation
Das wohlmöglich gravierendste Problem ist der Mangel an medizinischen Fachkräften, Pflegekräften und Ärzten. Der bestehende Personalengpass in stationären Einrichtungen stellt bei rund 84 Prozent der Befragten den Hauptfaktor dar, der einer guten Weiterbildung im Wege steht. Weitere 19 Prozent der Teilnehmer klagen über ein unzureichendes Betreuungsangebot für Kinder. Rund 38 Prozent der angehenden Fachärzte klagen über mangelnde Rotationsmöglichkeiten in den Kliniken.
Die Problematik der Rotationen in der Facharzweiterbildung lässt sich nach Angaben der Befragten, jedoch vor allem auf den bestehenden Personalmangel zurückführen. „Offizielle Rotationen werden immer wieder unterbrochen, weil man in anderen Bereichen aushelfen muss“, schreibt ein Teilnehmer in seinem Kommentar. Ganze 51 Prozent der Ärzte haben nach eigenen Angaben Probleme mit der Rotation. Ähnliches lässt sich aus der Befragung im Jahre 2014 entnehmen. Bereits vor sieben Jahren geben rund 32 Prozent der Teilnehmer an, dass in ihrer Weiterbildungsstätte keine Möglichkeit der Rotation oder Kooperation mit anderen Weiterbildungseinrichtungen besteht.
Der Trend geht hin zum ambulanten Bereich
Vor diesem Hintergrund kommt es mehr und mehr zu der wachsenden Bereitschaft bei jungen Ärzten, nach ihrer Weiterbildung in den ambulanten Bereich zu wechseln. Der ohnehin schon seit Jahren zu beobachtende Trend der Anstellung in ambulanten Einrichtungen wird sich allem Anschein nach fortsetzen. So geben rund 41 Prozent der Befragten an, sich nach ihrer Weiterbildung im ambulanten Bereich orientieren zu wollen. Zum Vergleich: In der Befragung des Marburger Bunds vor rund sieben Jahren lag die Zahl der Ärzte, die nach ihrer Weiterbildung in den ambulanten Sektor wechseln möchten, nur bei rund 33 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer möchte jedoch auch weiterhin im stationären Sektor tätig sein. Nur vier Prozent denken darüber nach, im nicht-kurativen Bereich tätig zu werden.