Der Neurochirurg beschäftigt sich als Facharzt mit operativen Eingriffen des ...
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Lobotomie – Meilenstein der Wissenschaft oder mittelalterliches Folterritual? Bei dieser neurochirurgischen Operationsmethode werden die Nervenverbindungen zwischen Thalamus und dem Frontallappen sowie ein Teil der grauen Substanz zerstört. Das Verfahren kam vor allem in den 1930er Jahren zum Einsatz, um Patienten/-innen mit mit psychischen Erkrankungen zu behandeln. Obwohl die Nebenwirkungen der Lobotomie oftmals verheerend und irreversibel waren, bekam der Erfinder 1949 sogar einen Nobelpreis dafür.
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Geschichte der Lobotomie
Entwickelt wurde die Lobotomie durch den Portugiesen Antonio Egas Moniz, welcher das Verfahren 1936 zum ersten Mal bei einem Menschen anwendete. Anfang der 40er wurde die Methode durch den amerikanischen Psychiater Walter Freeman in ihrer Anwendung vereinfacht und in den USA verbreitet. Mit der Markteinführung des ersten Neuroleptikums Thorazine (1954) wurde die Lobotomie jedoch aus der Welt der Medizin verdrängt. Die Fachwelt distanzierte sich anschließend nach und nach von der Methode und wandte sich der viel nebenwirkungsärmeren, medikamentösen Therapie zu.
Gibt es das heute noch?
Die Methode der Lobotomie ist heute obsolet. In Deutschland wurde seit den 1970er Jahren keine mehr durchgeführt. Gleiches gilt für Verfahren, die eine ähnliche massive Zerstörung von Hirngewebe verursachen. Nichtsdestotrotz wurden Schätzungen zufolge weltweit knapp 100.000 Lobotomien an Patienten/-innen durchgeführt. Heutzutage gewinnen hingegen Hirnschrittmacher mehr und mehr an Bedeutung, denn diese ermöglichen die gezielte Manipulation einzelner Nerven.
Vorgehensweise – Was passiert bei einer Lobotomie?
Vor dem Eingriff wurden die Patienten/-innen fixiert, um dann das Gehirn mittels Elektroschocks in ein kurzfristiges Koma zu versetzen. Anschließend wurde ein etwa 20 Zentimeter langes, eispickelartiges Werkzeug oberhalb des Auges in die Augenhöhle eingeführt. Mit ein paar leichten Hammerschlägen konnte der Operateur anschließend die dünne Siebbeinplatte durchbrechen und in das Gehirn eindringen.
Die Werkzeuge wurden zunächst auf beiden Seiten eingeführt. Im Anschluss daran wurden sie in bestimmten Winkeln hin- und herbewegt, um das dortige Hirn- und Nervengewebe zu zerstören.
Ziel der Lobotomie
Die Zielsetzung bestand darin, eine Verhaltensänderung der Patienten/-innen mit schwerwiegenden psychischen Störungen zu erreichen. Therapiert wurden mit Hilfe der Lobotomie etwa Menschen, die an Psychosen, Depression, Schizophrenie oder starken Schmerzen litten.
Folgen der Lobotomie
Es gibt keine empirischen Daten, welche die Wirksamkeit der Lobotomie belegen. Nach dem Eingriff verhielt sich der Großteil der Betroffenen apathisch und war antriebslos, fast wie betäubt. Somit konnten zwar zum Teil die vorbestehenden Symptome herunterreguliert werden; den Zustand der Patienten/-innen nach der OP konnte man aber keineswegs als normal oder psychisch gesund bezeichnen.
Lobotomie vorher-nachher
Neben der starken, psychischen Verflachung kam es bei Patienten/-innen nach einer Lobotomie auch oftmals zu anderen Nebenwirkungen. Diese waren zum Teil drastisch und unumkehrbar. So litten Betroffene kurz nach dem Eingriff zeitweise an stark blutunterlaufenen Augen und entwickelten unter anderem eine Epilepsie oder Inkontinenz. Viele verstarben zudem an den Folgen einer Gehirnblutung. Von den rund 4.000 Personen, die Freeman in seiner Karriere operierte, verstarben 600 nach einiger Zeit.
Lobotomierte Prominenz
Zu den prominentesten Menschen mit einer Lobotomie gehörte Rosemary Kennedy, die Schwester des späteren US-Präsidenten. Nachdem der Eingriff im Jahr 1941 bei ihr durchgeführt wurde, blieb ihr Verstand auf dem geistigen Niveau eines dreijährigen Kindes stehen. Sie verbrachte die nächsten 63 Jahre ihres Lebens in geschlossenen Anstalten.
Gibt es Überlebende?
Tatsächlich ist eine lobotomisierte Person Stand 2023 immer noch am Leben. Der Amerikaner Howard Dully wurde 1960 im zarten Alter von zwölf Jahren einer Lobotomie unterzogen. Die Begründung: Seine Stiefmutter hielt ihn für zu aufmüpfig. Nach mehreren Arztbesuchen ohne pathologische Auffälligkeiten gelangte sie schließlich zu Freeman. Dieser diagnostizierte dem Jungen dann eine angebliche Schizophrenie und rechtfertigte somit den Eingriff.
Dully absolvierte zwar einen Lebensweg, der durch Höhen und Tiefen, vom Alkoholismus bis zur Obdachlosigkeit, geprägt war. Allerdings gelang ihm dennoch ein Hochschulabschluss in Computerinformationssystemen und er arbeitete viele Jahre seines Lebens als Busfahrer. Unter dem Titel “My Lobotomy” veröffentlichte er außerdem 2007 ein Buch mit seiner Biographie.