Wer haftet bei einer Fehldiagnose eines Arztes? Nicht nur Patienten beschäftigen sich immer wieder mit der Frage nach der Haftung bei einer Fehldiagnose. Vor allem die Gerichte müssen immer häufiger über etwaige Schadenersatzansprüche entscheiden. Und auch wenn mit dem Patientenrechtegesetz die gesetzlichen Grundlagen in 2013 konkretisiert wurden, sind häufig Gutachter und intensive Nachforschungen bei der Fehldiagnose erforderlich.
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Haftung bei einer Fehldiagnose im Patientenrechtegesetz
Im Patientenrechtegesetz wird nicht nur die Beweislast für bestimmte Fälle eines Behandlungsvertrages ausgestaltet oder umgekehrt. Die Bestimmungen geben auch Anhaltspunkte, wann die Haftung bei einer Fehldiagnose beim Arzt liegt.
Zunächst findet sich in Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler) ein erster Hinweis zu der Haftung bei Behandlungsfehlern. So sagt das Gesetz: „Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.“ Insofern wird grundsätzlich vermutet, dass Behandlungsfehler immer dann vorliegen, wenn der Patient verletzt wurde, der Arzt dieses Risiko jedoch hätte beherrschen können. Dann wird ein Fehler des Behandelnden, also des Arztes, unterstellt. Somit läge die Haftung bei einer Fehldiagnose grundsätzlich beim Arzt.
Aber auch Absatz 5 stellt noch einmal klar, dass ein Behandlungsfehler, der zu der streitgegenständlichen Verletzung hätte führen können, auch tatsächlich als für diese ursächlich betrachtet wird. Interessanterweise gelten dabei auch solche Fälle als Behandlungsfehler:
- notwendige Untersuchungen wurden unterlassen
- Untersuchungen wurde fehlerhaft durchgeführt
- Befunde wurden nicht gesichert
Und obwohl im Zweifelsfall ein Gutachten erforderlich sein würde, liegt auch damit die Haftung bei einer Fehldiagnose zunächst beim Arzt.
So urteilte dann u.a. auch das OLG Hamm in einem Fall, bei dem die behandelnden Ärzte auf die Hinzuziehung eines Neurologen verzichtet hatten. Wie sich herausstellte hatten sie deshalb aber einen Hirnstamminfarkt nicht erkannt, so dass die Patientin fortan an einem Locked-in-Syndrom litt. Daher wurden sie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt.
Fehldiagnose in Krankenhäusern und Sanitätsbetrieben
Aber nicht nur der behandelnde Arzt, auch Krankenhäuser oder Sanitätsbetriebe können von der Haftung betroffen sein.
Erkennt der mit einem Krankenhaus kooperierende Hausarzt z.B. einen Schlaganfall nicht oder nicht rechtzeitig und ist der Patient daher später teilweise gelähmt, hat dieser Schadensersatzansprüche gegen beide medizinischen Versorger.
Daneben können auch Sanitätsbetriebe in die Haftung genommen werden bei einer Fehldiagnose. Arbeiten sie mit einem Basisarzt zusammen, haften sie im Falle eines Behandlungsfehlers für diesen mit. Die Haftung bei einer Fehldiagnose trifft sie also genauso.
Fehldiagnose Schadensersatz: was tun als Patient im Schadensfall?
Grundsätzlich muss man als Patient beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und durch diesen ein Gesundheitsschaden entstanden ist. Auch muss man den Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden beweisen.
Wenn man vermutet, dass eine falsche Diagnose vorliegt, kann man zunächst bei seinem behandelnden Arzt oder der Klinikleitung Einsicht in die Befunde und Kopien dieser einfordern. Dies ist grundsätzlich erlaubt. Daneben sollte man einen zweiten Arzt aufsuchen und sich von ihm unabhängig eine Diagnose erstellen und den Gesundheitszustand dokumentieren lassen.
Liegt tatsächlich eine falsche Diagnose vor (oder es wird vermutet, dass eine falsche Diagnose vorliegt), stellt sich die Frage, ob man einen Gutachter oder Anwalt hinzuzieht. Bevor man dies tut, gibt es jedoch in Deutschland die Möglichkeit eine unabhängige Beratungsstelle zu kontaktieren. Hierzu stehen jedem Patienten bundesweit 21 Beratungsstellen der Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) mit Rat und Hilfe zur Seite. Daneben bietet der Deutsche Patientenschutzbund Beratung und Hilfestellungen zu Gutachten, passenden Anwälten und weitere Tipps.
Muss ein Gutachten erstellt werden, ist dies kostenlos möglich über die gesetzlichen Krankenkassen. Die Zuständigkeit dafür liegt beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Wird über das Gutachten ein Behandlungsfehler bestätigt, kann der Patient gegen den Arzt über einen Anwalt Klage einreichen in Form von Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen. Hierzu stehen den Patienten spezielle Fachanwälte für Medizinrecht zur Verfügung. Daneben ist eine außergerichtliche Einigung über die Gutachter- und Schlichtungsstellen der jeweiligen Ärztekammer möglich.
Wie verhalten als Arzt bei Fehldiagnose?
Niemand ist perfekt, jeder Mensch kann Fehler machen. Dazu zählen selbstverständlich auch Ärzte. Auch ein Arzt, der stets sorgfältig und gewissenhaft arbeitet, kann Fehldiagnosen stellen. Im Falle einer begründeten Fehldiagnose (Patient kann den Fehler beweisen) schützt den Arzt seine Haftpflichtversicherung. Damit die Haftpflichtversicherung schützt, ist jedoch ein korrektes Verhalten nötig.
Wenn ein Patient behauptet, dass eine Fehldiagnose oder ein Behandlungsfehler vorliegt oder dies gar anwaltlich behaupten lässt, gerät jeder Arzt in eine schwierige Situation. Oftmals gehen die Vorwürfe direkt per anwaltlichem Schreiben ein und die Herausgabe der Behandlungsunterlagen wird gefordert. Wie also verhalten als Arzt?
Sobald ein Patient eine Fehldiagnose behauptet, ist der Arzt verpflichtet diesen Schadensfall unverzüglich der Versicherung zu melden. Die Frist hierzu beträgt in der Regel 7-10 Tage. Daneben sollte man als Arzt umgehend einen arzthaftungsrechtlich spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen. Dieser kann einem bestmöglich individuell in Abhängigkeit des jeweiligen Sachverhalts beraten und die weiteren Schritte festlegen. Insbesondere wird der Anwalt anschließend die Interessen des Arztes gegenüber dem Patienten und der Versicherung vertreten.