
Die Klinische Umweltmedizin ist ein relativ junges Fachgebiet der Medizin, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Umweltfaktoren werden immer häufiger als Mitverursacher verschiedener Gesundheitsstörungen – von neurologischen Erkrankungen über Organstörungen bis hin zu malignen Tumoren – diskutiert. Das Fach zielt darauf ab, die komplexen Zusammenhänge zwischen Umweltbelastungen und gesundheitlichen Auswirkungen zu verstehen, um diese gezielt zu diagnostizieren, zu behandeln und vorzubeugen. Im Klinischen Part des Medizinstudiums ist die Klinische Umweltmedizin als Querschnittsbereich organisiert.
Inhaltsverzeichnis
Klinische Umweltmedizin – Was ist das?
Die Klinische Umweltmedizin ist ein Fachgebiet, das sich mit der ambulanten und stationären Diagnostik, Prävention, Erforschung und Therapie von durch Umweltfaktoren ausgelösten Erkrankungen befasst. Im Unterschied zu Public Health, Toxikologie, Arbeitsmedizin oder Hygiene liegt der Fokus der Klinischen Umweltmedizin auf der individuellen Diagnostik und Therapie.
Im Zentrum stehen dabei die Analyse der Exposition gegenüber schädlichen Umweltfaktoren und die Berücksichtigung der individuellen Vulnerabilität und Suszeptibilität der Patienten. Jeder Fall wird als Individualfall betrachtet, da die gesundheitlichen Auswirkungen von Umweltbelastungen – wie Schadstoffen, Strahlung oder Allergenen – stark von der jeweiligen genetischen Veranlagung, dem Lebensstil und anderen Confoundern abhängen.
Das Fach umfasst eine breite Palette natürlicher und künstlicher Einflussfaktoren, die potenziell jedes medizinische Fachgebiet betreffen können. Dadurch spielt die Klinische Umweltmedizin eine zunehmend wichtigere Rolle in der modernen Medizin und fordert eine Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie Innerer Medizin, Pädiatrie, Neurologie und Onkologie. Auch für die Zulassung zum Hammerexamen ist ein bestandener Schein in diesem Querschnittsfach notwendig.
Klinische Umweltmedizin – Die wichtigsten Inhalte
Die Inhalte der Klinischen Umweltmedizin sind vielfältig und decken Themen wie die Erforschung von Schadstoffwirkungen, die Bewertung von Expositionsrisiken und die Prävention umweltbedingter Erkrankungen ab. Zu den zentralen Themen gehören:
- Diagnostik von Expositionen: Untersuchung von Schadstoffbelastungen (z. B. Schwermetalle, Feinstaub, chemische Substanzen) und deren Auswirkungen auf den Körper
- Vulnerabilität und Suszeptibilität: Erkennung individueller Risikofaktoren und genetischer Prädispositionen, die die Empfindlichkeit gegenüber Umweltfaktoren beeinflussen
- Systemische Auswirkungen: Untersuchung der Verbindungen zwischen Umweltfaktoren und diversen Erkrankungen
- Prävention und Therapie: Entwicklung und Implementierung präventiver Strategien sowie die Behandlung umweltbedingter Krankheitsbilder
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Schwierigkeit, gesundheitliche Auswirkungen von Schadstoffen nachzuweisen. Oft wirken geringe Schadstoffmengen über lange Zeiträume, was in Kombination mit Confoundern wie Lebensstilfaktoren eine präzise Diagnostik erschwert.
M2 Relevanz
Das IMPP stellt zum Fachgebiet der klinischen Umweltmedizin keine nennenswerte Anzahl an Fragen. Höchstens sind die Fragen vom Themengebiet her vermischt mit anderen Fächern, beispielsweise Sozial- und Arbeitsmedizin oder Epidemiologie.
Lernaufwand und Umfang
Die Klinische Umweltmedizin ist ein kleiner Bereich im Medizinstudium. Die Themen sind eng verknüpft mit den Bereichen Toxikologie, Epidemiologie, Immunologie und Sozialmedizin. Insgesamt kommt man oft mit normalem Menschenverstand in diesem Fach schon sehr weit, weshalb sich der Lernaufwand auf jeden Fall in Grenzen hält. Oft haben die Dozenten “Lieblingsthemen” (z. B. wenn derjenige an bestimmten Schadstoffexpositionen forscht), bei denen es sich für Prüfungen lohnt, etwas mehr Zeit zu investieren.
Das sagen unsere Medizinstudenten
Robin: "Umweltmedizin fand ich okay. Wird nicht mein Lieblingsfach, da es zum Großteil etwas zäh verläuft, wegen vieler Studienergebnisse und sowas. Ein paar Sachen, vor allem in Bezug zur Ernährung, wie Schwermetalle in Fisch, waren dann aber doch interessant - auch für den normalen Alltag."
Lilli: "Umweltmedizin hat mich mehr oder weniger das erste Mal in meinem Leben in die Situation gebracht, dass ich Studien nicht nur lesen, sondern mich richtig kritisch mit ihnen auseinandersetzen musste. Das war im ersten Moment sehr träge und anstrengend. Da war ich froh, dass wir wenigstens auch Gruppenarbeiten oder ähnliches eingeflochten hatten, anstatt nur trägen Vorträgen zuzuhören. Mittlerweile finde ich diese ganzen Themen zu Prävention, klassischen allgemeinen Risikofaktoren (Ernährung, Wohnort, etc.) richtig spannend und bin sogar für meine Doktorarbeit in einer Forschungsgruppe im Bereich Global bzw. Public Health. Irgendwas ist also wohl doch hängengeblieben."
Famulatur Stellenangebote
Relevanz der Klinischen Umweltmedizin für die ärztliche Tätigkeit
Die Bedeutung der Klinischen Umweltmedizin wächst stetig, da umweltbedingte Erkrankungen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit und der Wissenschaft rücken. Umweltmediziner tragen die Verantwortung, die gesundheitlichen Auswirkungen von Schadstoffen zu erforschen, nachzuweisen und präventive Maßnahmen zu entwickeln.
Doch auch für Ärzte anderer Disziplinen ist es wichtig, Umweltbelastungen als potenzielle Krankheitsursache im Hinterkopf zu haben, um frühzeitig entsprechende diagnostische Maßnahmen einzuleiten. Hier einige Beispiele:
- Neurologische Störungen (z. B. durch Schwermetalle oder Lösungsmittel)
- Atemwegserkrankungen (z. B. durch Feinstaub oder Schimmelbelastung)
- Krebserkrankungen (z. B. durch Asbest oder chemische Schadstoffe)
- Dermatologische Beschwerden (z. B. Kontaktallergien oder Hautreaktionen durch chemische Substanzen)
Wenn Dir dieses Fach viel Spaß bereitet hat, ist vielleicht später ein Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin ideal für Dich. Mehr dazu hier:
Lerntipps für Klinische Umweltmedizin
Für viele mag die Klinische Umweltmedizin ein trockenes Fach zum Lernen sein. Fallbeispiele oder Diagramme / Grafiken zu umweltmedizinischen Studien können die Lernmotivation vielleicht ein wenig anfachen. Zum Glück ist der Lernaufwand aber sehr überschaubar. In Klausurfragen sollte man zudem unbedingt auf Buzzwords achten, die Hinweise auf bestimmte Expositionen liefern können.
Die absoluten Basics der Klinischen Umweltmedizin sind hier in der Tabelle für Dich zusammengefasst:
Fachbegriff | Erklärung | Beispiel |
Emission | Abgabe von Stoffen oder Energie an die Umwelt durch eine Quelle. | Schadstoffausstoß aus einem Kamin. |
Immission | Summe der Schadstoffe, die an einem bestimmten Ort vorhanden sind. | Feinstaubkonzentration in einer Stadt. |
Transmission | Ausbreitung von Schadstoffen in der Umwelt vom Entstehungs- bis zum Zielort. | Transport von Schadstoffen durch Wind nach Tschernobyl. |
Exposition | Ausgesetztsein eines Organismus gegenüber Umwelteinflüssen. | Passivraucher ist Zigarettenrauch ausgesetzt. |
Primäre Schadstoffe | Direkt aus einer Quelle ausgestoßene Schadstoffe. | Kohlenmonoxid aus einem Auspuff. |
Sekundäre Schadstoffe | Schadstoffe, die durch chemische Prozesse aus primären Schadstoffen entstehen. | Ozonbildung aus Stickoxiden in der Luft. |
Biologischer Grenzwert (BGW) | Konzentration eines Stoffes in biologischem Material, bei der keine Gesundheitsbeeinträchtigung zu erwarten ist. | Schwermetallkonzentration im Blut eines Arbeiters. |
Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) | Obere Konzentrationsgrenze eines Arbeitsstoffes in der Luft, die die Gesundheit der Beschäftigten nicht schädigt. | CO-Konzentration am Arbeitsplatz von Schweißern. |
Technische Richtkonzentration (TRK-Wert) | Grenzwert für kanzerogene oder mutagene Stoffe ohne zulässigen MAK-Wert. | Benzol in der Luft von Industrieanlagen. |
Biologischer Arbeitsplatz-Toleranzwert (BAT-Wert) | Maximale Konzentration eines biologischen Stoffes im Körper ohne gesundheitliche Folgen. | Blei im Blut eines Fabrikarbeiters. |
EKA-Wert | Expositionsäquivalent für krebserzeugende Stoffe in biologischen Medien. | Chrom im Harn eines Arbeiters in der Metallverarbeitung. |
LAI (Länderausschuss für Immissionsschutz) | Gremium, das Immissionsschutzmaßnahmen und Bewertungsmaßstäbe entwickelt. | Immissionswerte in der Luftreinhalteplanung. |
HBM-Werte | Konzentration eines Stoffes im Körper, die als Prüf- oder Maßnahmenwert dient. | Quecksilber im Urin von Zahntechnikern. |
No observed adverse Effect Level (NOAEL) | Höchste Konzentration eines Stoffes ohne nachweisbare schädliche Wirkung. | Keine beobachtbaren Schäden bei einer bestimmten Dosis. |
Lowest observed adverse Effect Level (LOAEL) | Niedrigste Konzentration eines Stoffes mit nachweisbarer schädlicher Wirkung. | Schädigungen bei niedriger Konzentration von Schadstoffen. |
Acceptable daily Intake (ADI-Wert) | Tägliche Schadstoffmenge, die lebenslang ohne Gesundheitsrisiken aufgenommen werden kann. | Pestizidrückstände in Lebensmitteln ohne Risiko. |
Surrogatmarker | Indirekter Messwert zur Darstellung schwer messbarer Phänomene. | Herzfrequenz als Maß für Angstzustände. |
Referenzwert | 95. Perzentil einer Schadstoffkonzentration in der Bevölkerung als Vergleichswert. | Vergleich eines Blutwertes mit der Normalbevölkerung. |
Wahrnehmungsvermittelte Umweltwirkungen | Unterschiedliche Wahrnehmung von Umwelteinflüssen, z. B. Lärm. | Lästiger Lärm durch tropfenden Wasserhahn. |
Pathogenese | Entstehung und Entwicklung einer Krankheit durch äußere und innere Faktoren. | Entzündung durch Schadstoffe in der Lunge. |
Salutogenese | Gesundheit als Prozess, beeinflusst durch Resilienz und Bewältigungsstrategien. | Gesundheit durch Resilienz trotz Umweltstress. |
Suszeptibilität | Individuelle Empfindlichkeit eines Organismus gegenüber Umweltfaktoren. | Höhere Empfindlichkeit von Asthmatikern gegenüber Luftverschmutzung. |
Risikogruppen | Gruppen mit erhöhter Empfindlichkeit gegenüber schädlichen Einflüssen. | Säuglinge, alte Menschen oder Asthmatiker in verschmutzten Gebieten. |
Quelle: Ackermann H. et. al., AllEx – Alles fürs Examen (Thieme, 2. Auflage, 2014)