Gerade zur Herbst-Winter-Zeit bestehen in Deutschland Lieferengpässe bei Medikamenten. Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mitteilt, sind 479 Engpass-Medikamente gelistet. Als Arzt stehst Du nun vor der Herausforderung, Patienten weiterhin angemessen zu versorgen, ohne bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung Probleme zu bekommen. Worauf Du als Mediziner nun achten solltest, erklärt der folgende Artikel.
Engpass-Medikamente: Prekäre Lage bei vielen Arzneimitteln
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bezeichnet die aktuellen Medikamenten-Engpässe als „prekär“. Unter anderem mangelt es an Arzneimitteln mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten für Diabetes-Patienten, an Salbutamol für Asthma-Patienten sowie an Augentropfen mit dem Wirkstoff Timolol, die bei erhöhtem Augeninnendruck verabreicht werden. Die KBV befürchtet zudem, dass genau wie in der letzten Grippesaison Fiebersäfte für Kinder knapp werden könnten.
Angesichts der angespannten Situation sollten sich Ärzte bei der Verordnung von Medikamenten an die folgenden sechs Tipps halten:
1. Verordnen mit Bedacht
Der Beirat der KBV rät Ärzten, Patienten nur die kleinste Packungsgröße (N1) zu verschreiben. Sie sollten Folgerezepte nur ausstellen, wenn dies unbedingt notwendig ist. Ist die kleinste Packungsgröße in Apotheken nicht verfügbar, geben Apotheken die Arzneimittel aus größeren Gebinden (N2 oder N3) als einzelne Blisterstreifen oder Inhalatoren an Patienten ab.
2. Rücksprache mit der Apotheke halten
Benötigen Patienten akut Medikamente, bei denen derzeit Lieferengpässe bestehen, sollten Ärzte zunächst Rücksprache mit der diensthabenden Apotheke halten, um herauszufinden, welche Arzneimittel überhaupt verfügbar sind. So stellen sie sicher, dass sie nicht mehrere Rezepte ausstellen müssen, und sorgen für einen schnellen Therapiebeginn.
3. Die richtige Dokumentation
Die aktuellen Lieferengpässe bei Medikamenten können es notwendig machen, kleinere Packungsgrößen oder andere Medikamente zu verordnen als üblich. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) gestattet auch den Austausch von Fertigarzneimitteln in der Apotheke. Um die dadurch entstehenden höheren Verordnungskosten bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung begründen zu können, sollten die Auswirkungen von Lieferengpässen genau dokumentiert werden. Die KBV und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen haben sich darauf geeinigt, diese Auswirkungen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung gesondert zu berücksichtigen. Das gilt für alle Medikamente, bei denen gemäß BfArM-Datenbank Lieferengpässe bestehen.
4. Therapieänderungen im Einzelfall selbst dokumentieren
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) rät Ärzten darüber hinaus, Therapieentscheidungen für Präparate auch dann zu dokumentieren, wenn ein Lieferengpass von Apotheken oder Patienten gemeldet wird. In solchen Fällen sind Ärzte eigentlich nicht zur Dokumentation verpflichtet. Weichen sie aufgrund einer solchen Rückmeldung aber auf ein anderes, höherpreisiges Präparat aus, gibt ihnen die Dokumentation bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung mehr Argumentationsmöglichkeiten an die Hand. Dabei sollte die medizinische Notwendigkeit im jeweiligen Fall begründet werden.
5. Neuverordnungen prüfen
Sind gewisse Medikamente nicht lieferbar, bitten Apotheken manchmal um Neuverordnungen. Die KVN rät allerdings dazu, Neuverordnungen nur in dringend notwendigen Einzelfällen vorzunehmen. Derzeit sei nämlich noch unklar, wie sich Neuverordnungen auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung auswirken. Apotheken dürfen ohne ärztliche Rücksprache von der verschriebenen Wirkstärke, Packungsgröße und Packungsanzahl abweichen, sofern sie nicht mehr als die verordnete Wirkstoffmenge abgeben und ein wirkstoffgleiches Präparat wählen.
6. Verordnung von Rezepturen
Wie sollten Ärzte handeln, wenn Apotheken aufgrund von Lieferengpässen um die Verordnung von Rezepturen bitten? Rezepturen stellt die Apotheke individuell her, und sie sind teurer als Fertigmedikamente. Wirtschaftlich sind sie laut KVN nur, wenn sie auf der Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel stehen und der Austausch auf Grundlage der ursprünglichen Verordnung erfolgt. Daher sollten Ärzte keine Rezepturen ausdrücklich verordnen oder bestehende Rezepte abändern. Tauscht die Apotheke ein bestehendes Rezept gegen eine Rezeptur aus, dokumentieren Ärzte dies in der Patientenakte.