
Magenschmerzen, Grippe oder Kreislaufprobleme: Immer häufiger wird die 112 gewählt, obwohl kein akuter Notfall vorliegt oder ein Krankentransport erforderlich ist. Das Notarzt-Team verliert dadurch Zeit, die bei wirklich lebensbedrohlichen Notfällen fehlt.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Rettungseinsätze erheblich gestiegen, was unter anderem auch auf den bundesweit herrschenden Ärztemangel zurückzuführen ist. Wie kann in Zukunft überhaupt noch eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet werden? Genau aus diesen Gründen, haben mit Beginn des Jahres die Stadt Oldenburg sowie die Landkreise Ammerland und Cloppenburg bzw. Vechta ein Pilotprogramm gestartet. Das auf zwei Jahre ausgerichtete Projekt soll testen, ob Rettungsdienst und Notaufnahmen durch den Einsatz von Notfallsanitätern entlastet werden können.
Bindeglied zwischen Rettungsdienst und Patient
Das im Januar angelaufene Pilotprojekt soll nun in erster Linie helfen, die große Anzahl von Alarmierungen, die keine notfallmedizinische Versorgung bedürfen, aus der Ressource des Rettungsdienstes zu verlagern. Bisher fehlte eine Lösung, die den Hilfesuchenden in ihrer belastenden, aber oft nicht bedrohlichen Situation professionell helfen soll. Hier setzt das Projekt “Gemeinde-Notfallsanitäter” an, das durch die Krankenkassen finanziert wird. Geht ein Notruf ein, wird zunächst von der Leitstelle geprüft, ob der Patient auf ein Notarzt-Team angewiesen ist. Damit kann weiterhin gewährleistet werden, dass bei akuten Krankheitsbildern ohne Verzögerung die gewohnte Rettungskette funktioniert. Nicht lebensbedrohende Fälle werden dann vom Notarzt-Team wegorganisiert und können durch den Gemeinde-Notfallsanitäter optimal betreut bzw. versorgt werden. Dieser entscheidet vor Ort im Zweifelsfall darüber, ob er weitere Hilfe in Anspruch nehmen möchte.
3 Monate Zusatzausbildung
Bevor ein Notfallsanitäter als Gemeinde-Notfallsanitäter arbeiten darf, muss er zunächst eine drei-monatige Ausbildung absolvieren. Darüber hinaus muss er mindestens 25 Jahre alt sein und 5 Jahre Berufserfahrung im Rettungsdienst vorweisen. Diese Anforderungen sollen dem Anspruch Rechnung tragen, dass die Tätigkeit ein hohes Maß an Verantwortung mit sich bringt. Denn der Notfallsanitäter muss letztendlich entscheiden, ob er einen Notarzt zum anrufenden Patienten schickt oder nicht. Zusätzlich kann er jedoch auf ein breites Netzwerk an Optionen in Sachen ambulanter Versorgung zurückgreifen. So kann anstatt des Notarztes etwa der hausärztliche Dienst informiert oder auf telemedizinische Hilfe aus dem Krankenhaus Oldenburg vertraut werden.
Kostenreduzierung um 40 %
Neben der individuellen Entlastung der Notärzte geht es auch um finanzielle Aspekte. Die Betriebskosten für die Einsätze mit einem Rettungswagen belaufen sich jährlich auf knapp 500 000 Euro. Der finanzielle Aufwand für die Gemeinde-Notfallsanitäter beträgt im Gegensatz dazu pro Jahr lediglich 350 000 Euro. Auch wenn es seitens des Landes keine genauen Einsatzzahlen von Rettungsdiensten gibt, begrüßt auch das Innenministerium das neue Projekt. Immerhin wird damit die präklinische Versorgung der ganzen Bevölkerung auf neue und optimale Beine gestellt.
Mit dem innovativen Projekt der Notfallsanitäter kann auch der zunehmende Ärztemangel bekämpft werden. Gerade in den ländlichen Regionen, wo es an Hausärzten fehlt, wird immer öfter die Rettung gerufen, obwohl eigentlich kein Notfall vorliegt. So können also nicht nur die Rettungseinsätze reduziert werden. Es kann damit auch der wachsenden Unterversorgung entgegen gewirkt werden.
Ausweitung auf weitere Regionen
Natürlich wird es anfangs dazu kommen, dass der Sanitäter im Notfall lieber einmal zu oft den Mediziner zum Patienten beordert, um kein Risiko einzugehen und Erfahrungswerte zu sammeln. Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt den erhofften Effekt bringt. Sollte dies der Fall sein, wird es mit Sicherheit auch auf andere Regionen ausgeweitet. Bereits vor dem Start in diesem Jahr hat das Projekt überregionale Aufmerksamkeit erregt. Laut Medien gibt es auch seitens des Rheinland-pfälzischen Landtages Interesse.