
Immer wieder hört man davon, dass in Deutschland ein Ärztemangel herrscht. Doch eigentlich gibt es in Deutschland heute mehr Ärzte als je zuvor. Warum wird also immer wieder davon gesprochen und gibt es wirklich einen Ärztemangel in Deutschland?
Laut Ärztekammer gibt es mehr Ärzte als je zuvor
Die Statistik der Bundesärztekammer lügt nicht und zeigt klar auf: in Deutschland gibt es mehr Ärzte als je zuvor. Während es im Jahr 1990 noch ungefähr 240.000 berufstätige Ärzte in Deutschland gab, ist diese Zahl bis ins Jahr 2017 auf fast 380.000 gestiegen. Dies bestätigt ein Auszug aus den Statistiken der letzten Jahre.
Jahr / Datum | Anzahl berufstätige Ärzte |
2016 | 378.607 |
2015 | 371.302 |
2014 | 365.247 |
2013 | 357.200 |
2012 | 348.700 |
Quelle: Bundesärztekammer Ärztestatistik
Die Statistik zeigt, dass die Anzahl der berufstätigen Ärzte in den letzten Jahren pro Jahr jeweils um 6.000 bis 9.000 Ärzte gestiegen ist. Dieser Statistik wiederspricht also auf den ersten Blick der Theorie, dass ein Ärztemangel in Deutschland vorherrscht.
Jedoch entscheiden sich immer mehr angestellte Ärzte gegen eine Vollzeitstelle. Ein Trend unserer Zeit ist es, Beruf und Privatleben und insbesondere die Familie miteinander zu vereinen. So entscheiden sich vor allem Ärztinnen im Lauf ihrer Karriere dafür, nur eine Teilzeitstelle anzunehmen. Nach dem Mutterschaftsurlaub wird vor allem anschließend auf Teilzeit umgestellt, um mehr Zeit mit Kindern und Familie zu verbringen.
Arztstellen bleiben 136 Tage unbesetzt im Jahr 2016
Auch wenn es mehr berufstätige Ärzte als je zuvor in Deutschland gibt, bleiben Ärztestellen nach Statistik der Bundesarbeitsagentur weiterhin unter den führenden Berufen mit den höchsten Vakanzzeiten im Jahr 2016.
Während die Humanmedizin in dieser Statistik vor zwei Jahren mit 167 Tagen Vakanzzeit noch der unangefochtene Spitzenreiter war die Humanmedizin nach wie vor in den Top Ten auf dem fünften Platz mit durchschnittlich 136 Tagen Vakanzzeit. Lediglich Stellen in den Berufen der Altenpflege, im Heizungs- und Sanitärbereich, in der IT-Beratung und in der Energietechnik sind länger unbesetzt, als die Stellen der Mediziner im Bereich der Humanmedizin. Die durchschnittliche Vakanzzeit aller Berufe in Deutschland liegt bei 95 Tagen, so dass die Arztstellen im Durchschnitt 43 Prozent länger unbesetzt sind als der Durchschnitt.
Quelle: Bundesarbeitsagentur Arbeitsmarktberichte
Schaut man sich das Ganze auf Bundeslandebene an, zeigen sich folgende Ergebnisse:
- Keine Engpässe gibt es in Berlin und Hessen
- Leichte Anzeichen für Engpässe gibt es Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt
- Eine Ärztemangel bzw. Fachkräftemangel an Ärzten gibt es in den Bundesländern Bayern, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
Quelle: Bundesarbeitsagentur Arbeitsmarktberichte
Ärztemangel: entscheidend ist die Arztdichte pro Einwohner
Die OECD veröffentlicht regelmäßig eine Studie, in welcher die Arztdichte pro Einwohner pro Land gemessen wird. Die Statistik zeigt die durchschnittliche Anzahl praktizierender Ärzte je 1000 Einwohner pro Land (2013). Hier rangiert Deutschland mit knapp 4 Ärzten pro 1000 Einwohnern über dem OECD Schnitt mit ungefähr 3 Ärzten pro 1000 Einwohnern im Jahre 2013.
Quelle: Statista.de
Im Jahre 2016 ist der Wert in Deutschland sogar nochmal gestiegen auf 4,6 Ärzte pro 1000 Einwohner in Deutschland. Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern gibt es in Deutschland also viele Ärzte. Jedoch entspricht die Arztdichte nicht überall dem Arztbedarf, was ein Indikator für einen Ärztemangel ist.
So gibt es große Unterschiede bezüglich der Arztdichte was die verschiedenen Bundesländer angeht. So fallen beispielsweise in Städten wie Hamburg (14), Berlin (159) und Bremen (166) deutlich unter 200 Einwohner auf einen Arzt. Hingegen gibt es in Bundesländern wie Brandenburg (256), Niedersachen (248) und Sachsen-Anhalt (245) fast 250 oder sogar mehr Einwohner pro Arzt. Die Arztdichte weißt also zwischen den einzelnen Bundesländern große Unterschiede auf, wobei vor allem in den Großstädten eine hohe Arztdichte herrscht.
Neben der allgemeinen Arztdichte spielt auch die Fachärztedichte eine wichtige Rolle, um zu prüfen, ob ein Ärztemangel in Deutschland vorliegt. Viele Patienten in Deutschland klagen darüber, dass sie Lange auf einen Facharzttermin warten müssen oder weiter Wege zu einem Facharzt in Kauf nehmen müssen.
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung wird hier das Bild der aufgezeigten allgemeinen Arztdichte auch bei der Facharztdichte bestätigt. Die Bedarfsplanung geht am eigentlichen Bedarf vorbei und in Städten existieren deutlich mehr Fachärzte pro Einwohner als auf dem Land. Extremfälle sind zum Beispiel der Nervenarzt, bei dem auf dem Land 31.183 Einwohner pro Facharzt kommen, hingegen in der Großstadt nur 13.745 Einwohner pro Facharzt. Dies entspricht einer Differenz von 127% pro Einwohner! Die Landbevölkerung hat also hier klar das nachsehen, was die Facharztdichte angeht.
Facharztdichte in Deutschland
Arztgruppe | Großstadt | Ländlicher Raum | Abweichung |
Augenärzte | 1 : 13.399 | 1 : 20.664 | + 54 % |
Frauenärzte | 1 : 3.733 | 1 : 6.042 | + 62 % |
HNO-Ärzte | 1 : 17.675 | 1 : 31.768 | + 80 % |
Kinderärzte | 1 : 2.405 | 1 : 3.859 | + 60 % |
Nervenärzte | 1 : 13.745 | 1 : 31.183 | + 127 % |
Orthopäden | 1 : 14.101 | 1 : 23.813 | + 69 % |
Psychotherapeuten | 1 : 3.079 | 1 : 5.953 | + 93 % |
Urologen | 1 : 28.476 | 1 : 47.189 | + 66 % |
Quelle: Bertelsmannstiftung
Daneben weicht insbesondere bei Hausärzten die Versorgungsdichte in 81,3 % der Fälle vom Versorgungsbedarf ab.
Ärztemangel auf dem Land und nicht in der Stadt
Insgesamt fällt das Fazit geteilt aus, ob ein Ärztemangel in Deutschland herrscht. So scheint in Städten die Ärztedichte immer weiter zu steigen, während auf dem Land immer mehr Ärztepraxen im Rahmen der Praxisnachfolge keine jungen Arzt finden, der ihre Arztpraxis übernehmen möchte. „Unsere Gesellschaft altert, und die Ärzteschaft altert mit. Fast jeder vierte niedergelassene Arzt plant, in den nächsten fünf Jahren seine Praxis aufzugeben“, sprach Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Dies zeigt, dass sich der Trend des Ärztemangels an Landärzten auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird, wenn die Politik es nicht schafft durch eine gerechte Bedarfsplanung und Anreize wieder junge Ärzte für das Arbeiten auf dem Land zu begeistern.