Wer als Arzt Notarzteinsätze fahren will oder soll, benötigt die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, auch bekannt als Notarztschein. Wir erklären euch die Details rund um diese Zusatzbezeichnung.
Inhaltsverzeichnis
Im Fach Anästhesie gehören Einsätze als Notarzt und damit der Erwerb der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin zur Dienstpflicht. Aber auch viele Internisten, Allgemeinmediziner, Chirurgen oder Ärzte anderer Disziplinen erwerben den Notarztschein – aus Interesse an der Notfallmedizin, vor der Einteilung auf der Intensivstation oder weil in ländlichen Gegenden Notarztdienste sonst nicht besetzt werden können.
Notarztschein Voraussetzungen
In den meisten Bundesländern gelten für den Erwerb der Zusatzbezeichnung folgende Voraussetzungen:
- 24 Monate Weiterbildungszeit in der unmittelbaren Patientenversorgung,
- davon mindestens 6 Monate Weiterbildung in der Intensivmedizin ODER in der Anästhesiologie ODER in der Notaufnahme.
- Teilnahme am Notarztkurs
- Teilnahme an mindestens 50 Einsätzen unter Anleitung eines Notarztes, wobei in mindestens 20 Einsätzen notfall- bzw. intensivmedizinisches Handeln im Sinne des Weiterbildungsinhaltes zur Anwendung kommen muss.
Einige Bundesländer haben davon abweichende Regelungen.
Genaueres findet sich hier:
Notarztschein – Dauer der Zusatz-Weiterbildung
Der Notarztkurs ist eine 80-stündige Weiterbildung, die auch im Block als einwöchige Fortbildung abgeleistet werden kann. Der Kurs kostet zwischen 800 € und 1000 €. Von manchen Häusern wird er bezahlt oder es wird für die Kurswoche Sonderurlaub gewährt. Hier lohnt es sich, beim Vorstellungsgespräch nachzuhaken.
Im Notarztkurs werden unter anderem erweiterte kardiopulmonale Reanimation, Atemwegsmanagement, gynäkologische und pädiatrische Notfallsimulation, Planspiele zur Bewältigung von Großschadenslagen, technische Rettung aus Unfallfahrzeugen oder über einen Drehleiterkorb in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr, Notfall-EKG-Diagnostik und die Anlage von Thoraxdrainagen am Tiermodell unterrichtet.
Inhalte der Zusatzweiterbildung Notfallmedizin
Organisatorische, einsatztaktische Grundlagen
- Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, z. B. Rettungsdienstgesetze
- Strukturen des deutschen Rettungsdienstes sowie Indikationen der verschiedenen Rettungsmittel
- Einsatzarten, insbesondere Primär-, Sekundäreinsatz, Interhospital- und Schwerlasttransport, Infektionstransport, Neugeborenentransport
- Aufgaben und Struktur einer Leitstelle, der Alarmierungswege und Alarmierungsmittel
- Besonderheiten und Kontraindikationen bei ambulanter notärztlicher Versorgung
- Möglichkeiten einer ambulanten Weiterversorgung durch Hausarzt, sozialpsychiatrischen Dienst, spezialisierte ambulante Palliativversorgung oder Sozialstation
- Maßnahmen zum Eigenschutz und zum Schutz von Patienten und Dritten an einer Einsatzstelle
- Planung, Vorbereitung und Durchführung von Sekundärtransporten, auch unter intensivmedizinischen Bedingungen
- Hygienemaßnahmen beim Umgang mit infektiösen Patienten in Notfallsituationen
- Grundlagen der technischen und medizinischen Rettung
- Grundlagen der Lagebeurteilung und Sichtung bei Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV), auch unter chemischen/biologischen/radiologischen/ nuklearen (CBRN)-Gefahren
- Grundlagen des Katastrophenschutzes
- Auswahl eines dem Krankheitsbild entsprechend leitliniengerechten und geeigneten Zielkrankenhauses
- Anwendung interpersoneller Fertigkeiten einschließlich Teamarbeit, Führung, Entscheidungsfindung
- Durchführung einer strukturierten Patientenübergabe (Handover)
- Bedeutung notfallmedizinisch relevanter Register (Reanimationsregister, Traumaregister) und Dokumentationsgrundlagen (MIND)
- Durchführung von strukturierten Einsatznachbesprechungen
- Bedeutung und Indikation von Krisenintervention und Einsatznachsorge
- Todesfeststellung und Durchführung der vorläufigen Leichenschau einschließlich rechtsrelevanter Aspekte
- Situation des rechtfertigenden Notstandes und der Geschäftsführung ohne Auftrag
- Besonderheiten bei der Unterbringung psychisch Kranker nach gesetzlichen Regelungen
Untersuchung des Notfallpatienten
- Lagerung von Notfallpatienten und Herstellung der Transportfähigkeit
- Standardisierte Akutanamnese bei einem Notfallpatienten
- Erkennung kritischer und lebensbedrohlicher Zustände
- Verschaffung eines ersten Überblicks über den Notfallort und das Geschehen (Lage) und gegebenenfalls Nachforderung adäquater Rettungsmittel
- Leitliniengerechte Erstuntersuchung
- Erkennung von Hinweisen für vital bedrohliche Verletzungen
- Beurteilung von Depressivität und Suizidalität des Patienten einschließlich Gefährdungsprognose
- Schockraummanagement
Leitsymptome
Einleitung einer symptomorientierten Erstbehandlung bei
- Bewusstseinsstörungen/neurologischen Defiziten
- akuter Atemnot
- Brustschmerz
- Blutungen
- Schock
- Herzrhythmusstörungen
- akutem Abdomen/Bauchschmerzen
- psychischen Störungen
- Fieber
Diagnostische Maßnahmen
- Durchführung und Befunderstellung des Elektrokardiogramms im Notfall
- Applikation und Bewertung des Basismonitorings einschließlich Besonderheiten des kindgerechten Monitorings beim Transport
- Messung und Bewertung der Kapnometrie und Kapnographie
Therapeutische Maßnahmen
- Indikationsstellung und Durchführung einer symptomadaptierten und der Verdachtsdiagnose entsprechenden Lagerung unter Berücksichtigung von Hilfsmitteln
- Indikationsstellung und Durchführung von Repositionen bei Frakturen und Luxationen
- Reanimation einschließlich der Reanimation von Säuglingen und Kleinkindern, auch als
Reanimationstraining - Durchführung von Defibrillation oder Kardioversion,
auch als Simulation - Grundlagen der transkutanen Schrittmachertherapie
- Durchführung einer Thoraxentlastung, insbesondere Thoraxdrainage
- Behandlung von Problemen im Bereich des Atemweges (Airwaymanagement) einschließlich der Hinweiszeichen auf schwierige Atemwegsverhältnisse
- Durchführung der Maskenbeatmung, auch bei Säuglingen und Kindern, auch als Simulation
- Sicherung der Atemwege durch Anwendung von supraglottischen Atemwegshilfen, auch bei Säuglingen und Kindern, auch als Simulation
- Sicherung der Atemwege durch endotracheale Intubation einschließlich Videolaryngoskopie
- Einleitung und Aufrechterhaltung einer Notfallnarkose
- Anwendung alternativer Medikamentenapplikationsformen, z. B. nasal, sublingual und intraossär
- Blutungsmanagement/Blutstillung durch Kompression und mittels Anlage von Tourniquet und Beckenschlinge
- Behandlung mit notfallmedizinisch relevanten Medikamenten
- Durchführung einer Volumentherapie, auch bei Säuglingen und Kindern
- Durchführung einer Schmerztherapie, auch bei Säuglingen und Kindern
- Besonderheiten und Ablauf einer Neugeborenen-Erstversorgung
- Geburtshilfliches Notfallmanagement
Zusatzbezeichnung Notfallmedizin – Logbuch
Über die erlernten Kompetenzen muss ein Logbuch geführt werden, das bei der Prüfungsanmeldung vorgelegt werden muss. Ein Blanko-Logbuch zum Download findest du hier:
Logbuch Notfallmedizin zum Download
Anmeldung bei der Landesärztekammer
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Anmeldung zur Prüfung bei der zuständigen Landesärztekammer erfolgen. Es erfolgt eine Terminvergabe und die Einladung zur Prüfung. Diese sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen: Die Lerninhalte sind umfangreich und die Prüfung gilt als anspruchsvoll. Mit ausreichend Vorbereitungszeit und gründlicher Vorbereitung ist aber auch diese Hürde zu überwinden. Es empfiehlt sich, zwischen Notarztkurs und Prüfung nicht zu viel Zeit vergehen zu lassen, sodass die praktische Anwendung noch präsent ist.
Wir wünschen viel Erfolg beim Erwerb der Zusatzbezeichnung!