
Im Zuge der Diskussionen um eine mögliche Regierungsbeteiligung ihrer Partei haben die deutschen Sozialdemokraten deutlich gemacht, dass die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung aus ihrer Sicht Bedingung für eine neue Auflage der großen Koalition sei. Dagegen formiert sich bereits breiter Widerstand in der Ärzteschaft.
SPD wirbt für einheitliche Bürgerversicherung – Kritiker rechnen mit drastischen Verschlechterungen
Nach den Vorstellungen der SPD soll das bisherige Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen in Deutschland künftig abgeschafft werden und eine einheitliche Bürgerversicherung an die Stelle des bisherigen Systems treten. Dabei würden künftig auch die Bezieher hoher Einkommen sowie Selbstständige und Beamte einbezogen werden, während sie sich bislang privat versichern konnten.
Die SPD hatte eine solche Einheitsversicherung vor der Bundestagswahl im September 2017 als Kernforderung in ihr Wahlprogramm aufgenommen und Karl Lauterbach, bisheriger Vizevorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag, bezeichnete sie erst kürzlich wieder als zentrales Anliegen dieser Partei.
Doch während die SPD mit dem Argument wirbt, eine Bürgerversicherung sorge für eine Gleichbehandlung, sehen die Kritiker des Konzepts vor allem drastische Verschlechterungen bei der medizinischen Versorgung auf die Bevölkerung zukommen. Der NAV-Virchow-Bund als Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands rechnet im Falle eines Einknickens der Union gegenüber den entsprechenden SPD-Forderungen mit fatalen Folgen. Verbandschef Dirk Heinrich nannte beispielsweise eine unwiederbringliche Zerstörung funktionierender Strukturen und ein schnelles Ende der freien Arztwahl, der im europaweiten Vergleich kürzesten Wartezeiten für einen Hausarzt- oder Facharzttermin sowie des niedrigschwelligen Zugangs zu wohnortnahen Haus- oder Fachärzten.
Warnungen vor einer Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland
Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundeärztekammer (BÄK) sagte mit Blick auf die Pläne der SPD, derzeit gehöre das deutsche Gesundheitssystem noch zu den besten der Welt. Wer die Bürgerversicherung wolle, starte jedoch einen Turbolader in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin. Für den Fall, dass in Deutschland ein Einheitssystem wie in den Niederlanden eingeführt werde, sei mit Rationierung, einer Begrenzung der Leistungskataloge und längeren Wartezeiten zu rechnen. Wer es sich finanziell leisten könne, werde sich dann als Selbstzahler oder mittels teurer Zusatzversicherungen einen exklusiven Zugang zur Spitzenmedizin und Chefarztbehandlung sichern. Mache die SPD eine Bürgerversicherung zur Vorbedingung für eventuelle Sondierungsgespräche mit den Unionsparteien, drohe dies das leistungsstarke Gesundheitssystem in Deutschland aus den Angeln zu heben.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen warnte ebenfalls vor einer einheitlichen Bürgerversicherung. Diese werde kein einziges potenzielles Problem lösen. Vor allem könne sie nicht die Herausforderungen einer immer älter werdenden Bevölkerung bewältigen.
Auch der Deutsche Hausärzteverband steht dem Ansinnen der SPD sehr kritisch gegenüber. Sein Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt befürchtet, falls man der hausärztlichen Versorgung nun die notwendigen Mittel entziehe, werde dies zu einem Brandbeschleuniger für die Probleme werden, die es heute bereits in vielen Kommunen gebe. Ökonomen wie Professor Dr. Jürgen Wasem, der an der Universität Duisburg-Essen Medizinmanagement lehrt, betrachten die Bürgerversicherung gleichfalls mit Skepsis. Insbesondere sei fraglich, ob es statt der dadurch erhofften Einsparungen nicht vielmehr zu höheren Gesundheitskosten komme, die typischerweise mit steigendem Wohlstand zunehmen. Die Bürgerversicherung könne zwar zu einer “gleicheren” Versorgung führen, die dann aber mit einer Anpassung nach unten einhergehen werde.
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