
Bossing – das systematische Schikanieren von Mitarbeitern durch Vorgesetzte – ist auch im Gesundheitswesen ein ernstzunehmendes Problem. Hierarchische Strukturen, hoher Leistungsdruck und Personalknappheit schaffen ein Umfeld, in dem solches Verhalten entstehen und gedeihen kann. Für Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Praxen ergeben sich daraus nicht nur gesundheitliche Risiken für die Beschäftigten, sondern auch rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Folgen.
Inhaltsverzeichnis
Bossing im Gesundheitswesen: Ein unterschätztes Risiko
Bossing bezeichnet eine besondere Form des Mobbings, bei der die schikanierenden Handlungen von Vorgesetzten ausgehen. Im Gegensatz zu offenem Streit verläuft Bossing häufig subtil. Maßnahmen erscheinen nach außen hin sachlich und gerechtfertigt, dienen in Wirklichkeit aber dazu, Mitarbeiter unter Druck zu setzen oder aus dem Unternehmen zu drängen. Typisch sind ständige Kritik, unbegründete Aufgabenentzüge, Isolation oder abwertende Bemerkungen. Ziel kann es sein, die betroffene Person zur Kündigung zu bewegen.
Da dieses Verhalten schwer nachweisbar ist, bleiben viele Fälle lange unentdeckt oder werden als legitime Führungsmaßnahmen fehlinterpretiert. Im Gesundheitswesen ist das Risiko besonders hoch: Schichtarbeit, Personalmangel und emotionale Dauerbelastung erzeugen zusätzlichen Druck, während im hektischen Alltag oft die Zeit fehlt, Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
Folgen für Mitarbeiter und Organisation
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Bossing sind erheblich. Betroffene leiden häufig unter Angstzuständen, Depressionen, Burnout oder psychosomatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Bluthochdruck und chronischer Erschöpfung. Dies führt zu sinkender Leistungsfähigkeit, steigenden Fehlzeiten und in vielen Fällen zu einer Kündigung durch den Betroffenen.
Auch die Organisation selbst trägt Schaden: Neueinstellungen und Einarbeitungen verursachen zusätzliche Kosten, während das Betriebsklima durch Misstrauen und Unsicherheit belastet wird. Langfristig kann ein von Bossing geprägtes Arbeitsumfeld nicht nur die Motivation im Team zerstören, sondern auch den Ruf der Einrichtung schädigen.
Ursachen aus der Führungsperspektive
Bossing entsteht selten zufällig. Häufig liegen die Ursachen in Strukturen oder im Führungsverhalten:
- Machtmissbrauch: Vorgesetzte nutzen ihre Position, um Mitarbeiter zu kontrollieren oder auszugrenzen.
- Unklare Strukturen: Fehlende Zuständigkeiten erleichtern gezielte Schikanen.
- Führungsdefizite: Mangelnde soziale Kompetenz, unzureichende Kommunikation und fehlende Empathie begünstigen Konflikte.
- Leistungsdruck: Hohe Anforderungen verleiten dazu, unfaire Mittel einzusetzen.
- Geringe Sensibilisierung: Ohne Schulung werden psychische Belastungen häufig nicht erkannt oder verharmlost.
Oft wirken mehrere dieser Faktoren zusammen und verstärken sich gegenseitig.
Verantwortung der Arbeitgeber: Rechtlicher und ethischer Rahmen
Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor psychischer Belastung und Benachteiligung zu schützen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet Unternehmen, gegen Diskriminierung und Mobbing vorzugehen. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) fordert die systematische Erfassung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz und geeignete Gegenmaßnahmen.
Zusätzlich ergeben sich Fürsorgepflichten aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Bei Verstößen drohen Schadensersatzforderungen und Bußgelder von bis zu 25.000 Euro. Arbeitgeber sind daher nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch gefordert, frühzeitig aktiv zu werden.
Prävention: Bossing vermeiden, bevor es entsteht
Um Bossing wirksam vorzubeugen, reicht es nicht, nur im Einzelfall zu reagieren. Entscheidend ist ein vorausschauender Ansatz, der Strukturen stärkt und eine gesunde Führungskultur fördert. Arbeitgeber sollten daher sowohl die organisatorischen Rahmenbedingungen als auch das Führungsverhalten kontinuierlich überprüfen und verbessern. Prävention bedeutet, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Schikanen gar nicht erst Raum greifen können.

Unternehmenskultur stärken
Eine wertschätzende Unternehmenskultur mit klarer Kommunikation, Respekt und Fairness reduziert das Risiko von Bossing deutlich. Regelmäßiges Feedback, transparente Entscheidungsprozesse und Teambuilding-Maßnahmen fördern Vertrauen und Zusammenarbeit.
Führungskräfte schulen
Trainings zu gesundem Führungsverhalten und externer Coaching-Support helfen, Defizite zu erkennen und abzubauen. Sensibilisierung für psychische Belastungen ist ein wesentlicher Schlüssel, um Bossing gar nicht erst entstehen zu lassen.
Strukturen zur Früherkennung
Befragungen, Evaluierungen und interne Meldestellen ermöglichen es, Probleme frühzeitig zu erkennen. Nur so kann die Organisation rechtzeitig gegensteuern.
Vorgehen bei gemeldeten Fällen
Arbeitgeber sollten klare Richtlinien gegen Bossing festlegen und neutrale, vertrauliche Beschwerdewege einrichten. Beschwerden müssen dokumentiert und sorgfältig geprüft werden. Bei bestätigten Vorfällen ist stufenweise vorzugehen – von Gesprächen und Abmahnungen über Versetzungen bis hin zur Kündigung bei schwerwiegendem Fehlverhalten.
Nachhaltige Maßnahmen und Monitoring
Eine nachhaltige Verbesserung erfordert kontinuierliches Monitoring. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen, Programme zur Gesundheitsförderung und fortlaufende Schulungen für Führungskräfte sind wichtige Bausteine, um eine respektvolle und gesunde Arbeitsumgebung zu sichern.
Fazit
Bossing ist im Gesundheitswesen ein ernstes Risiko – für die Gesundheit der Mitarbeiter ebenso wie für die Organisation. Nur durch klare Prävention, entschlossenes Handeln bei Vorfällen und eine dauerhaft gelebte Unternehmenskultur lässt sich ein Umfeld schaffen, das Respekt und Fairness in den Mittelpunkt stellt.










