Isabel Scharrer, Ärztin aus Deutschland, war nach dem Medizinstudium während eines Volontariats in Griechenland und Nepal. Über ihren Aufenthalt in Griechenland berichten wir hier. In dem folgenden Erfahrungsbericht gibt sie uns Einblick in den Arbeitsalltag in einem Krankenhaus in Nepal:
Ich habe das Krankenhaus über eine deutsche Webseite namens “Gossner Mission” ausfindig gemacht und sofort kontaktiert. Zu meinem Glück willigte der Krankenhauskoordinator ein und ich packte meinen Rucksack und startete nach Nepal. In Kathmandu angekommen musste ich erstmals eine 24-stündige Busfahrt hinter mich bringen, bis in das Rukum Distrikt im Westen Nepals, um zum Chaurjahari Krankenhaus zu kommen.
Nach der Busfahrt wanderte ich für eine halbe Stunde, da der Ort, teils, nur zu Fuß erreichbar ist. Dort angekommen wurde ich sehr herzlich begrüßt und erstmals in mein Zimmer gebracht, das genau gegenüber vom Krankenhaus liegt.
Ich teile das Haus mit den nepalesischen Ärzten, sowie anderen Volontären. Wir sind im Juni, es ist also sehr heiß in der Gegend und natürlich gibt es einen Luxus wie eine Klimaanlage nicht; ich habe noch nicht einmal einen Ventilator in meinem Zimmer. Jedoch habe wir den Luxus eine Hausfrau zu haben, die für uns putzt und drei mal am Tag kocht.
Um neun Uhr morgens, trifft sich das Krankenhauspersonal zur Morgenbesprechung. Da es ein christliches Krankenhaus ist, starten wir den Tag mit Gesang und Gitarrenspiel, gefolgt von Gebeten und vorgelesenen Bibelversen. Wirklich ein hervorragender Weg den Morgen zu starten – so positiv!
Danach gehen wir von Abteilung zu Abteilung, die ziemlich leer zu sein scheinen, was daran liegt, dass Erntezeit ist und die meisten Menschen sich gegen einen Krankenhausbesuch entscheiden, denn dieser würde einen Ernteverlust für sie bedeuten.
Das ist eher eine seltene Situation, denn manchmal ist das Krankenhaus so voll, dass die Menschen in den Gängen oder sogar draußen schlafen müssen.
Als wir mit der Besprechung fertig sind, mache ich eine Krankenhaustour mit einem Arzt. Das Chaujahari Krankenhaus ist mit 40 Betten das größte Krankenhaus in den sieben Bezirken in der Gegend. Es besteht aus drei Hauptabteilungen und zwei kleineren Abteilungen. Es gibt einen Kreißsaal, zwei Operationssäle, einen Überwachungsraum, ein Ambulatorium, eine Notaufnahme, ein Labor, einen Radiologie-Raum und auch eine Apotheke.
Es ist jetzt schon wirklich sehr heiß, da die Sonne in das offene Krankenhaus hereinscheint und obwohl wir uns in der Monsun-Saison befinden, hat es leider noch nicht geregnet. Außerdem verfügen nicht alle Räume im Krankenhaus über einen Ventilator und deshalb fällt mir die Arbeit in den ersten Tagen etwas schwer.
Die ersten Tage verbringe ich im Ambulatorium, wo ich mit dem Ultraschall von schwangeren Frauen beginne. Manche Frauen fragen mich nach dem Geschlecht ihres Babys, dass ich ihnen leider nicht sagen darf, denn es gab bereits einige Fälle, in denen die Familie sich für eine Abtreibung entschied, weil sie kein Mädchen zur Welt bringen wollten.
Nachdem ich schon einige Zeit im Krankenhaus verbracht habe und mich besser auskenne, jongliere ich zwischen den verschieden Abteilungen hin und her.
Mittags haben wir meist eine halbe Stunde bis eine Stunde Pause, aber das ist wirklich von Tag zu Tag unterschiedlich. Was mich sehr beeindruckt, ist, dass die beiden jungen Ärzte, die im Krankenhaus zusammen mit einem Rettungsassistenten und den Krankenschwestern arbeiten, wirklich alle Bereiche der Medizin abdecken. Sie müssen alle möglichen Operationen durchführen und manchmal auf Grund des mangelnden Materials kreativ werden, da so manches nicht verfügbar ist. Außerdem sind sie 24 Stunden, 7 Tage die Woche im Bereitschaftsdienst, da sie eben genau gegenüber dem Krankenhaus leben.
Mein Tag im Krankenhaus endet gegen 16 oder 17 Uhr und danach besuche ich meistens den örtlichen Basar im Dorf, erledige einige Einkäufe und gehe meinen sportlichen Aktivitäten nach.
Abends sitzen wir meist immer alle beim Abendessen zusammen, lesen die Bibel und beten für das Wohl der Patienten.
Mit dem Geld, dass das Krankenhaus an Spenden bekommt kann es sogar den Ärmsten der Ärmsten helfen, wie z.B. diesem dreizehnjährigen Mädchen das an Aszites leidet. Die Ärmsten werden auch mit Essen versorgt, dass sie aber selbst kochen müssen. Der Vater des Mädchens hat lange überlegt, ob er die dreitägige Reise ins Krankenhaus auf sich nimmt, denn er hat noch andere Kinder, ist verwitwet und hat kein Geld um die Behandlung zu bezahlen.
Oder wie z.B. diesem Jungen, der vom Baum fiel und einen offenen Bruch erlitt. Weil die Familie so arm ist, entschied sich die Mutter, zunächst nicht ins Krankenhaus zu gehen. Erst als das ganze Dorf Geld für eine Behandlung gesammelt hat, willigte sie ein. Zum Glück – wer weiß, was sonst mit dem armen Jungen passiert wäre.
Alle zwei Wochen bzw. ein Mal im Monat organisiert das Krankenhaus auch verschiedene Camps (z.B. Mutter – Kind Camp, Schwangerschaftscamp, Gesundheitscheck in der Schule, Hygiene…) in abgelegenen Orten, die man nur nach 1- 2 Tage wandern erreicht.
Ein Team von Ärzten und Krankenschwestern macht sich auf den Weg, um den Menschen, die in sehr ruralen Gebieten leben, am Besten zu helfen. Ich selbst war auch bei drei verschiedenen Camps dabei und finde es wirklich eine hervorragende Initiative, da es von enormer Wichtigkeit ist, die Menschen, die an abgelegen Orten leben über verschiedene Dinge aufzuklären wie z.B. Hygiene, Schamane, Erste Hilfe, Psychische Störungen usw., sowie auch einen Gesundheitscheck durchzuführen, um eventuelle Tragödien zu vermeiden. Denn es ist leider nicht selten, dass Menschen immer noch an einer einfachen bakteriellen Infektion versterben, da sie keinen Zugang zu Antibiotika haben.
Das Team in diesem Krankenhaus und die Zusammenarbeit, unabhängig von der Position in der Hierarchie, sorgt für ein sehr positives Arbeitsumfeld. Es ist wie eine kleine Familie, die neue Mitglieder mit offenen Armen empfängt und dir das Gefühl gibt, sehr willkommen zu sein. Für mich war es deshalb eine einmalige Erfahrung in diesem Krankenhaus mein Volontariat zu machen.