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Die Veränderung der Arbeitswelt wird auch verstärkt auf den Karrierewebseiten der Unternehmen abgebildet. Human Resources (HR) platzieren dort immer mehr Angaben zu Remote-Work, Arbeitsweise und Miteinander, Corporate Purpose, Diversity und Werten als noch vor einem Jahr, wie eine Untersuchung von NetFederation zeigt. Die Beratungsagentur analysierte branchenübergreifend die Karrierewebsites der 50 größten deutschen Konzerne und deren Präsenz auf Social Media. Die dort herauskristallisierten Fakten lassen sich genauso gut auf Arbeitgeber im Gesundheitswesen übertragen.
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Dies ist Grund genug für Arbeitgeber im Gesundheitswesen, die dort relevanten Themen künftig in ihre eigene Online-Präsenz und den Anwerbeprozess für neue Mitarbeitende mit einzubeziehen. Wir haben uns daher die aktuellen Trends moderner Karrierewebsites angesehen und beleuchten hier, was das für Kliniken bedeutet.
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Jahr 2022: Trends in Zahlen
Hier die wichtigsten Trends moderner Karrierewebsites des Jahres 2022 in Zahlen mit dem jeweiligen Vergleich zum Vorjahr:
- 98 Prozent der Karrierewebseiten erwähnen das Thema „Diversity“. 2021 waren es 94 Prozent.
- 94 Prozent beschreiben die Arbeitsweise und das Miteinander. Für 2021 gibt es keine vergleichskräftigen Zahlen.
- 76 Prozent der untersuchten Arbeitgeber machen auf ihrer jeweiligen Karrierewebseite Angaben zu Remote-Work oder Homeoffice. 2021 waren es 66 Prozent.
- 80 Prozent stellen Informationen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bereit. 2021 waren es 64 Prozent.
- Besonders zugenommen hat die Erwähnung des Digitalisierungsstandes im jeweiligen Unternehmen: Im Jahr 2021 fanden Bewerbende auf 52 Prozent der Bewerbungswebseiten Angaben zur Digitalisierung, nun liefern 82 Prozent Informationen darüber.
Remote-Work und Homeoffice
Remote-Work und Homeoffice klingen zunächst so, als könnte man sie in Kliniken – außer für die Verwaltung – gar nicht anbieten. Das stimmt aber so nicht (immer): Viele Tätigkeiten sind auch in der Pflege und Medizin computergebunden, sei es das Schreiben oder Diktieren von Arztbriefen, das Führen der Patientenkurven o.ä.
Oftmals werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „Homeoffice“ und „Remote-Work“ synonym verwendet. Dies ist jedoch nicht korrekt. Speziell im Krankenhaus-Rahmen sollten zwei Punkte unbedingt unterschieden werden.
- Regelmäßigkeit: Nach der gesetzlichen Definition in § 2h Abs. 1 AVRAG liegt Homeoffice dann vor, wenn der/die Arbeitnehmer/in seine/ihre Arbeitsleistungen regelmäßig in der eigenen Wohnung erbringt. In diesem Zusammenhang wird somit eine gewisse Regelmäßigkeit gefordert, welche bei Remote-Work nicht erforderlich ist. Dies ist unter diesem Gesichtspunkt für Kliniken tatsächlich nur für Verwaltungsjobs möglich.
- Wohnung vs. Café o.ä.: Die Arbeit im Homeoffice wird nach § 2h Abs 1 AVRAG in einer Privatwohnung verrichtet. Dies kann die eigene Wohnung des/-r Arbeitnehmers/-in, der Zweitwohnsitz, die Wohnung des/der Partners/-in, der Eltern usw. sein. Wird die Arbeit aber z.B. im Café gegenüber dem Krankenhaus verrichtet, handelt es sich um Remote-Work. Dies kann insofern auch für Ärzte/-innen und Pflegepersonal in Frage kommen, wenn das Café (oder Stadtpark, Bücherei etc.) nicht weit vom Klinikum entfernt und man mit einem Diensthandy stets kurzfristig erreichbar ist.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Die Mehrheit der Eltern möchte Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können. Dazu sind vor allem familienfreundliche Arbeitgeber im Gesundheitswesen sowie Angebote zur Kinderbetreuung wichtig. Krankenhäuser haben hier einen deutlichen Vorteil gegenüber Facharztpraxen, denn sie können ggf. Klinik-Kindergärten, Nachmittagsaufsichten oder Hausaufgabenbetreuung einrichten. Außerdem haben sie aufgrund der breiteren Personaldeckung deutlich mehr zeitlichen Spielraum für die Berücksichtigung elterlicher Wünsche.
Familienfreundlichkeit rechnet sich speziell für Kliniken durch die dadurch entstehende langfristige Bindung qualifizierter Ärzte/-innen und Pflegekräfte. Das eröffnet deutliche Vorteile beim Wettbewerb um die besten medizinischen Fachkräfte: Wenn z.B. die Hebamme ihre Kinder unkompliziert im Betriebskindergarten betreuen lassen kann, wird sie kaum zu einer Klinik ohne dieses verlockende Angebot wechseln.
Kliniken punkten darüber hinaus mit familienfreundlichen Arbeitszeiten, denn für die Arbeitnehmer/innen ist die Frage der Alltagsorganisation oft wichtiger als ein hohes Gehalt oder besonders viel Urlaub. Nicht zuletzt können Arbeitgeber im Gesundheitswesen hier auch mit Unterstützung durch Elternzeit und Elterngeld punkten.
Diversity
Diversity bzw. Diversität am Arbeitsplatz ist – richtig eingesetzt – ein großer Vorteil für den Unternehmenserfolg und sollte daher wesentlicher Bestandteil nachhaltig erfolgreicher Klinikführung werden. Dabei sollte man allerdings beachten, dass man bei der Personalauswahl die fachlichen Qualifikationen nicht zugunsten der Herkunft, Abstammung, Nationalität, Sexualität etc. unter den Tisch fallen lässt. Die „bunteste“ Personalzusammensetzung bringt keiner Klinik etwas, wenn dadurch die medizinische Kompetenz leidet.
Diversity Management innerhalb des Klinikums ist – unter primärer Berücksichtigung der Qualitätskriterien – aber nicht nur gut fürs öffentliche Image, sondern bringt auch viele Vorteile:
- Diversity macht zufrieden, produktiv und stärkt die Verbundenheit und Arbeitsmoral. Zudem steigert sie das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden zur Klinik und bindet begehrtes Fachpersonal langfristig.
- In einem diversen Team arbeitet es sich besser, denn wer er/sie selbst sein kann, schöpft sein/ihr volles Potenzial aus. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Denkweisen, Erfahrungen, Kompetenzen, Hintergründe und kultureller Prägungen fördert die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Speziell zugezogene Pflegekräfte können eine enorme Bereicherung für Pflegeteams sein, v.a. im Umgang mit Patienten/-innen mit Migrationshintergrund.
- Diversität steigert die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit in Kliniken mit eingegliederter Forschungseinrichtung. Eine diverse Belegschaft entwickelt nämlich innovativere Lösungen und beflügelt somit Forschung und Entwicklung durch vielfältigeren Input.
- 73 Prozent aller Mitarbeitenden und Bewerber/innen legen bei der Suche nach einem neuen Job großen Wert auf Vielfalt in einem Unternehmen (Quelle: Diversity Studie, Page Group, 2017). Erfolgreiches Diversity Management steigert also die Attraktivität der Klinik vor allem in Zeiten des medizinischen Fachkräftemangels.
Arbeitsweise und Miteinander
Motivationstrainer Steffen Kirchner prägte die Aussage: „Menschen, die miteinander arbeiten, addieren ihre Potenziale. Menschen, die füreinander arbeiten, multiplizieren ihre Potenziale.“ Dies kommt Kliniken und Praxen zugute, wenn die Arbeitsweise ein entsprechendes Miteinander zulässt. Kaum ein anderer Faktor beeinflusst den Heilungserfolg so sehr, wie die intensive Zusammenarbeit von Ärzten/-innen, Therapeuten/-innen und Pflegekräften auf Station und mit der Klinikleitung hinter den Kulissen. Stimmt der Faktor Zusammenarbeit nicht, können dies auch modernste medizinische Behandlungen nicht ausgleichen. Denn wenn die Kommunikation fehlt, werden Patienten/-innen nie vollumfänglich behandelt.
Diese Fragestellungen und Faktoren beeinflussen Arbeitsweise und Miteinander in Kliniken und Facharztpraxen:
- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Mitglieder des Pflege-/Arztteams? Autoritär, teamorientiert, angeleitet, kooperativ, führungslos?
- Werden Aufgaben streng verteilt, jedes Mitglied verrichtet seine/ihre medizinischen Aufgaben und zum Schluss wird „gehofft“, dass der/die Patient/in gesund ist?
- Wird gemeinsam im Team entschieden, wer welche Aufgabe übernimmt und haben alle ein Mitsprache- und Inputrecht?
- Dürfen Pflegekräfte die Ärzteschaft auf Fehler hinweisen? Verhält sich die Ärzteschaft gegenüber den Pflegekräften „elitär“?
- Arbeiten alle gemeinsam auf das Endergebnis, sprich die Gesundheit der Patienten/-innen, hin oder macht jeder nur „seinen Job“?
Werte
Werte helfen sowohl Klinik-Mitarbeitenden als auch der Verwaltung dabei, die Prioritäten sowohl bei der Arbeit als auch im Leben zu finden. Jemand wird z.B. seine Arbeit dann als befriedigend empfinden, wenn medizinische Entscheidungen, professionelles Verhalten und Führungsstil den eigenen Werten entsprechen. Auf der anderen Seite wird man wiederum immer das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, wenn Dinge auf Station nicht mit den persönlichen Werten übereinstimmen. Deshalb ist es speziell für Kliniken wichtig, einen Wertekanon zu entwickeln und den Führungsstil sowie die einzelnen Stationen und Teams danach auszurichten.
Beispiele für Werte in Kliniken und Facharztpraxen sind u.a. Respekt, Offenheit, Unabhängigkeit, Familienorientierung, Gesundheit, Mitgefühl, Freundlichkeit, Vertrauen, Professionalität und Genauigkeit. Diese verschiedenen Werte beeinflussen die Arbeit in medizinischen Einrichtungen positiv. Wenn z.B. Genauigkeit ein hoher Wert für die Praxis ist, wird das Personal bei allen Messwerten und Tätigkeiten auf professionelle Genauigkeit achten und akkuratere Ergebnisse produzieren. Wird wiederum großer Wert auf Familienorientierung gelegt, wird es z.B. nicht zu Streitigkeiten kommen, wenn die Mitarbeitenden mit Kindern zuerst ihren Urlaub einreichen dürfen und die Kinderlosen erst danach.
Auch der Sinn der Arbeit wird höher bewertet, wenn das Pflegepersonal den Wert der Gesundheit schätzt, nicht nur für Patienten/-innen, sondern auch untereinander: Dann können v.a. überlastete Mitarbeitende vorzeitig aufgefangen, entlastet und in der Arbeit behalten werden, statt sehenden Auges auf eine Burnout-Erkrankung zuzusteuern.
Digitalisierung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichte in seinem Digitalisierungsmonitor einige interessante Fakten: Demnach werden z.B. Führungskräfte deutlich häufiger von ihrem Arbeitgeber mit mobilen Endgeräten (sprich: Diensthandys und Laptops) ausgestattet als Beschäftigte ohne Führungsverantwortung. Fast 80 Prozent der Beschäftigten sehen aufgrund technologischer Veränderungen die Notwendigkeit, die eigenen Fähigkeiten ständig weiterzuentwickeln. 65 Prozent nehmen wiederum durch die zunehmende Digitalisierung eine Verdichtung der Arbeit wahr und mehr als die Hälfte der Befragten bemerkte dadurch eine Steigerung der eigenen Produktivität.
Die zunehmende Digitalisierung bietet aber auch Risiken, z.B. eine empfundene Abwertung menschlicher Arbeit. Tatsächlich macht intelligente Software menschliche Arbeit in einigen Bereichen überflüssig oder wertet sie zumindest finanziell ab; dies trifft jedoch (noch) nicht für den medizinischen Bereich zu. Vor allem Ärzte/-innen mit Diensthandys berichten jedoch vermehrt von stressbedingten Erkrankungen durch ständige Erreichbarkeit. Arbeitnehmer/innen, die ständig erreichbar sind und immer neue Aufgaben übernehmen müssen, leiden quer durch alle beruflichen Sparten unter steigender Arbeitsbelastung. Die Folge sind zunehmende stressbedingte Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen, welche im medizinischen Bereich durch den Fachkräftemangel noch zusätzlich angeheizt werden. Viele Mediziner/innen können durch den steigenden Druck nicht mehr von der Arbeit abschalten und denken auch in ihrer Freizeit nur noch an den Job.
Digitalisierung im Gesundheitswesen ist also ein zweischneidiges Schwert: Das Endziel sollte daher keine Digitalisierung im Krankenhaus „um jeden Preis“ sein, sondern ein gezielter und bedachter Einsatz von digitaler Technik zur Entlastung von Arbeitsabläufen und Personal. Es ist verführerisch, mit Diensthandys und Laptops ausgestattete Ärzte/-innen auch abends, im Urlaub und am freien Wochenende „mal nur ganz kurz“ um medizinischen Input zu bitten. Freizeit sollte jedoch ohne lebensbedrohliche Notlagen auch in einer digitalisierten Arbeitswelt unbedingt Freizeit bleiben.
Corporate Purpose
Ein immer mehr an Stellenwert gewinnender Trend ist der Corporate Purpose, also die bedachte Hinterfragung der Arbeit zur Sinnstiftung im Großzusammenhang mit dem Unternehmen und der Unternehmensphilosophie. Kliniken können und sollten sich dies besonders zunutze machen, da die außergewöhnlichen Arbeitsbelastungen im medizinischen Bereich durch Fachkräftemangel und die Zusatzbelastungen des Systems durch Covid-19 bei vielen Angestellten an den Nerven zerren. Viele Ärzte/-innen, Pflegekräfte und Therapeuten/-innen fragen sich spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie: „Warum tue ich mir das alles eigentlich an?“
Hier greift der Corporate Purpose mit Sinnstiftung der Arbeit und einer Wertschätzung des medizinischen Personals. Das Gesundheitssystem an sich wird aktuell noch als viel zu selbstverständlich wahrgenommen, gewinnt aber immer mehr an Aufmerksamkeit und Würdigung durch die breite Öffentlichkeit. Dies sollten sich Arbeitgeber im Gesundheitswesen zunutze machen und ihren Mitarbeitenden durch Corporate Purpose, ein Klinikleitbild und andere sinnstiftende Maßnahmen helfen, die größere soziale Bedeutung ihrer Arbeit zu sehen und Wertschätzung zu erfahren.
Last but not least: YouTube, TikTok etc.
Die Digital Natives haben es mittlerweile ins beschäftigungsfähige Alter geschafft und erwarten oft, dass sie bei ihrer Jobsuche dort abgeholt werden, wo sie stehen: mit beiden Füßen im Internet. Human Resources sollte sich dies zunutze machen und v.a. junges medizinisches Fachpersonal mit den aktuellen Social Media Trends „an Land ziehen“.
YouTube, TikTok, Instagram, Snapchat – all diese Plattformen sind bei vielen Kliniken und Praxen noch deutlich unterrepräsentiert, wenn es um den gezielten Einsatz bei der Suche nach Personal geht. Witzige TikToks und peppige Snaps können genauso junge Fachkräfte anlocken wie professionell produzierte YouTube-videos und durchdachte Instagram-Postings. Hier bietet sich ein endloser Rahmen für die Gewinnung von jungem, interessiertem Fachpersonal.