
Wer seine Employer Brand – auf Deutsch: Arbeitgebermarke – in den Blick nimmt, kommt nicht umhin, die Unternehmenskultur in den Blick zu nehmen und zu verändern. Dabei ist Ehrlichkeit gefordert und die Bereitschaft, sich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf einen intensiven Prozess einzulassen. Viele Arbeitgeber wollen das nicht – auch im Gesundheitsbereich. Was sich in Zeiten des Fachkräftemangels bitter rächt. Dabei ist Employer Branding auch kein Hexenwerk.
Krankenhäuser besinnen sich auf die Arbeitgebermarke. Die Rotkreuz-Kliniken in Frankfurt haben vor einigen Jahren mit der Kampagne „Teamgeist erleben“ gezeigt, wie ein Klinikum neue Wege beschreiten kann, Mitarbeiter in die Kommunikation für den Arbeitgeber einzubeziehen. Aber auch andere Kliniken oder Anbieter im Gesundheitsbereich sind um das Arbeitgeberimage bemüht: die Uniklinik RWTH Aachen, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf oder die Universitätsklink Köln arbeiten derzeit an ihrem Arbeitgeber-Auftritt, sind in den Prozess eingestiegen – um nur einiges zu nennen.
Ein Prozess, der in Zukunft überlebenswichtig werden könnte. Denn im Unterschied zu vielen anderen Branchen, wo es nach der ersten Welle der Corona-Pandemie wieder mehr Bewerber für offene Stellen gibt, hat sich im Gesundheitsbereich die Situation nicht entspannt. Im Gegenteil: Ärzte und Fachkräfte im Klinik- und Pflege-Bereich sind gesucht wie nie. „Der Fachkräftemangel hat sich durch Corona verschärft“, bestätigt Jakob Osman Chief Strategy Officer bei der Agentur Junges Herz. Employer Branding ist eine sinnvolle und wirksame Strategische Maßnahme.
Bei Martin Camphausen, Leiter Marketing und Employer Branding beim Klinikverbund Südwest, rennt er da offene Türen ein. Camphausen bringt gerade ein Buch heraus mit dem Titel „Employer Branding im Gesundheitswesen“ , das im vierten Quartal 2020 im Verlag W. Kohlhammer erscheint (siehe unten). Natürlich gebe es einen idealen Prozess, eine klassische Herangehensweise an Employer Branding – die allerdings ressourcenintensiv ist, so Camphausen. Wem dazu die Mittel fehlen, dem empfiehlt er einen einfacheren, vierstufigen Prozess, entlehnt aus dem Kommunikationsbereich. Doch eigentlich sei Employer Branding Organisationsentwicklung.
Aufbau-Prozess einer Arbeitgebermarke anhand des 4-Phasen-Modells
Phase 1 – Analyse
Wer sind wir als Arbeitgeber? Es geht um eine nüchterne Bestandsaufnahme. Auch Junges-Herz-Stratege Osmann empfiehlt, sich zu Beginn das Unternehmen und seine gelebte Kultur offen und ehrlich anzusehen. Wofür steht die Klinik, welche Werte sind wichtig – und auch im Alltag spürbar? Entscheidend für den Erfolg ist es dabei, auch die Mitarbeiter mitzunehmen, zu befragen, in den Prozess einzubeziehen, mahnt Osmann. Ein weiterer wichtiger Teil dieser Phase: Gibt es Botschaften, die zum Unternehmen passen? Wichtig: Es geht um Kultur, nicht um Marketing. Denn eines sollte jedem klar sein: Botschaften, die nicht von der Realität gedeckt sind, die nicht zum Unternehmen passen, „kauft“ niemand „ab“. Extern nicht – und intern schon gar nicht.
Phase 2 – Strategie
Am Ende sollte laut Camphausen das Ziel darin bestehen, eine Mitarbeiter-orientierte Personalpolitik aufzubauen. Darum empfiehlt er auch, diese Phase „bottom-up“ aufzubauen, das heißt: Mitarbeiter immer einzubeziehen. Auf Basis der Analyse in Phase 1 entsteht ein Arbeitgebermarkenversprechen, die so genannte Employer Value Proposition (EVP). Welche Werte, welche Arbeitskultur bietet ein Unternehmen seinen Mitarbeitern? Was unterscheidet ihn von Wettbewerbern? Die so genannte EVP ist insofern zentral, weil sie im nächsten Schritt in Maßnahmen und die Kommunikation umgesetzt werden muss. Das reicht von der Gestaltung der Website und von Stellenanzeigen bis hin zum Pausenraum.
Phase 3 – Umsetzung
Es einfach tun, könnte man sagen. „Hier geht es darum, das Arbeitgebermarkenversprechen (EVP) konsequent in alle Richtungen zu spielen und die besondere Geschichte, die jeder Arbeitgeber zu erzählen hat bzw. zu erzählen haben sollte, in allen zweckmäßigen Medien und Kanälen zu erzählen“, schreibt Camphausen in seinem Buch. Wichtig ist für die Umsetzung die Storyline, die idealerweise bereits aufbauend auf die EVP erarbeitet wurde. Entscheidend für den Erfolg ist, auch die Mitarbeiter – und zwar alle – als Markenbotschafter zu verstehen, die unter anderem dazu beitragen (können) ob und wie eine Arbeitgebermarke über Social Media aufgebaut wird und an Relevanz gewinnt – positiv wie negativ.
Phase 4 – Controlling
Anzahl der Bewerbungen oder Initiativ-Bewerbungen, Time to Hire, Clickrate oder Conversion Rate, Cost per Click oder Cost per Hire – das sind nur einige der Kennziffern, mit denen sich am Ende der Erfolg von Employer Branding oder einzelnen Kampagnen bemessen lässt. Dafür ist es wichtig, noch vor der Strategie-Entwicklung die Ziele genau in den Blick zu nehmen und gleich mit messbaren Erfolgskriterien zu hinterlegen. Hilfreich kann dabei die Erstellung eines Zielkreuzes zum Beispiel nach der Coverdale-Methode sein. Harte Kennziffern allein werden am Ende nicht genügen. Sie sollten ergänzt werden durch inhaltliches Monitoring der Social-Media-Posts zum Unternehmen und durch Beobachtung von Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor.
Der Teufel steckt im Detail
Warum Employer Branding Projekte am Ende scheitern, kann viele Gründe haben. „Es ist oft keine Geldfrage“, sagt Jakob Osmann von Junges Herz. Es sind unbequeme Themen – etwa, wenn Führungskräfte sich nicht der Realität einer komplett verkorksten Unternehmenskultur stellen wollen. Das grundlegende Problem: Wer sein Employer Branding strategisch ausrichten möchte, setzt in der Regel einen Change-Prozess im Unternehmen in Gang. Auf Deutsch: Prozesse, die Kultur der Zusammenarbeit, der Umgang zwischen Arbeitnehmern und Führungskräften – vieles ändert sich. Und das müsse vom Management und allen gewollt sein, so Osmann.
Ein anderes Hindernis: „Viele Arbeitgeber scheuen den aufwändigen Prozess, der bei komplexen Organisationen schonmal ein paar Jahre dauern kann“, so Camphausen. Diese stürzten sich dann schnell auf aktuelle Erfordernisse wie das Recruiting – „wo der Kittel brennt“. Ein Fehler, wie Camphausen sagt. „Insbesondere in Zeiten andauernder Veränderungen kommt der Unternehmenskultur als Bindeglied eine besondere Bedeutung zu. Verknappt lässt sich die Aussage treffen: Die Kultur macht den Unterschied“, schreibt er in seinem Buch. Für manchen Arbeitgeber im Gesundheitswesen bewahrheitet sich dieser Satz in der aktuellen Krise schmerzlich.
Employer Branding im Gesundheitswesen – das Buch
Das Autorenverzeichnis klingt wie in Line-up des Who-is-who im Bereich Employer Branding und Personalmarketing. Neben Martin Camphausen als Herausgeber liefern Autoren wie Christoph Athanas (metaHR), Joachim Diercks (Cyquest), Robindro Ullah (Trendence), Jörg Buckmann (Frechmut) oder Simon Zicholl (Westpress) – um nur einige zu nennen. Das Buch liefert auf 250 Seiten Know-how für alles Aspekte des Employer Brandings: von den theoretischen Grundlagen über Teilaspekte wie Personalmarketing-Maßnahmen, Candidate Centricity oder Recruiting-Ansätze bis hin zu praktischen Beispielen und Einblicken in die Employer-Branding-Projekte von einzelnen Unternehmen. Es geht dabei auch ausführlich auf die Besonderheiten für den Gesundheitsbereich ein, in dem Themen wie Kultur und Miteinander eine besondere Rolle spielen. Es soll im vierten Quartal 2020 für 39,00 Euro im W. Kohlhammerverlag erscheinen.