Fehler zu machen, ist menschlich. Davon sind Ärzte/-innen nicht ausgeschlossen. Unterläuft ihnen ein Behandlungsfehler, kann dies zu schwerwiegenden bis hin zu lebensbedrohlichen oder sogar tödlichen Folgen für ihre Patienten/-innen führen. Ärzte/-innen haben deshalb häufig mit diesen zu kämpfen, seien sie noch so „geringfügig“. Sie durchleben eine Krise, aus der oftmals nur schwer von selbst wieder herauszukommen ist. Damit Ärzte/-innen nicht in diese Negativ-Spirale gelangen und aus ihren Fehlern lernen, sollten sie einige Tipps beachten.
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Behandlungsfehler sind selten
Zwei Drittel der gesamten Ärzteschaft sollen in der Vergangenheit mit Behandlungsfehlern konfrontiert gewesen sein. Das hört sich viel an, aber gemessen an dem Patientenaufkommen bewegen sich diese „nur“ im Promillebereich, wie Dr. Andreas Crusius, der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer bekannt gibt. In den letzten zehn Jahren erhöhten sich die ambulanten Behandlungszahlen um mehr als 500 Millionen und in Krankenhäusern um über 2.5 Millionen auf knapp 20 Millionen. Zusammen macht dies über eine Milliarde Behandlungen pro Jahr.
Dennoch sei dies laut Dr. Crusius keine Bagatelle, sondern jeder Arztfehler ist bereits einer zu viel. Damit die Zahl weiter sinkt, sollten Ärzte/-innen aus Behandlungsfehlern lernen.
Wenn Ärzte/-innen zum „zweiten Opfer“ werden
Prof. Dr. Reinhard Strametz sprach im Mai 2022 auf dem 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. darüber, wie Ärzte/-innen auf Behandlungsfehler häufig reagieren und damit unbewusst zum Opfer ihres Selbst werden. Schlafstörungen, Depressionen, Verlust des Selbstvertrauens sowie ihrer beruflichen Qualifikationen, Schuldgefühle und innere Unruhe durch ständiges gedankliches „Durchspielen“ der Situation sind nur einige Beispiele für eine mögliche Krise nach Behandlungsfehlern. Auch Medikamenten- und Alkoholabhängigkeiten sind keine Seltenheit. Dies beeinflusst die medizinische Leistungsfähigkeit negativ, was die Fehleranfälligkeit erhöht.
Aus Behandlungsfehlern lernen anstatt Schuldzuweisungen
Kommt es zu Behandlungsfehlern, sollte man den Fokus auf dem Umgang damit legen. Anstelle von Schuldzuweisungen können Kollegen, Vorgesetzte und das medizinische Team dazu beitragen, daraus zu lernen.
Aus der Situation raus
Betroffene Mediziner/-innen sollten kurzfristig eine Auszeit in Form von einigen Urlaubstagen in Anspruch nehmen. Selbst bei Personalmangel ist es wichtig, dass sie aus der Situation und dem Ort des Geschehens rauskommen, um im Idealfall keine Ängste sowie Zweifel bei einer direkt im Anschluss folgenden Behandlung aufkommen zu lassen. Das könnte nämlich deutlich mehr Fehltage zur Folge haben. Besser für einen Lerneffekt ist es, kurz zur Ruhe kommen zu können, um sich dann damit aktiv auseinanderzusetzen und dem Lernprozess hinzugeben.
Reden statt Schweigen
Behandlungsfehler sollten nicht totgeschwiegen werden, sondern das Kollegium sollte das Gespräch suchen. Hierbei ist auf eine empathische und rücksichtsvolle Art ohne Schuldzuweisungen oder Vorhaltungen zu achten, um dem Betroffenen zu vermitteln, dass er nicht allein ist und die Kollegen nicht urteilen. Das kann dem Verlust des Selbstvertrauens vorbeugen, die mentale Stärke fördern und Zweifel an der Fachkompetenz mindern. Das Gesprächsangebot sollte langfristig bestehen bleiben und regelmäßig erfolgen.
Schweigen ist insbesondere dann angebracht, wenn es um Lästereien, Vorwürfe und gegebenenfalls Mobbing geht. Betroffene Ärzte/-innen ziehen sich in der Folge meist in eine Isolation zurück. Zu den Selbstzweifeln und der Kompetenz-Unsicherheit fühlen sie sich zusätzlich stark unwohl und geächtet, was weitere Behandlungsfehler begünstigen würde.
Fachliche Unterstützung
Damit Betroffene mit der Situation besser umgehen und weiterhin sicher sowie kompetent Behandlungen weiterführen können, sind Unterstützungsangebote von Kollegen/-innen und Vorgesetzten wertvoll. Sollte sich nach Behandlungsfehlern Unsicherheit breit machen, können betroffene Ärzte/-innen dadurch schneller lernen, wieder wie gewohnt selbstständig sowie selbstsicher zu agieren. Das ist für fehlerfreie Behandlungen notwendig.
Hierbei sollten Kollegen/-innen und Vorgesetzte auch entsprechend professionell reagieren, wenn nach Hilfe gefragt wird. Dies ist kein Zeichen von Schwäche oder Inkompetenz, sondern zeigt den Willen, Patienten die bestmögliche Behandlung zuteilwerden zu lassen.
Gefühle und Ängste zulassen
Gedanken und Emotionen kontrollieren und wortlos übergehen zu wollen, ist bekannterweise keine empfehlenswerte Lösung für Probleme und Sorgen. Das Motto heißt: lernen, diese zu- und herauszulassen! Das befreit, reduziert den inneren Druck und schafft die Basis für die Rückkehr in einen normalen Arbeitsalltag.
Im Gespräch bleiben
Auch, wenn Fehler einer Behandlung als überwunden eingeschätzt werden, so können Betroffene noch Monate und Jahre später traumatisiert auf eventuell folgende Belastungssituationen reagieren. Deshalb ist es wichtig, effektive Nachbesprechungen von Behandlungen prinzipiell als Routine in den Arbeitsalltag zu integrieren, wenn sie als belastend wahrgenommen werden. Das beugt einem psychischen Rückfall vor und vermittelt betroffenen Ärzte/-innen mehr Sicherheit. Aber vor allem lassen sich dadurch weitere Behandlungsfehler vermeiden.
In Fehleranalysen einbeziehen
Ärzte/-innen können nur aus begangenen Fehlern lernen, wenn sie in die Fehleranalyse einbezogen werden. Sie sollten wissen, warum und wie es dazu kam, was übersehen oder falsch interpretiert wurde und ob eventuell Einflüsse oder von außen wirkenden Umständen dazu führten. Erst wenn Betroffene die Ursachen kennen, können diese im weiteren Behandlungsalltag Berücksichtigung finden. Falls keine aktive Beteiligung an einer Fehleranalyse möglich ist, sollten Betroffene zumindest über die Ergebnisse informiert werden.