
Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie kann mitunter eine große Herausforderung sein – gerade für Ärzte/-innen. Wie man Karriere macht und sich dabei eine ausgewogene Work-Life-Balance bewahrt, darüber spricht Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin der Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum in Berlin, im Interview mit praktischArzt.
Frau Prof. Dr. Mangler, Sie arbeiten als Chefärztin, sind Autorin, haben einen eigenen Podcast und sind fünffache Mutter. Wie schaffen Sie es, den Erwartungen, die von allen Seiten an Sie gestellt werden, gerecht zu werden und sich selbst dabei nicht zu vernachlässigen?
Ich versuche stets, den mir aufgetragenen Aufgaben und Erwartungen gerecht zu werden. Das gelingt mir mal gut und auch mal nicht so gut. Ich denke, das ist ganz normal. Jede/r für sich sollte einfach einen Weg finden, damit umzugehen und zufrieden zu sein – oder eben etwas ändern. Denn unter einer ausgewogenen Work-Life-Balance versteht ja auch jede/r etwas anderes.
Beim Thema „Frauen und Karriere“ spricht man häufig von der „Gläsernen Decke“, die es Frauen schwerer machen soll, in Führungspositionen aufzusteigen. Wie haben Sie das im Verlauf Ihrer Karriere erlebt?
Auch ich bin immer wieder an Grenzen gestoßen oder habe Karriereziele, die ich erreichen wollte, nicht erreicht. Das lag an verschiedenen Umständen oder Limitationen, die aber teilweise auch von mir selbst ausgegangen sind.
Zum Beispiel habe ich mich schon einmal gegen einen großen Karrieresprung entschieden, da damit ein Umzug einhergegangen wäre. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber bereits Familie und das hätte für uns alle einen enormen Einschnitt bedeutet, sprich Jobwechsel meines Mannes und Schulwechsel für die Kinder. In diesem Fall war das meine eigene Entscheidung. Doch viele Frauen möchten auch heutzutage noch keinen Beruf mit Führungsverantwortung annehmen, weil damit noch immer für viele private bzw. familiäre Aspekte keine Vereinbarkeit besteht. Sie müssen sich also zwischen Karriere oder Familie entscheiden. Und das finde ich schade.
Wo liegen, Ihrer Meinung nach, für Ärzte/-innen die größten Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Ich denke, über allem steht die Arbeitszeit. Berufstätige Eltern sind immer von der Frage getrieben: „Wie sind meine Kinder versorgt?“, denn nur dann können sie arbeiten.
Jede Familie hat ihre eigenen privaten Herausforderungen und eigene Bedürfnisse und es gilt für die Arbeitgeber im Gesundheitswesen, nun die Strukturen zu schaffen, diese Bedürfnisse dauerhaft mit der Berufstätigkeit zu kombinieren.
Welche Tipps möchten Sie Kollegen/-innen geben, die eine Verbesserung der persönlichen Work-Life-Balance erreichen wollen?
Zuerst sollte man sich seiner Bedürfnisse bewusst sein bzw. werden. Es geht um die Beantwortung der Fragen: „Was brauche ich?“, „Wo will ich hin?“ und „Wie kann ich das erreichen?“. Das ist nicht einfach, aber wenn man diese Dinge weiß, kann man – ganz unabhängig von der eigenen Situation – auf seine Ziele hinarbeiten. Außerdem ist es wichtig, zu lernen, die eigenen Bedürfnisse auch durchzusetzen und sich von einem „Nein“ nicht vom Weg abbringen zu lassen.
Als Chefärztin sind Sie nicht nur als Ärztin, sondern auch als Führungskraft gefragt. Was macht für Sie gute Führung aus? Und inwiefern kann Führungsstil die Work-Life-Balance beeinflussen?
Für mich bedeutet gute Führung, nah an den Menschen dran zu sein, mit denen ich gemeinsam arbeite. So kann ich deren Bedürfnisse und ihr Stimmungsbild erkennen. Ich versuche, mitzudenken und mich auch in ihre individuelle familiäre Situation hineinzuversetzen. Ich lege Wert auf möglichst flache Hierarchien und gebe dem Team die Möglichkeit, unsere Arbeit mitzugestalten.
Sie wurden im Juni 2022 vom Berliner Senat mit dem „Frauenpreis“ ausgezeichnet. Für wie wichtig halten Sie solche Preise?
Ich setze mich für medizinische Aufklärung ein, aber auch für Geschlechtergerechtigkeit in meinem Arbeitsalltag und Umfeld. Daher freut es mich, dass mein Netzwerk und ich hier bedacht wurden.
Wenn wir uns veranschaulichen, wie männlich dominiert noch immer viele Preisträgerlisten anderer Auszeichnungen sind, so halte ich es doch für wichtig, dass es Veranstaltungen wie die Verleihung des „Frauenpreises“ gibt.
Können Sie Faktoren benennen, die in Zukunft für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Arztkarriere sorgen können?
Ich halte es für wichtig, dass dieses Thema nicht als reines Frauenthema gesehen wird. Dass die Strukturen unserer Arbeitswelt für 50 Prozent der Arbeitnehmer/innen ungerecht sind – und das ist bei uns Frauen eben der Fall –, ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Daher sollten auch Männer nicht zögern, sich prominenter dazu zu positionieren. Denn wir können als Gesellschaft nur gewinnen, wenn wir alle Teile gerecht abbilden. Dann wird sich die Work-Life-Balance vieler verbessern und unsere Familien werden gewinnen. Und das ist letztlich gut für uns alle.
Zur Person:
Prof. Dr. Mandy Mangler ist Chefärztin der Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum in Berlin. Außerdem hat sie ihren eigenen Podcast („Gyncast“), ist Autorin und ist im Jahr 2022 mit dem Berliner „Frauenpreis“ prämiert worden.