Ein Viertel aller angestellten Ärztinnen und Ärzte zieht einen Berufswechsel in Erwägung. Das zeigt der MB-Monitor 2022, die Mitgliederbefragung des Marburger Bundes. Unzufrieden sind viele der Befragten vor allem mit der steigenden Arbeitsbelastung, dem zunehmenden Personalmangel und zeitaufwendigen administrativen Aufgaben.
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Umfrage unter fast 8.500 Ärzten/-innen
Die Online-Befragung zum MB-Monitor 2022 wurde vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) im Zeitraum vom 20. Mai bis zum 19. Juni 2022 durchgeführt. Insgesamt 8.464 Ärzte/-innen nahmen teil. Knapp 90 Prozent der Befragten arbeiten im stationären Bereich in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, sechs Prozent sind in ambulanten Einrichtungen beschäftigt.
Eines der auffälligsten Ergebnisse: 25 Prozent der Befragten ziehen aktuell in Erwägung, ihre ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben. 57 Prozent beantworteten die Frage nach einem eventuellen Berufswechsel mit „nein“, 18 Prozent mit „weiß nicht“.
Hohe Belastung, zu wenig Zeit: Gründe für den Wunsch nach einem Berufswechsel
Warum zeigt sich ein Viertel der angestellten Ärzte/-innen so unzufrieden mit dem Beruf, dass sie ihn sogar aufgeben wollen? Die weiteren Umfrageergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Gründe zu: Lange Arbeitszeiten, ökonomischer Druck, die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie und die mangelnde Zeit für eine ausreichende Betreuung der Patienten und Patientinnen lässt viele Ärzte/-innen an ihrer Tätigkeit zweifeln.
Die Gründe im Überblick:
Lange Wochenarbeitszeiten und viele Überstunden eine Ursache für den Wunsch nach einem Berufswechsel
Der MB-Monitor 2022 zeigt, dass eine große Diskrepanz zwischen der gewünschten Arbeitszeit von Ärzten/-innen und den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden besteht. So wünschen sich 39 Prozent der Befragten eine Wochenarbeitszeit von 30 bis 39 Stunden, 42 Prozent würden gerne 40 bis 48 Stunden pro Woche arbeiten. Tatsächlich kommt ein Fünftel der Ärzte/-innen auf eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 Stunden und mehr, einschließlich aller Wochenend- und Nachtdienste sowie Überstunden. 37 Prozent arbeiten zwischen 49 und 59 Stunden pro Woche.
Die Zahl der Überstunden liegt im Durchschnitt bei 6,2 pro Woche. Rund ein Fünftel der angestellten Ärzte/-innen (19 Prozent) leistet wöchentlich sogar bis zu 19 Überstunden. Ein Viertel der Befragten erhält die Überstunden vergütet, 49 Prozent erhalten einen Freizeitausgleich, 26 Prozent müssen auf jegliche Überstundenvergütung verzichten.
Die Unzufriedenheit mit den Arbeitszeiten zeigt sich auch im wachsenden Anteil an Teilzeitarbeitskräften. Von 26 Prozent im Jahr 2019 stieg der Teilzeitanteil auf 31 Prozent im Jahr 2022.
Höhere Arbeitsbelastung durch Stellenabbau
34 Prozent der befragten Ärzte/-innen berichten, dass ihr Arbeitgeber in den zurückliegenden zwei Jahren ärztliche Stellen abgebaut hat. Nur rund ein Drittel der Befragten beurteilen die personelle Besetzung in ihrer Einrichtung als „gut“, insgesamt zwei Drittel bezeichnen sie als „eher schlecht“ (46 Prozent) oder „schlecht“ (20 Prozent).
Private Krankenhäuser schneiden in dieser Kategorie schlechter ab als andere Träger: 51 Prozent der Befragten aus privaten Häusern bewerten die personelle Besetzung als „eher schlecht“, 27 Prozent als „schlecht“.
Hoher bürokratischer Aufwand
Viele angestellte Ärzte/-innen beklagen zudem, dass ihnen aufgrund administrativer Tätigkeiten die Zeit für eine angemessene Betreuung von Patienten und Patientinnen fehlt. Im Mittel verbringen die Befragten drei Stunden am Tag mit Verwaltungstätigkeiten wie der Datenerfassung und Dokumentation. 32 Prozent der Ärzte/-innen geben sogar an, sich mindestens vier Stunden täglich mit administrativen Aufgaben zu beschäftigen.
Berufswechsel: Zwei Drittel sind unzufrieden mit der IT-Ausstattung
Eine gute IT-Ausstattung kann Ärzte/-innen bei ihren administrativen Aufgaben entlasten. Zwei Drittel der Befragten äußern sich jedoch „eher unzufrieden“ (42 Prozent) oder „unzufrieden“ (24 Prozent) mit der IT-Ausstattung in ihrer Einrichtung. Nur ein Drittel gibt an, „zufrieden“ (31 Prozent) oder sogar „sehr zufrieden“ (drei Prozent) zu sein.
Die Unzufriedenheit lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass ärztliche Anforderungen bei der Anschaffung neuer Software nur selten berücksichtigt werden. Das sagen 45 Prozent der Befragten. Die Folge ist Mehrarbeit: 50 Prozent der Ärzte/-innen kritisieren, dass sie „gelegentlich“ identische Daten mehrfach eingeben müssen. Bei 32 Prozent der Befragten kommt dies „häufig“ vor. Regelmäßige Schulungen für IT-gestützte Arbeitsabläufe erhalten nur 18 Prozent der Befragten. 74 Prozent verneinen diese Frage, acht Prozent antworten mit „weiß nicht“.