Wenn ein/e Patient/in einen Arzttermin versäumt bzw. diesen nicht frühzeitig absagt, ...

Mitspracherecht in medizinischen Entscheidungen? Seit 2001 fördert das Bundesministerium für Gesundheit den Förderschwerpunkt „Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“. Derweil nimmt das Modell Shared Decision-Making (SDM) einen hohen Stellenwert in Deutschland ein. Was genau ist Shared Decision-Making? Und welche Erfolgschancen birgt das Modell? Wissenswertes zum Thema hier zum Nachlesen.
Shared Decision-Making (SDM): Was ist Shared Decision-Making (SDM)?
Das Modell Shared Decision-Making (SDM) ist eine Form der Kommunikation zwischen Arzt und Patient, die zu einer gemeinsamen Entscheidungsfindung im Hinblick auf Präventionsmöglichkeiten oder Therapieansätze führen soll. In einem Dialog auf Augenhöhe kommt es zum Austausch von Informationen, sodass eine Entscheidung über das weitere Procedere gemeinsam und gleichberechtigt getroffen werden kann – sowohl der Arzt als auch der Patient stellen und beantworten Fragen.
Das Programm, das am Campus Kiel des Universitätsklinikums in Schleswig-Holstein entwickelt worden ist, wird nun seit mehreren Jahren von Klinikärzten erprobt und angewendet. Die finanziellen Mittel hierfür fließen aus Innovationsfonds. Für den Begriff Shared Decision-Making (SDM) verwendet man im deutschen Sprachgebrauch auch den Begriff „Partizipative Entscheidungsfindung“ (PEF).
Shared Decision-Making (SDM): Wann ist Shared Decision-Making (SDM) angebracht?
Das Modell Shared Decision-Making (SDM) sei immer dann zu empfehlen, wenn mehrere Behandlungsmöglichkeiten existieren und medizinisch vertretbar sind. Der Psychologe und Leiter des Programms, Professor Friedemann Geiger, teilte hierzu mit: „Einerseits muss der Arzt dabei verständlich über die Vor- und Nachteile der Optionen informieren. Anderseits müsse der Patient beitragen, welche Wünsche und Befürchtungen er habe.“
Im ersten beschriebenen Fall sei der Arzt der Experte und im zweiten Fall sei der Patient der Experte, denn der Arzt kann zwar über ein Maß an Empathievermögen verfügen, trotz allem sind individuelle Wünsche und Ängste nur bedingt vorausschaubar. Daher ist es wichtig, dass der Patient seine Anliegen offen kund macht und seine persönlichen Präferenzen preisgibt. Sowohl der Arzt als auch der Patient verfolgen nämlich das gleiche Ziel: gemeinsam über eine medizinische Behandlung entscheiden, die angemessen und auch medizinisch vertretbar ist.
Gesundheit und Medizin im interaktiven Diskurs ist eine Haltung, die im Healthcare-Bereich sehr wünschenswert ist; man strebt eine sogenannte Neuorientierung der Kommunikation an, die die konservative Arzt-Patienten-Beziehung allmählich ablösen soll. Im Mittelpunkt soll die Arzt-Patienten-Interaktion stehen, damit nicht nur der Arzt, sondern auch der Patient Einfluss auf Untersuchungs- und Therapieentscheidungen nehmen kann.
Shared Decision-Making (SDM): Positive Effekte
Das Modell Shared Decision-Making (SDM) weist, wissenschaftlich belegt, positive Effekte auf – dies gehe aus einer Auswertung aus 105 Studien hervor.
Folgende Ziele des SDM-Ansatzes konnten erreicht werden und sind hervorzuheben:
- Steigerung/ Bestärkung der Überzeugung der Patienten in ihren eigenen Entscheidungen
- Wissensgewinn des Patienten
- Teilhabe des Patienten
- verbesserte Patientenzufriedenheit
Darüber hinaus gehe aus einer Metaanalyse auf Grundlage von 106 Studien hervor, dass sich Betroffene bei einer vertrauensvollen Kommunikation doppelt so häufig an die Empfehlungen des Mediziners halten und Therapietreue aufweisen. Zudem werden bei einer vertrauensvollen Kommunikation auch seltener Komplikationen im Krankheitsverlauf beobachtet, beispielsweise bei Vorliegen von chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus.
Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist demnach nicht nur grundsätzlich förderlich, sondern auch der Schlüssel zum Erhalt der Gesundheit und Wohlbefinden des Patienten.
Shared Decision-Making (SDM): Die Arzt-Patienten Beziehung
Damit die Kommunikation zwischen Arzt und Patient vorbildlich ist, muss ein reguläres Arzt-Patienten-Gespräch geübt werden: In Videoaufzeichnungen schauen sich Experten des Uniklinikums in Schleswig-Holstein die Gespräche der Ärzte mit den Patienten an und können diese beurteilen und Verbesserungsvorschläge und Empfehlungen aussprechen, damit der Mediziner davon profitiert und es beim nächsten Mal besser machen kann.
Professor Friedemann Geiger dazu: „Viele Patienten sagen, dass ihr Arzt viel zu wenig fragt – und dass er sie im Gespräch häufig nicht ernst nimmt oder gar übergeht“. Das Entscheidende ist, sich intensiver mit Patienten auseinander zu setzen. Von dem Modell Shared Decision-Making (SDM) können insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen profitieren.
Shared Decision-Making (SDM): Zum Wohl der Gesundheit mitreden, mitgestalten und mitentscheiden
Mitspracherecht in medizinischen Entscheidungen? Tatsächlich stellt sich die Frage, ob Patienten wirklich den Wunsch hegen, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt über medizinische Vorgehen zu entscheiden oder womöglich doch das althergebrachte, konservative Arzt-Patienten-Gespräch beizubehalten ist.
Im Zeitraum von 2001 bis 2012 sind seitens der Bertelsmann Stiftung Befragungen durchgeführt worden: Im Durchschnitt aller Untersuchungen hat sich ergeben, dass mehr als jeder Zweite (55 Prozent) für eine gemeinsame Entscheidungsfindung ist.
Nur 23 Prozent befürworten das paternalistische Modell, bei welchem der Arzt die alleinige Entscheidung trifft. 18 Prozent der Befragten bevorzugen das autonome Konzept, bei dem allein entschieden wird. Zusammengefasst: Die Mehrheit in Deutschland bevorzugt eine gemeinsame Entscheidungsfindung.
Shared Decision-Making (SDM): Shared Decision-Making (SDM) in der Hausärztlichen Versorgung (HzV) in Bremen
Das Kieler Projekt Shared Decision-Making (SDM) ist in Bremen einzigartig im gesamten Bundesland eingeführt worden. Der Psychologe und Leiter des Programms, Professor Friedemann Geiger, sei voller Optimismus, dass sich diese Form der Kommunikation zwischen Arzt und Patient auch auf den Rest von Deutschland übertragen wird. Die Patientenzufriedenheit, dank der Orientierung an die Bedürfnisse des Einzelnen, könne dadurch verbessert und die Erfolgschancen einer Behandlung erhöht werden.