Der steigende Anteil Zuwanderer in der Gesellschaft stellt Ärztinnen und Ärzte häufig vor die Herausforderung, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede zu überwinden. Eine offene Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Arzt-Patienten-Beziehung. Doch was tun, wenn der Patient nicht die gleiche Sprache spricht oder sich Krankheitskonzepte kulturell unterscheiden? Mediziner brauchen Flexibilität und Offenheit, um auf diese Herausforderungen zu reagieren.
Umfrage unter 90 Hausärzten zu muslimischen Patienten
Im Jahr 2014 führte der Lehrbereich Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Tübingen eine Umfrage unter 90 Hausärzten durch. Die Mediziner wurden gebeten, ihre Assoziationen zu muslimischen Patienten zu notieren. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass bei vielen Ärzten ein negativer Grundtenor vorliegt. Viele der Befragten schätzen die Behandlung als schwierig ein. Herausforderungen bilden etwa Verständigungsprobleme aufgrund von Sprachbarrieren und einem unterschiedlichen Verständnis von Krankheiten. Auch Berührungsängste erschwerten nach Aussage der Mediziner die Untersuchung.
Die Umfrage zeigt exemplarisch: Sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede können die Beziehung zwischen Arzt und Patienten wesentlich beeinträchtigen.
Zuwanderer in der medizinischen Praxis: Herausforderung Kommunikation
Eine gute Kommunikationsfähigkeit gehört zu den ärztlichen Kernkompetenzen. Im Gespräch mit dem Patienten müssen Mediziner über Diagnosen, Therapien und Behandlungsrisiken aufklären. Schon bei der Kommunikation mit deutschsprachigen Patienten kann es zu Missverständnissen und Verständigungsproblemen kommen, wenn etwa der Patient medizinische Fachbegriffe nicht versteht oder seine Symptome nicht eindeutig schildern kann. Sprechen Patienten kaum oder gar kein Deutsch, gefährdet dies den Behandlungserfolg. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass Probleme in der Kommunikation die Wahrscheinlichkeit von Fehldiagnosen erhöhen. Zuwanderer ohne entsprechende Sprachkenntnisse erleiden zudem häufiger Nebenwirkungen.
Nicht nur für den Patienten bergen Sprachbarrieren ein Risiko. Missversteht ein Patient den Arzt, kann dies für den Mediziner rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Haftungsprozess müssen Ärzte nachweisen, dass sie Patienten umfassend über die geplante Behandlung und damit einhergehende Risiken aufgeklärt haben und dass der Patient diese Aufklärung korrekt verstanden hat.
Zuwanderer: Sprachliche Hürden überwinden
Eine gut funktionierende Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist also ausschlaggebend für den Behandlungserfolg. Wie sollten sie Mediziner nun verhalten, wenn sie einen Zuwanderer behandeln, der kaum oder gar kein Deutsch spricht? Zunächst sollte man versuchen, die Deutschkenntnisse des Patienten abzuschätzen. Das gelingt mit offenen Fragen, etwa zum Allgemeinbefinden. Geschlossene, suggestive Fragen, die nur „ja“ oder „nein“ als Antwort zulassen, bergen das Risiko, dass Gespräch zu stark zu beeinflussen. Patienten mit geringen Sprachkenntnissen fühlen sich eventuell eingeschüchtert und geben die Antwort, die ihnen als gewünscht erscheint.
Um zu prüfen, ob Patienten eine Erklärung verstanden haben, können Ärzte sie bitten, das Gesagte in eigenen Worten zu wiederholen. Einfache, kurze Sätze und langsames Sprechen erleichtern das Verständnis. Auch eine positive, offene Körpersprache und Zeichnungen, etwa aus einem Anatomieatlas, machen es Patienten leichter, medizinische Erklärungen nachzuvollziehen. Auf Kindersprache oder grammatikalisch inkorrekte Formulierungen sollten Ärzte dagegen nicht zurückgreifen. Das erscheint schnell respektlos. Ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis kann jedoch nur aufgebaut werden, wenn die Patienten sich respektiert fühlen.
Patientengespräch mit Dolmetscher: Darauf müssen Ärzte achten
Bei komplexen Themen oder bei Patienten, die überhaupt kein Deutsch verstehen, kann es von Vorteil sein, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Verwandte oder Bekannte des Patienten eignen sich für diese Rolle allerdings nicht. Durch die hohe emotionale Bindung zum Patienten besteht die Gefahr, dass Informationen unbewusst verzerrt oder verfälscht weitergegeben werden. Zudem fehlt Laien in der Regel das Know-how, um komplexe medizinische Sachverhalte korrekt zu übersetzen. Im besten Fall werden daher professionelle Dolmetscher mit medizinischen Kenntnissen hinzugezogen. Einige Kliniken in Deutschland haben bereits einen hauseigenen Dolmetscherdienst etabliert und setzen medizinisch oder pflegerisch ausgebildete Mitarbeiter mit multilingualer Kompetenz als Übersetzer ein.
Wird ein Dolmetscher zum Patientengespräch hinzugezogen, ist auf einige Punkte zu achten:
- Der Dolmetscher untersteht ebenfalls der Schweigepflicht und muss darauf hingewiesen werden.
- Der Patient muss sein Einverständnis geben. Rechtssicherheit bietet eine schriftliche Einverständniserklärung, die vom Patienten oder einem dazu befugten Angehörigen unterzeichnet wird.
- Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Arzt und Dolmetscher die Inhalte des Gesprächs im Vorfeld abklären.
- Auch im Beisein eines Dolmetschers führt der Arzt das Gespräch weiterhin mit dem Patienten, hält Blockkontakt und spricht ihn direkt an.
In Notfällen steht oft kein Dolmetscher zur Verfügung. Ist schnelles medizinisches Handeln gefragt und es ist keine sprachkundige Person zugegen, können Ärzte auf Dolmetscher-Apps zurückgreifen, um sich mit einem Zuwanderer ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu verständigen. Derartige Apps ersetzen zwar keinesfalls die zwischenmenschliche Kommunikation, können in Notfallsituationen aber dabei helfen, Beschwerden zu beschreiben und Behandlungsschritte zu erklären.