
Mal biste der Hund, mal biste der Baum. So ist das im Leben. Nach der letzten Woche kann ich überzeugt hinzufügen: Manchmal biste auch einfach der Anästhesist. Und damit die designierte Bullshit-Auffang-und-Verhinderungs-Stelle.
Manchmal sind es die Patienten, die einfach Mist bauen. Vor ein paar Tagen stand ein älterer Herr mit neu aufgetretener Hämaturie in der Ambulanz. Mit dem Verdacht, dass da was Böses dahinterstecken könnte, war operateurseitig quasi der Termin im Tumorboard und das Date zur radikalen Zystoprostatektomie schon gebucht. Der Besuch bei mir – eine läppische Formsache.
Gemeinsam arbeiteten wir uns durch den Aufklärungsbogen, bis hin zu den Medikamenten. Gewissenhaft gab der Herr an, ASS einzunehmen…und zwar in eigenartigen Mengen.
Er hatte aber keine Vorerkrankung zu bieten, die die Einnahme erklären könnten.
Ein kurzes Telefonat mit dem Hausarzt bestätigte: Auch dieser hatte keine Idee, wieso der Herr auf einmal ASS schlucken sollte. Somit schritt ich zum Äußersten und fragte einfach mal den Patienten. Seine haarsträubende Erklärung: Die Ehegattin hatte vor Monaten einen kleinen Schlaganfall erlitten und daraufhin ASS verschrieben bekommen. Besorgt um die eigene Rübe hat er daraufhin die Tabletten mit seiner Frau geteilt, und tüchtig zugegriffen.
Tja – und genau so kommen wir zu unserem Zweitnamen. Die Operations-Verhinderungs-Abteilung. Doch keine Zystoprostatektomie. Sorry Leute!
Manchmal sind es auch die Begleitpersonen der Patienten, die auf ganz komische Ideen kommen. Der aktuellen politischen Situation entsprechend finden sich auch zunehmend Flüchtlinge unter unseren Patienten. Oft werden diese von ehrenamtlichen Helfern oder Dolmetschern begleitet. Dafür sind wir dankbar, denn Hilfe bei der Überbrückung der Sprach- und Kulturbarriere nehmen wir immer gerne an. Stutzig geworden bin ich jedoch, als unter dem vorbildlich ausgefüllten zweisprachigen Aufklärungsbogen eine Person mit dem Namen Hildegard Müller-Lüdenscheid unterschrieben hatte. Zugegeben: Fernöstliche Namen nehmen oft den „links rein, rechts raus“-Weg durch meine mitteleuropäischen Ohren, ohne dass da viel in der Mitte hängenbleibt.
Aber dass ein junger Syrer auf den Namen Hildegard hören sollte, kam mir doch seltsam vor.
Wie sich herausstellte, hatte die Gastmutter des Patienten in engagiertem Übereifer neben der Betreuung des jungen Manns auch noch die Unterschrift unter seiner Aufklärung übernommen.
Weil man sich ja auch schon ein paar Wochen kennt, und so ein gutes Verhältnis hat.
Und noch einmal Sorry: Hilde – so geht’s nicht. Neuer Aufklärungsbogen, neues Glück. Und dann postwendend zurück zu den Chirurgen, und dort alles neu unterschreiben.
Und obwohl es echt nicht immer cool ist, der Bullshit-Filter zu sein, in dem der Murks auf dem Weg in den OP hängenbleibt, bin ich doch manchmal am Ende eines Tages stolz auf die, die wir nochmal rausgefischt haben. Getreu dem Motto: „Wir wollen uns ja nicht selbst loben – aber alle Achtung vor uns!“
Herzliche Grüße,
Frau Sandmann
Themen
- Sonstige