Im Frühjahr und Sommer 2024 steckten sich in den USA und Mexiko Menschen mit Vogelgrippe an. In Deutschland lässt sich das Vogelgrippevirus H5N1 mittlerweile ganzjährig bei Wildvögeln, bei gehaltenem Geflügel und in seltenen Fällen auch bei Säugetieren nachgewiesen. Was Ärzte jetzt wissen müssen.
Was ist die Vogelgrippe?
Die Vogelgrippe heißt fachsprachlich „aviäre Influenza“ und wird umgangssprachlich auch als „Geflügelpest“ bezeichnet. In erster Linie versteht man darunter eine durch Influenza-A-Viren hervorgerufene Erkrankung, die weltweit bei Vögeln auftritt. Influenza-A-Viren gehören zu den Zoonosen, können also von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Zu derartigen Infektionen kommt es zwar nur selten, im Falle einer Ansteckung verläuft die Krankheit aber oft sehr schwer. Beim Menschen sind vor allem die Influenza-Subtypen H5N1 und H7N9 von Bedeutung.
Wie häufig tritt die aviäre Influenza auf?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzeichnet zwischen den Jahren 2003 und 2023 weltweit über 2.600 Fälle von humanen Erkrankungen und 1.100 auf aviäre Influenza zurückzuführende Todesfälle. Die meisten Fälle treten im asiatisch-pazifischen Raum auf. Im Juni 2024 wurde ein Fall in Mexiko bekannt, bei dem eine Infektion mit dem Virus-Subtyp H5N2 nachgewiesen wurde.
Auch Säugetiere können sich mit Influenza-A-Viren infizieren. Im März und April 2024 wurden solche Fälle erstmals in Milchkuh-Herden in verschiedenen Bundesstaaten der USA registriert. In diesem Zusammenhang ließen sich auch mehrere H5N1-Erkrankungen bei Menschen nachweisen.
In Deutschland kommt es seit Jahren immer wieder zu Infektionen von Wildvögeln und in Geflügelzuchtbetrieben. Dem Friedrich-Löffler-Institut zufolge wurde das hochpathogene aviäre Influenzavirus im Juni 2024 bei zwei Wildgänsen in Kleve festgestellt. Im Juli trat zudem eine Infektion mit dem Influenzatyp H7N5 in einem Legehennenbetrieb auf. Bislang ist in Deutschland kein Fall bekannt, bei dem sich ein Mensch mit dem Vogelgrippevirus angesteckt hat.
Übertragungsweg und Ansteckungsgefahr
Säugetiere stecken sich vermutlich mit Influenza-A-Viren an, wenn sie Kontakt zu infizierten Vögeln oder deren Ausscheidungen haben. Die Übertragung von Tier zu Menschen erfolgt dem bisherigen Kenntnisstand nach wahrscheinlich über eine Schmierinfektion durch Kontakt mit den Ausscheidungen der betroffenen Tiere oder möglicherweise durch das Einatmen virushalter Staubteile. Die Ansteckungsgefahr für die Allgemeinbevölkerung gilt allerdings als nicht sehr hoch. Die WHO geht davon aus, dass für eine Übertragung eine hohe Virenlast notwendig ist.
Kann H5N1 durch infizierte Lebensmittel übertragen werden?
Grundsätzlich kann eine Ansteckung über infizierte Lebensmittel nicht ausgeschlossen werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, Eier gut durch zu kochen und Fleisch mindestens zwei Minuten lang auf über 70 °C zu erhitzen. Bei diesen Temperaturen sterben die hitzeempfindlichen Influenzaviren ab.
Besteht ein Übertragungsrisiko von Mensch zu Mensch?
Bislang sind nur sehr wenige Fälle bekannt, in denen eine Übertragung der Influenza-A-Viren von Mensch zu Mensch stattgefunden haben könnte. Influenzaviren verändern sich jedoch ständig, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass H5N1 zukünftig leichter vom Menschen auf andere Menschen übergeht.
Welche Risikogruppen gibt es?
Zur Risikogruppe gehören vor allem Menschen, die engen Kontakt zu infiziertem Geflügel haben, zum Beispiel Arbeiter in Geflügelzuchtbetrieben. Auch für Jäger besteht durch den Kontakt zu Wildvögeln und möglicherweise infizierten Wildtieren ein höheres Ansteckungsrisiko als für die Allgemeinbevölkerung.
Diagnose und Therapie der Vogelgrippe
Die Diagnose der aviären Influenza erfolgt anhand einer gründlichen Anamnese unter Berücksichtigung der auftretenden Symptome. Bei einer Infektion mit Influenza-A-Viren zeigen sich die ersten Krankheitsanzeichen rund ein bis fünf Tage nach Ansteckung. Typische Symptome sind:
- hohes Fieber
- Husten
- Atemnot
- Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
- Konjunktivitis
Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen treten dagegen nur selten auf. Leichte Krankheitsverläufe dauern etwa zwei Wochen. Auch asymptomatische Verläufe können vorkommen. Häufig entwickelt sich aus der aviären Influenza jedoch eine schwere Lungenentzündung. Insbesondere bei jüngeren Patienten kommt es zu schweren Krankheitsverläufen.
Wie wird aviäre Influenza diagnostiziert?
Besteht Verdacht auf eine Infektion mit H5N1 oder einem verwandten Subtyp, sollte ein PCR-Test auf Influenza A durchgeführt werden. Die Materialentnahme erfolgt durch einen Nasen- und Rachenabstrich aus den tieferen Atemwegen. Bei Durchfall empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI) zudem Stuhlproben, bei Konjunktivitis einen Bindehautabstrich. Bei Enzephalitis sollte eine Liquoruntersurchung vorgenommen werden. Ärzte sollten bei den Untersuchungen geeignete Schutzmaßnahmen treffen und Schutzkittel, Einmalhandschuhe, Schutzbrille sowie FFP3-Masken tragen.
Wie wird aviäre Influenza therapiert?
Zur Therapie von aviärer Influenza beim Menschen empfiehlt die WHO antivirale Neuraminidasehemmer, zum Beispiel Oseltamivir, Zanamivir oder Baloxavir. Die Behandlung sollte möglichst frühzeitig erfolgen, vorzugsweise in den ersten 48 Stunden nach dem ersten Auftreten der Symptome.
Impfstoffe gegen aviäre Influenza
Im Februar 2024 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zwei Impfstoffen gegen Vogelgrippe zugestimmt, die aus inaktiven H5N1-Viren gewonnen werden. Bei einem handelt es sich um einen Prä-Pandemie-Impfstoff, der andere wird im Falle einer bestehenden Pandemie an das zirkulierende Virus angepasst. Die Impfung erfolgt in beiden Fällen zweimal im Abstand von drei Wochen.