Wie viele Lebensjahre kostet uns die Schadstoffbelastung, insbesondere durch Feinstaub, in der Luft? Die wichtigsten Dinge zum Thema „Verkürzung der Lebenszeit durch Feinstaub“ im Überblick hier zum Nachlesen.
Epidemiologie: Beobachtungen unter realen Umweltbedingungen
Die Luftverschmutzung habe im Jahr 2017 Schätzungen zufolge 790.000 Jahre Leben gekostet. Wie viele Lebensjahre kosten Feinstaub, Stickoxide oder Rauchen? Die Epidemiologie befasst sich mit der quantitativen Erforschung von Gesundheitsrisiken innerhalb einer Gesellschaft, indem Menschen über mehrere Generationen unter realen Umweltbedingungen beobachtet und untersucht werden.
Ein Beispiel: Im Ruhrgebiet führte ein Forscherteam Untersuchungen über mehrere Generationen durch, ob und inwiefern eine Luftschadstoffbelastung, insbesondere durch Stickoxide, zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Zu den Stärken der Epidemiologie zähle – im Gegensatz zu experimentellen Studien – dass diese die tatsächlichen Belastungen und die damit verbundenen Risiken für Krankheitsentstehungen darstelle. Der Direktor des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin an der TU Dresden, Andreas Seidler, erklärt: „Eine wichtige Aufgabe der Epidemiologie ist es, Krankheitshäufigkeiten in der Bevölkerung unter realen Bedingungen zu untersuchen. Hierzu müssen mit statistischen Verfahren andere Einflüsse herausgerechnet werden, die zu den gleichen Krankheiten führen können.”
DALYs: Das Maß der Dinge
Es gibt speziell entwickelte Gesundheitsmaße, die dem Einfluss von Umweltfaktoren eine Zahl geben und Vergleiche aufstellen. Zu den Umweltfaktoren zählen unter anderem schlechte Luft, Lärm oder UV-Strahlung. Man spricht von den „beeinträchtigungsbereinigten Lebensjahre“ auf englisch: „disability-adjusted life years“, abgekürzt DALY. DALYs berücksichtigen sowohl die verlorenen Lebensjahre durch einen frühen Tod als auch die Jahre, in denen man als Mensch an einer – durch den Risikofaktor bedingten – Erkrankung leide.
Im Hinblick auf die Verkürzung der Lebensjahre durch die Luftverschmutzung geben folgende Angaben in DALY pro 100.000 Einwohner Auskunft: In Deutschland gehen von allen Lebensjahren, welche durch Krankheit oder durch Tod verlorenen gehen, etwa drei Prozent auf das Konto der Luftverschmutzung.
Verlorene Lebensjahre in Prozent
Der gesundheitliche Einfluss von Umweltfaktoren ist in DALY (disability-adjusted life years) pro 100.000 Einwohner angegeben:
- 13 %: Rauchen
- 11 %: schlechte Ernährung
- 9 %: hoher BMI
- 6 %: Alkoholkonsum
- 3 %: Luftverschmutzung
- 58 %: sonstige Faktoren
Im Vergleich dazu erscheinen 3 Prozent durch Luftverschmutzung tatsächlich wenig und seit 1990 habe sich dieser Wert auch noch um ein Drittel reduziert, sodass man davon ausgehen kann, dass die Luft in Europa immer besser geworden ist.
Absolut betrachtet erscheint die Zahl jedoch bedrohlicher: So habe die Luftverschmutzung im Jahr 2017 Schätzungen zufolge 790.000 Jahre Leben gekostet. Bezogen auf mehr als 80 Millionen Bundesbürger, bei einer Lebenserwartung von ungefähr 80 Jahren, entspräche dies ein verlorenes Lebensjahr pro Person.
Die Grenzen der Epidemiologie
Im Hinblick darauf ist der Epidemiologie Grenzen gesetzt. Denn eine Krankheitslast durch Umweltverschmutzung verteile sich nicht gleichermaßen, sodass Pauschalisierungen nicht möglich sind. „Bei Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung ist es schwieriger, die genauen Krankheitsrisiken zu bestimmen als bei Lifestylefaktoren wie Rauchen oder Übergewicht” so die Worte des Direktors des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin an der TU Dresden, Andreas Seidler.
Trotz allem konnten viele epidemiologische Studien der letzten Jahre das Vorliegen von Krankheitsrisiken infolge von Feinstaub und Stickoxid untermauern, sodass Risiken durch Luftschadstoffe bevölkerungsbezogen als „hoch relevant“ einzuordnen sind, denn Umweltfaktoren könne sich niemand entziehen. Besonders gefährdet sind Kinder oder bereits Erkrankte, bei denen schon relativ geringe Schadstoffkonzentrationen bedrohlich sein können.
Schlechte Luft und das Risiko für Erkrankungen
Tatsächlich kann schlechte Luft zu einer Vielzahl von Erkrankungen führen. Einige Beispiele, die das Risiko für Erkrankungen erhöhen, sind folgende:
Diabetes mellitus
Neben mehreren Faktoren wie hoher BMI und schlechte Ernährung können auch schlechte Luft und Rauchen zu Diabetes führen: In bisherigen Ergebnissen konnte gezeigt werden, dass Feinstaub und andere Luftschadstoffe Entzündungsvorgänge triggern und den Blutzucker in die Höhe treiben lassen und darüber hinaus zu einer Veränderung des Fettstoffwechsels führen können. Denkbar, dass dadurch zur Entstehung einer Diabetes-Erkrankung beigetragen wird.
Schlaganfall
Im Hinblick auf die Entstehung von Schlaganfall bzw. dessen verlorene Lebensjahre sei die Luftverschmutzung deutlich weniger verantwortlich, nämlich rund 75 pro 100.000 Deutsche. Andere Faktoren spielen eine größere Rolle für die Entstehung eines Schlaganfalls: Übergewicht, ein erhöhter BMI und Rauchen gehören dazu.
Lungenkrebs
Während Rauchen, im Jahr 2017 zu schätzungsweise mehr als 880 verlorene Lebensjahre pro 100.000 Einwohner und die Luftverschmutzung zu rund 105 verlorene Lebensjahre pro 100.000 Einwohner geführt habe, existieren bislang keine beachtenswerten Studien, dass auch Alkoholkonsum oder Übergewicht zur Entstehung von Lungenkrebs beitragen können.
Feinstaub: Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer sind gesundheitsschädlich
Verschiedene Schadstoffe gehen in die Daten, die die Epidemiologie auswertet, ein. Es ist wichtig, diese verschiedenen Schadstoffe zu differenzieren:
Grobstaub, PM 10, sind Teilchen mit einem aerodynamischen Durchmesser von 10 Mikrometer und können durch die Nasenhöhle in tiefere Bereiche der Bronchien eindringen während Feinstaub, PM 25, Teilchen sind, die einen aerodynamischen Durchmesser bis 25 Mikrometer aufweisen und bis in die Bronchiolen und Lungenbläschen (Alveolen) vordringen können. Partikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind, sind mit hoher Sicherheit gesundheitsschädlich, man spricht auch von Ultrafeinstaub; Teilchen mit einem aerodynamischen Durchmesser bis 0,1 Mikrometer.
Feinstaub, auch als Schwebstaub bezeichnet, sind kleine, feine Partikel, welche weder mit dem bloßen Auge gesehen noch gerochen werden können und in der Luft schweben. Feinstaub besteht aus Sulfat, Nitrat, Ammoniak, Natriumchlorid, Kohlenstoff, mineralischem Staub und Wasser und wird durch den Ausstoß durch Industrie, Gebrauch von Motoren und Verbrennung fossiler Brennstoffe begünstigt. Je kleiner die Schwebeteilchen sind, desto leichter können diese bis in die Lungenbläschen (Alveolen) der Lunge eindringen und auch in den Blutkreislauf gelangen.
Feinstaub erhöht, statistisch gesehen, das Risiko an Krebs, insbesondere an Lungenkrebs, zu erkranken. Bislang ist allerdings nicht genau geklärt, wie genau die Partikel Krebsgeschwüre auslösen können. Es gibt sogenannte Feinstaub-Grenzwerte, die dem Schutz des Menschen dienen sollen und auf das Jahr betrachtet nicht überschritten werden dürfen.
Strengere Grenzwerte können nahegelegt werden
Regelmäßige Risikoabschätzungen werden durch verschiedene Organisationen wie die US-Umweltbehörde EPA, das Umweltbundesamt oder die WHO, vorgenommen.
In Anbetracht der Studienlage und den immer neuen einfließenden Erkenntnissen ist es eine Herausforderung, Grenzwerte festzulegen.
Derzeit wird seitens der WHO an neuen Leitlinien gearbeitet, die 2020 vorgestellt werden sollen.
1. So viele Lebensjahre kosten Feinstaub, Stickoxide oder Rauchen, www.zeit.de (Abrufdatum: 18.03.2020)
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