Schon seit Jahrtausenden bedient sich der Mensch der Tiere und deren artspezifischen Leistungen im Rahmen von Tierversuchen. Standen früher Nutztiere im Vordergrund, um das Leben der Menschen zu erleichtern, wurden mit der Entwicklung der experimentellen Wissenschaft Tiere zu Versuchsobjekten. Tierversuche liefern Informationen über die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln, die Giftigkeit von Chemikalien, die Gefahren neuer Operationsmethoden oder die Unbedenklichkeit von Abwässern und Abfallstoffen.
Anzahl und Art der Tierversuche in der Medizin und Kosmetik
Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sterben alleine 2,8 Millionen Tiere jährlich durch Tierversuche. Die folgende Grafik zeigt den Verlauf der Anzahl der für Tierversuche verwendeten Tiere seit dem Jahr 2000:
Quelle: de.statista.com
Am häufigsten werden Mäuse für Tierversuche herangezogen. Im Jahr 2011 waren es von 2,9 Millionen ganze 2.036.606 Mäuse. Gefolgt von Ratten mit 403.490 und Fischen mit 199.758. Kaninchen mit 87.700, Meerschweinchen mit 26.219 und Schweine mit 15.633 machen dabei einen wesentlich kleineren Anteil an den Versuchstieren aus.
Einsatz von Tierversuchen in der Kosmetik
Tiere werden in der Kosmetik eingesetzt um Inhaltsstoffe und Produkte auf deren Auswirkungen auf Allergien, Krebs, Fruchtbarkeit oder weitere Indikatoren zu testen. Aktuell sterben noch knapp 40.000 Mäuse, Ratten und Kaninchen jährlich für die Erprobung von Kosmetik und Inhaltsstoffen.
Oftmals sind die Testverfahren grausam und schmerzhaft. So wird für den Test eines Inhaltsstoffes beispielsweise einer Vielzahl von Ratten eine Testsubstanz mit Hilfe einer Magensonde verarbereicht, welche bei Unverträglichkeit zu sutndenlangen Krämpfen und Lähmungen führen kann. Mit solch einem Test wird die Unverträglichkeit beziehungsweise Giftigkeit eines Stoffes getestet, der später als Chemikalie in einer Creme eingesetzt werden kann.
„Ersatzmethoden zu Tierversuchen“ aktueller denn je
Alleine in Deutschland gibt es 600 Tierschutzvereine mit über 2 Millionen Tier- und Artenschützern. Eine große Umfrage unter EU Bürgern zeigte bereits im Jahre 2006, dass sich 90% der Befragten einen besseren Tierschutz der EU wünschen und Tierversuchen eine Absage erteilen.
In diesem Rahmen kommen immer wieder Ersatzmethoden ins Gespräch. Ersatzmethoden für Tierversuche sind schmerzfreie Prüf.- bzw. Untersuchungsmethoden, die anstelle herkömmlicher Tiermodelle eingesetzt werden können.
Ziel von Ersatzmethoden zu Tierversuchen
Ziel von Ersatzmethoden ist es, Tierversuche auf das unerlässliche Mass zu reduzieren. Dem zugrunde liegt das „3-R-Prinzip“ von Russel und Burch aus dem Jahre 1959. Die 3 R stehen für
- Reduction (Verringerung von Tierversuchen),
- Refinement (Verfeinerung, Verbesserung) und
- Replacement (vollständiger Ersatz von Tierversuchen).
Es gibt mittlerweile sogar eine Vielzahl von alternativen zu Tierversuchen. Dazu gehören z.B. Computermodelle die komplexe Stoffwechselvorgänge nachbilden können oder Zellkulturverfahren, die Tests am gesamten Organismus unnötig machen.
Einsatzmöglichkeiten von Alternativmethoden
Möchte man Tierversuche durch Alternativmethoden ersetzen, so stellt sich immer die Frage in wie fern dies möglich ist. Die Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ geht davon aus, dass gerade Tierversuche nicht auf den Menschen übertragbar sind. Künstlich krankgemacht Tiere können wichtige Faktoren der Krankheitsentstehung nicht nachahmen. So werden wichtige Faktoren wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, Stress oder psychische und soziale Faktoren auch im Tierversuch nicht berücksichtigt und stellen somit keinen Vorteil gegenüber Ersatzmethoden dar.
In-Vitro-Studien als interessanter Ansatz
Studien mit Zell- und Gewebekulturen liefern zuverlässige, gut reproduzierbare und eindeutige Ergebnisse, dies gilt besonders bei In-vitro-Studien mit Humanmaterial
In-vitro-Systeme reagieren zum Teil wesentlich empfindlicher auf giftige Einflüsse als das lebende Tier. Studien mit In-vitro-Systemen bringen Ergebnisse im Verlauf von Stunden, während tierexperimentelle Studien Wochen, Monate oder gar Jahre dauern können. Mit In-vitro-Systemen lässt sich z.B. bei toxikologischen Studien eine große Anzahl von Pharmaka oder Chemikalien parallel untersuchen, während mit tierexperimentellen Systemen die Möglichkeiten zahlenmäßig begrenzt sind.
Beispiele für das Versagen von Tierversuchen
Es gibt sogar ganz konkrete Beispiele bei denen Tierversuche gnadenlos versagt haben:
- Contergan wurde beispielsweise im Tierversuch als unbedenklich eingestuft
- Acetylsalicylsäure (Aspirin) ist für viele Tiere giftig
- Asbest ist gut verträglich für Ratten und Hamster, allerdings krebsauslösend beim Menschen
- Morphium wirkt auf den Menschen beruhigend, ist aber stimulierend bei Katze, Rind oder Pferd.
Tierversuchsbefürworter behaupten hingegen, dass gerade die große Ähnlichkeit der Zellen von Tier und Mensch eine Übertragbarkeit der Daten möglich macht. Die Aussagekraft bei Versuchen an Tieren, ist ihrer Meinung den Alternativmethoden überlegen, da es sich hierbei oft nur um Teilorgane handelt nicht den gesamten und komplexen Organismus eines Lebewesens entspricht.
Ganz ohne Tierversuche geht es – noch – nicht
Obwohl es in den letzten Jahren große Fortschritte im Rahmen von Alternativen zu Tierversuchen gegeben hat, so muss man auch ganz klar feststellen, dass noch lange nicht alle Tierversuche durch neuere Methoden ersetzt werden können. So schreibt einer der größten Pharmakonzerne „Bayer“ auf der deren Internetseite, dass sie nicht in allen Bereichen auf Tierversuchen verzichten können, da es noch keine adäquaten tierversuchsfreien Alternativen gibt und behaupten neue Ersatz- und Ergänzungsmethoden intensiv zu erforschen und zu fördern.
Ethische Argumentation zu Tierversuchen
Wie bereits erwähnt, sind laut einer Studie aus dem Jahre 2006 ein Großteil der europäischen Bevölkerung gegen Tierversuche. Auch die Industrie hat erkannt, dass Produkte, die ohne Tierversuche hergestellt wurden, gerade deshalb gut bei dem Konsumenten ankommen und bewirbt die ethisch einwandfreie Ware auch dementsprechend. Der große Kosmetikhersteller „The Body Shop“ wirbt beispielsweise auf seiner Internetseite damit, dass ihre Produkte Tierschutzfrei sind und ausschließlich auf alternative Testmethoden gesetzt wird. Auch der Kosumgüterhersteller „Henkel“ versucht auf den tierversuchsfreien Zug aufzuspringen, bewirbt dies auf der konzerneigenen Internetseite und widmet dem Thema sogar eine eigene Broschüre. Obwohl Henkel versichert vorwiegende auf Versuchen an Tieren zu verzichten, so der Konzern lässt sich leider eine Hintertür offen und schreibt: “Tierversuche werden bei Henkel grundsätzlich nur dann eingesetzt, wenn rechtliche Bestimmungen dies vorgeben und keine alternativen Prüfmethoden existieren“.
Tierversuchsbefürworter sehen gerne den ethischen Aspekt aus einer anderen Perspektive. Sie weisen darauf hin, dass es ethisch nicht vertretbar ist, Experimente und Studien am Menschen ohne vorherige Tierversuche durchzuführen, wenn durch Tierversuche die Möglichkeit bestehe, das mögliche Risiko für Testpersonen zumindest abschätzen zu können.
Fakt ist, dass der Mensch als moralisch denkendes Lebewesen und durch seine höhere Intelligenz eine Verantwortung für andere Lebewesen trägt, und diese Vorteile nicht als Vorrangstellung gegenüber den Tieren rechtfertigt.
Wirtschaftlicher Aspekt bei Tierversuchen
In einer kapitalistischen Gesellschaft wie der unseren spielt der wirtschaftliche Aspekt eine sehr große Rolle. Lohnt es sich also auf Ersatzmethoden zu setzen und werden Ersatzmethoden gerade deshalb gefördert? Diese Frage kann man nicht eindeutig mit ja oder nein beantworten. Alternative Testmethoden können rein finanziell gesehen gegenüber Tierversuchen Vorteile bringen.
Neue Bio- und Gentechnologien ersetzen Tierversuche und sind über den Tierschutzaspekt hinaus auch kostengünstiger. Solche praktischen und wirtschaftlichen Kriterien interessieren besonders die Industrie.
Nicht zu vernachlässigen sind auch die entstehenden Kosten durch Aufzucht und Haltung nicht nur von größeren Versuchstieren. Diese entfallen vollständig. So arbeitet z.B. ein Forscherteam des Max-Planck Instituts an der in vitro Methodik zur Transfektion, d.h. Einschleusen fremder Nukleinsäuren in Zellen. Dies geschieht durch einen Glaschip, der für sich alleine 50 bis 100 genmanipulierte Tiere künftig ersetzen kann. Wenn also erst mal Ersatzmethoden entwickelt wurden und etabliert sind, werden sie durchaus auch aus finanziellem Anreiz eingesetzt.
Die Entwicklung neuer Ersatzmethoden hingegen dauert lange und ist dementsprechend kostenintensiv. Hier versucht der Staat durch Förderprogramme finanzielle Anreize schaffen. Für die Forschungsförderung stellt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der Zebet jährlich ein Budget ein gewisses Budget zur Verfügung.
Vorraussetzung seitens der Gesetzgebung und Regierung
Durch verschiedene Gesetze seitens der Regierung und der EU soll außerdem sichergestellt werden, dass Tierversuche nur angewandt werden, wenn es keine adäquaten Ersatzmethoden gibt. Hierzu heißt es im Deutschen Tierschutzgesetz in Paragraph 7 „Bei der Entscheidung, ob Tierversuche unerlässlich sind, ist insbesondere der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen und zu prüfen, ob der verfolgte Zweck nicht auch durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann“.
696 Verurteilungen durch geregelte Gesetze
Damit die Gesetze auch umgesetzt werden, darf nicht jeder einfach Tierversuche durchführen. Nur Tierärzte, Ärzte und Zoologen erhalten diese Erlaubnis. Außerdem besteht eine strenge Meldepflicht. Es muss nachgewiesen werden, dass es keine alternative Ersatzmethode zum Tierversuch gibt. Zusätzlich haben z.T. Tierschutzverbände erhebliche Mitspracherechte bei den Genehmigungsverfahren. Durch diese Maßnahmen soll erzwungen werden, dass bestehende Ersatzmethoden auch tatsächlich zum Einsatz kommen.
Im Jahr 2011 gab es 696 Verstöße beziehungsweise verurteilte Straftaten gegen § 17 des Tierschutzgesetzes.
ZEBET für die Entwicklung von Ersatzmethoden
Neben den Gesetzen versucht die Bundesrepublik auch aktiv dazu beizusteuern, dass Tierversuche in Zukunft ersetzt werden können. Mit der ZEBET wurde 1989 eine staatliche Einrichtung geschaffen, die das Ziel hat, Ersatz und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch zu dokumentieren, zu bewerten und ihre Anerkennung national und international zu empfehlen bzw. auch durchzusetzen. ZEBET steht dabei für „Zentralstellte zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch“.
Tierversuchsfreie Kosmetik
Die Gesetzgebung hat auch weitreichende Schritte in Richtung Naturkosmetik ohne Tierversuche ermöglicht. So gibt es seit März 2013 es ein europaweites Verkaufsverbot von Kosmetik und deren Inhaltsstoffe, die zuvor an Tieren im Rahmen von Tierversuchen getestet wurden. Generell sind seit 2004 Tierversuche für die gesamte EU und bereits seit 1998 für Deutschland Tierversuche für die Kosmetik verboten. Durch das zusätzliche Verkaufsverbot soll somit verhindert werden, dass Tiere für die Erprobung von Inhaltsstoffen und Produkten herangezogen werden und dadurch tierversuchsfreie Kosmetik wie Naturkosmetik ohne Tierversuche gefördert werden.
Schwierige Gesetzeslage zu tierversuchsfreier Kosmetik
Generell war das Verkaufsverbot von 2013 bereits ein wichtiger Schritt, jedoch hat auch dieser seine Grenzen. Das Verbot beschränkt sich nämlich auf Produkte, die seid dem März 2013 auf den Markt gekommen sind. Produkte, die vorher bereits verkauft wurden und an Tieren getestet wurden, sind vom Verbot nicht betroffen.
Ebenfalls das bereits ältere Verbot für die Test für Inhaltsstoffe gilt nur für Stoffe, die auch ausschließlich in dem Kosmetikprodukt vorkommen. Inhaltsstoffe, die jedoch in anderen Produkten vorkommen, fallen dabei weiterhin unter das Chemikaliengesetz und dürfen somit mit Tierversuchen getestet werden. Diese Produkte können Reinigungsmittel oder Medikamente sein.
Die Diskussion um Tierversuche polarisiert
Informiert man sich über das Thema Tierversuche und alternative Tiermethoden so stellt man schnell fest, dass das Thema stark polarisiert. Auf der einen Seite gibt es die Tierversuchsgegner, die für die vollständige Abschaffung von Tierversuchen sind und sich für Ersatzmethoden einsetzen, auf der anderen Seite setzen sich die Industrie und viele Forscher für Tierversuche ein.
Nicht alle Tierversuche lassen sich heutzutage durch Ersatzmethoden ersetzen, da es schlichtweg an adäquaten Ersatzmethoden mangelt. Auch eine völlig tierversuchfreie Forschung ist nicht vorstellbar heutzutage nicht vorstellbar. Gerade deshalb sollte man die Forschung an Ersatzmethoden noch viel stärker unterstützen und erzwingen, um dem Anstieg der Tierversuche entgegenzuwirken und Alternativen zu schaffen.
Wie steht ihr zu dem Thema Tierversuche und alternative Methoden?
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