Eine positive Unternehmenskultur kann für Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen ein ...

Martin berichtet in unserer Reihe „PJ im Ausland“ über seine (leider teils negativen) Erfahrungen in St. Gallen.
Da die Chefärztin der Neurologie des Kantonsspital St. Gallen zugleich auch Professorin an der JG-Universität Mainz ist, wurde uns der Platz für das praktische Jahr schon während des Praktikums im 9. Semester angeboten. Bewerbungstechnisch war es dementsprechend unproblematisch die 4-monatige Stelle als Unterassistent (kurz „UHU“) in der neurologischen Abteilung zu bekommen.
St. Gallen liegt in der Ostschweiz nahe dem Bodensee und ist eine schöne Stadt. Es lohnt sich während der OLMA –Messen im Oktober dort zu sein, was einer überregionalen Kirmes entspricht. Die Region bietet viele Wandermöglichkeiten, wobei die Stadt selber eher verschlafen wirkt. Ein Auto mitzunehmen lohnt sich insofern schon.
Arbeitszeit
Die Arbeitszeit ist von 8:00-16.30 mit einer Stunde Mittagspause festgelegt. Die Arbeitszeiten der Unterassistenten der Neurologie werden mittels magnetischer Zeiterfassung an den Personalbadges erfasst. Sollte es zu Unstimmigkeiten in der Zeiterfassung kommen (Krankheit/Urlaub/Vergessen sich abzumelden etc.), muss ein entsprechendes Formular zur Korrektur ausgefüllt und durch den Stationsarzt gegengezeichnet werden. Überstunden sollten seitens der Stationsärzte vermieden werden (da diese ermahnt werden, sollte ein Student seine Überstunden kompensieren). Da ich unter anderem auch aufgrund bürokratischer Amtsgänge während der Arbeitszeit den Arbeitsplatz verlassen musste, dürfte ich trotz vieler sehr langer Tage keine nennenswerten Überstunden angesammelt haben. Im Vergleich mit meinen Kommilitonen kam es in der neurologischen Abteilung selten vor, dass man vor 17:30 im Wohnheim war.
Wohnheim
Das Wohnheim in dem die UHUs untergebracht sind liegt auf dem Spitalgelände und ist mit Aufenthaltsraum, Küche, Musikzimmer, Wäschekeller, Fahrradkeller u.v.m. gut ausgestattet. Für 10 Franken kann man eine zusätzliche Matratze erhalten, wenn man Besuch bekommt und die Mitarbeiter sind sehr freundlich. Arbeitskleidung erhält man vom Spital, während das Essen zum Personalpreis (≈10 Franken) gekauft werden kann.
Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen wurden mir gleich am ersten Tag schnell bewusst, als man mir erklärte, dass die Aufgaben des UHUs darin bestehen, dem Assistenzarzt unnötige Arbeit vom Hals zu schaffen, damit dieser sich auf wichtigere Dinge konzentrieren kann. Es sind hauptsächlich Sekretärinnenarbeiten, die man in St. Gallen verrichten darf: Blätter einsortieren, Listen ausdrucken, Akten zusammenheften. Hin und wieder kann man auf Station einen Patienten untersuchen und manchmal auch eine Liquorpunktion durchführen (Blutentnahmen wie in der Schweiz üblich, werden durch die Schwestern gemacht).
Teaching bzw. PJ-Unterricht im engeren Sinne gibt es nicht und wird auch nicht gewollt. Die meisten Tage ging ich eher frustriert nach Hause, auch heute nichts Neues gelernt zu haben. Die Schweiz wird als Argument gesehen, warum Studenten zufrieden sein sollten, hier arbeiten zu dürfen. Dies konnte ich leider so nicht feststellen.
Arbeitsatmosphäre
Die Arbeitsatmosphäre ist trotz beeindruckend geringer Arbeitsbelastung bemerkenswert schlecht. Die (zu 90% deutschen) Ärzte stöhnen, was sie alles machen müssen und fluchen über die (zu 60% deutschen) Schwestern, die beinahe eine 1-zu-1 Patientenbetreuung gewährleisten können und nach meiner Einschätzung gut arbeiten. Schon während meines ersten Tages fiel mir auf, dass ich mit „meinem“ Assistenzarzt kein Glück hatte, wobei das natürlich überall passieren kann. Anscheinend soll es auch UHU-Betreuer geben, die weder ich noch meine Kommilitonen in dieser Funktion kennengelernt haben.
Bezahlung
Die Bezahlung war für deutsche Verhältnisse natürlich gut: 1000 Franken (abzüglich Unterkunft, Kabelgebühr etc.: 650 Franken). Zieht man Essen, Zugfahrten oder andere Freizeitaktivitäten ab, bleibt natürlich nichts übrig, aber immerhin kommt man so klar.
Fazit
Für mich war jedoch schon nach kurzer Zeit klar, dass ich den zunächst für 4 Monate geplanten Aufenthalt so nicht fortsetzen wollte und entschloss mich daher, nach 2 Monaten das Tertial zu splitten und an einem deutschen Lehrkrankenhaus fortzusetzen. Wie ich dann erfuhr, war ich nicht der einzige, der sich über einen Wechsel aus St. Gallen freute oder ihn sich zumindest wünschte.
Fazit: Natürlich bereue ich das Praktikum in St. Gallen nicht, da ich mich nicht fragen muss, wie es wohl gewesen wäre. Aber wo ich nun endlich echten PJ-Unterricht von Ärzten erhalte, die Interesse am Lehren haben und auch zu Studenten freundlich sind, vermisse ich es überhaupt nicht und bin froh und dankbar, dass meine Universität mir die Möglichkeit zum kurzfristigen Wechsel bot. Auch wenn das PJ in St. Gallen nicht überzeugt hat, berichten dennoch viele Studenten über die hohe Qualität des Medizinstudiums in der Schweiz.
Wie die passende PJ Stelle finden?
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