
Die meisten Ärztinnen und Ärzte sind überzeugt davon, dass ihre Patientinnen und Patienten zufrieden sind. Weil es kaum Reklamationen gibt, schließen sie auf einen hohen Grad der Patienten-Zufriedenheit. Beschwerdebarrieren führen dazu, dass Patienten nicht den Mut haben, ihre Unzufriedenheit zu kommunizieren. Eine Beschwerde entsteht grundsätzlich als Folge einer wahrgenommenen Diskrepanz des Patienten zwischen erwarteter und erlebter Leistung des Allgemeinmediziners und seinem Team. Ansprüche entstehen, weil Arztpraxen miteinander verglichen werden und die Homepage, besonders bei Erstpatienten, Erwartungen weckt.
Patienten-Zufriedenheit und die Praxisbewertung durch Patienten
Kritische Äußerungen von Patienten werden in der Arztpraxis gar nicht als Beschwerde angesehen und erfasst. Kritische Patienten sind kostenlose Qualitätsbeauftragte für den Arzt, denn sie liefern Informationen zur Verbesserung, und machen die Praxis zukunftsfähig. Um die Meinungen möglichst vieler Stammpatienten zu erfahren, ist eine systematische „Meinungsumfrage“ besser geeignet als der Smiley-Button, am Empfang, wo der Patient eine allgemeine Bewertung eingibt.
Die Beurteilung wird in drei Kernbereiche unterteilt:
- Organisation der Praxis
- Betreuung durch das Team
- Behandlung durch den Arzt
Zur Organisation zählen: Sprechzeiten und das Warten auf einen Termin. Auch das Erscheinungsbild der Praxis wird bewertend wahrgenommen: Anmeldung, Garderobe, Toilette, Wartebereich. Es irritiert, wenn wartende Patienten Telefonate mithören müssen, weil der Wartebereich bei der Rezeption liegt. Billige und alte Zeitschriften sind für Patienten keine Reklamation, aber es enttäuscht sie, auch wenn sie es nicht zur Sprache bringen (Dunkelziffer). Wenn die Stühle zu dicht stehen, empfinden das wartende Patienten als unangenehm. Angenehmes Warten fällt weniger auf, auch wenn es länger dauert, die gefühlte Wartezeit ist kürzer als die Echtzeit.
„Patientenbefragungen sind ein wichtiges Instrument, um Rückmeldungen über die individuelle Patienten-Zufriedenheit zu erhalten. Dazu eignen sich validierte Fragebögen.“ (Kassenärztliche Bundesvereinigung KVB, 2020)
Im Fokus der Bewertung steht die medizinische Behandlung. Patientinnen und Patienten wollen immer genauer über ihren Zustand und die Behandlungsvarianten informiert werden, auch wenn sie nicht ausdrücklich fragen. Eine ausführliche und zeitintensive medizinische Beratung schafft Zufriedenheit. Behandlungsvarianten werden von den meisten Patienten sehr begrüßt, zumal die Vorinformationen aus dem Internet für viele Patienten verwirrend sind. Der Erfolg der Behandlung wird nicht erst nach Abschluss bewertet, schon die Untersuchung unterliegt einer Patienten-Bewertung. Üblicherweise wird ein standardisierter Bewertungsbogen aber erst nach Abschluss aller Behandlungen geliefert.
Wie sich Patientinnen und Patienten äußern
Patienten äußern sich nur bei einer eklatanten Beschwerde, da sie mit einer Abwehrhaltung der Praxis rechnen. Vielen Patienten ist es lieber, sie äußern sich mit den aus dem Content-Marketing bekannten „Likes“ völlig anonym, damit sie nicht negativ kategorisiert werden. Andererseits kann die Ärztin oder der Arzt nicht individuell reagieren, wenn der Patient in der Umfrage lieber anonym bleiben möchte. Dabei könnten Argumente des Arztes den Patienten überzeugen, und er könnte seinen Beschwerdegrund fallen lassen oder relativieren.
Auch eine geringe Responsequote rechtfertigt die Umfrage, denn sie wird auch von Patienten, die nicht aktiv an der Befragung teilnehmen, positiv wahrgenommen. Schon die Tatsache, dass die Praxis an der Meinung und den Erwartungen der Patienten interessiert ist, schafft ein positives Image. Eine kritische Bewertung kann man auch positiv sehen, denn es zeigt das Interesse am Praxisbetrieb. So ungewöhnlich es klingt, aber ein „Danke“ an den Patienten ist die richtige Reaktion, auch bei Unzufriedenheit.
Die in Beschwerden enthaltenen kritischen Informationen geben jeder Praxis die Chance, Fehler zu analysieren und auszuräumen, d.h. sich ständig zu verbessern und dabei den Patienten von heute auch morgen an die Praxis zu binden. Auch auf unberechtigte Beschwerden des Patienten, die aus überzogenen Erwartungen entstehen, sollten der Arzt und sein Team reagieren.
Schriftliche Befragung der Patienten-Zufriedenheit
Nur durch eine detaillierte Befragung kann man die Patienten-Zufriedenheit genau feststellen. Grundsätzlich sollte der Fragebogen nicht mehr als zehn Fragen enthalten, die auf einer DIN-A-4-Seite Platz finden. Wenn die Antworten nur angekreuzt werden müssen, vereinfacht das die Aktion, denn Patienten möchten nicht viel Zeit aufwenden.
Für den Fragebogen hat sich die fünfstufige Skalierung bewährt. Hier hat man die Wahl zwischen Schulnoten oder Punkten. Der höchste Wert steht immer ganz links, bei den Noten die „eins“, bei den Punkten die „fünf“. Eine Variante sind Textangaben „sehr gut“, „gut“, „zufriedenstellend“, „ausreichend“ und „mangelhaft“. Aber auch der Erfüllungsgrad in Prozentzahlen ist möglich: 100, 75, 50, 25, 0 Prozent. Die Skalierung durch „Smiley“ wirkt weniger wertig, man sollte darauf verzichten.
Bei der Reihenfolge der Fragen sollten die leichteren zuerst gestellt werden. Stehen bereits am Anfang Fragen, die eher schwierig zu beantwortenden sind, entsteht bei den Patienten eine Abwehrhaltung. Für die Befragungsaktion plant man einen festen Zeitraum, z.B. jeden dritten Monat. Eine fortlaufende Daueraktion wirkt auf Patienten unverständlich und verunsichert.
Auch bei Erstpatienten hat die Beurteilung Relevanz. Der Fragebogen kann beim Verabschieden überreicht oder per E-Mail geliefert werden, wobei die Anonymität nicht gewährleistet wird. Patienten sind aber enttäuscht, wenn es bei kritisierten Themen nicht zu einer Verbesserung kommt. Denn eine Umfrage verpflichtet den Mediziner und das Team auch zu Veränderungen, Patienten möchten nicht bei der nächsten Beurteilung den gleichen Punkt wieder kritisieren, sie erwarten eine Verbesserung.
Beispiel-Fragebogen Patienten-Zufriedenheit
Die erstklassige Behandlung kann schwach beurteilte Punkte der Praxis (z.B. Wartebereich oder der Terminabsprache) kompensieren.
Besonders wichtige Fragen könnten noch mit einer Gewichtung versehen werden: „Welche beiden Fragen sind für Sie die wichtigsten? Bitte markieren Sie diese durch Unterstreichungen.“ Das verkompliziert allerdings die Auswertung der Fragebögen.
Ein Fragebogen kann aber auch zu Skepsis im Team führen, denn auch die MFA unterliegt der kritischen Bewertung durch die Patienten. Das Team könnte in der Beurteilung eine Kontrollaktion sehen und auch Patienten könnten diese Meinung vertreten und das Gefühl haben, dass die Ärztin oder der Arzt mit der Umfrage das Team kontrolliert.
Umgang mit anderweitiger Kritik
Unabhängig von einer systematischen Meinungsabfrage erfährt auch die Mitarbeiterin am Telefon so manche Kritik vom Patienten („Das dauert ewig, bis man bei Ihnen einen Termin erhält“ oder ähnliche Kritik). Auch diese Äußerungen sollte man außerhalb des Systems erfassen und bearbeiten. Patientenkritik kann das Personal oft spontan nachvollziehen. Entscheidend ist immer die Wahrnehmung des Patienten, nicht die Rechtfertigung in einem Beschwerdefall. Wer Kritik persönlich nimmt und abwehrt oder gleichgültig ist, verschlimmert die Situation und treibt Patienten in eine andere Praxis.
Leistungsbewertung des Patienten
Die Leistungsbeurteilung wird in drei Kernbereiche unterteilt:
- Muss
- Plus
- Soll
„Muss“-Faktoren
Sie lösen bei Nichterreichen der Patientenerwartungen auf jeden Fall Unzufriedenheit aus. Bei einem Erreichen oder Übertreffen der Erwartungen lösen sie jedoch noch keine Zufriedenheit aus. Das Einhalten des Termins mit einer Toleranzgrenze von ca. 20 Minuten Wartezeit ist ein „Muss“-Faktor. Eine Verkürzung der Wartezeit würde zwar Unzufriedenheit abbauen, aber deshalb noch keine signifikante Zufriedenheit hervorrufen.
„Plus“-Faktoren
„Plus“-Faktoren sind Leistungen, die der Patient nicht automatisch erwartet, weil sie auch in anderen Arztpraxen nicht angeboten werden. Patienten kann man mit besonderen Dienstleistungen überraschen, verblüffen, begeistern. Wer z.B. Parkplatz für Patienten in unmittelbarer Nähe bietet, wird den Patienten erfreuen, er betrachtet dies als einen Vorteil. Werden diese Leistungen nicht angeboten, kommt es nicht zur ausdrücklichen Unzufriedenheit im Fragebogen. Patienten sind aber nicht bereit, Plus-Faktoren gegen Muss-Faktoren aufzurechnen.
„Soll“-Faktoren
Sie liegen zwischen den „Muss“- und „Plus“-Faktoren. Je nachdem, ob sie stark, neutral oder schwach wahrgenommen werden, können sie Patienten-Zufriedenheit, Indifferenz (Grauzone) oder Unzufriedenheit erzeugen. Indifferenz wird oft fälschlich vom Leistungserbringer als Zufriedenheit gedeutet. Beispiel für „Soll“-Faktoren ist die Wohlfühlatmosphäre im Wartezimmer, die Begrüßung des Patienten am Empfang und die Aufmerksamkeit und Freundlichkeit des Personals, besonders am Telefon. Sowohl die Ausprägungen dieser Faktoren als auch ihre Wahrnehmung durch den Patienten ist unterschiedlich.
Fazit
Eine gut durchdachte und regelmäßige Abfrage der Patienten-Zufriedenheit ist für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ein gutes Mittel, ihre Patientinnen und Patienten langfristig an sich zu binden. Wichtig ist dabei für die Teamchemie, dass das Praxisteam sich nicht überwacht bzw. beurteilt fühlt.