
Den Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern fehlen die Pflegekräfte. Allein Kölns städtische Kliniken bräuchten weitere 100 Kräfte, um Patienten angemessen zu versorgen. Der Pflegemangel habe mittlerweile dramatische Ausmaße angenommen. Das sagt Professor Christian Karagiannidis, Oberarzt der Lungenklinik Köln-Merheim, im Gespräch mit dem WDR.
Zu wenige Pflegekräfte für Patienten mit hohem Pflegebedarf
In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich ein dramatischer Mangel an Pflegekräften auf der Intensivstation ergeben wie beispielsweise Krankenschwestern und -pfleger für Intensivmedizin. Dieser Ansicht ist nicht nur Professor Karagianndis. Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) machte den Pflegemangel zum Thema ihrer Pressekonferenz im Juni 2018. Auf den Intensivstationen nimmt die Anzahl der älteren Patienten mit mehreren, teils auch schwer chronischen Erkrankungen zu. Über 80-jährige machen mittlerweile rund zehn bis 20 Prozent der Intensivpatienten aus. Die Versorgung dieser Patienten ist aufwendig, muss auf das gesamte Organsystem ausgerichtet sein und nimmt entsprechend viel Zeit in Anspruch. Zugleich nimmt allerdings die Anzahl der Pflegekräfte ab.
Betten “sperren”, um Überlastung vorzubeugen
Laut Karagiannidis ist der Pflegemangel in allen deutschen Krankenhäusern spürbar. Teilweise führe er dazu, dass Betten für Neuzugänge “gesperrt” werden müssten, um das Pflegepersonal nicht zu überlasten. In den städtischen Kliniken in Köln liegt die Auslastung der Betten zum Beispiel zwischen 78 und 85 Prozent. Eine volle Belegung ist den Kliniken zufolge so gut wie nie möglich. Hielte man alle Betten offen, führe das zu einer immer weitergehenden Belastung der Pflegekräfte. Die zöge dann noch mehr Kündigungen nach sich, in Folge hätte das Krankenhaus noch weniger Kräfte, erklärt Karagiannidis.
Pflegemangel hat auch für Patienten Konsequenzen
Konsequenzen hat der Pflegemangel nicht nur für das Personal, sondern auch für die Patienten. Je weniger Betten es auf der Intensivstation gibt, umso früher müssen die vorhandenen Betten für nachrückende Patienten freigemacht werden. So kommt es dazu, dass Patienten nach einer Operation schneller von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt werden.
Karagiannidis betont im Interview mit dem WDR die nach wie vor sehr hohe Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland. Das Klinikpersonal habe zudem ein hohes Verantwortungsbewusstsein und würde darauf achten, dass der Pflegemangel keine schlimmen Folgen für die Patienten habe. Durch den schweren Personalmangel könne es aber durchaus zu Notfallsituationen kommen.
Bessere Bezahlung und verbesserte Rahmenbedingungen gefordert
Was muss nun getan werden, um die Pflegesituation auf den Intensivstationen zu verbessern? Professor Karagiannidis fordert einen bundesweiten Aktionsplan. Dieser sollte möglichst schnell aufgestellt werden, bevor die Situation noch dramatischer werde. Zu den wesentlichen Punkten des Aktionsplans sollte Karagiannidis zufolge eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte gehören. Der Mediziner hält die Pflegekräfte auf der Intensivstation für deutlich unterbezahlt und fordert für sie 500 bis 1000 Euro mehr Gehalt im Monat. Auch bessere Rahmenbedingungen, etwa eine bessere Kinderbetreuung, seien notwendig. Zurzeit arbeitet Karagiannidis mit einer von der DGIIN gegründeten Task-Force an einem Positionspapier, das er der Bundesregierung vorlegen will.