Frauen sind in der medizinischen Forschung und den Biowissenschaften nach wie vor unterrepräsentiert. Nicht nur verdienen sie weniger, sie erhalten auch seltener Forschungsstipendien und ihre wissenschaftlichen Arbeiten werden seltener zitiert.
Eine Studie der Universität Mannheim und der Harvard Medical School bzw. der Yale University hat nun untersucht, warum Männer es so viel leichter haben, ihre Studien zu verkaufen. Doch warum ist das so? Wir stellen im Folgenden die Ergebnisse aus der Studie vor.
Männer setzen auf positives Framing
Prof. Dr. Marc Lerchenmüller von der Universität Mannheim und seine Kollegen haben untersucht, ob Frauen und Männer ihre Forschungsergebnisse unterschiedlich präsentieren. Dafür haben sie sechs Millionen klinische und biowissenschaftliche Veröffentlichungen aus dem PubMed Katalog auf die Verwendung von 25 positiv konnotierten Begriffen hin analysiert.
Dabei fanden sie heraus, dass Männer stärker auf positives Framing setzen als Frauen. So bezeichnen Männer ihre Forschungsergebnisse weit häufiger als “einzigartig”, “neuartig” oder “ausgezeichnet” – unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Forschungsarbeit.
In Überschriften und Zusammenfassungen von Studien männlicher Hauptautoren taucht ein positives Framing mit bis zu 21 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit auf. Publikationen in bedeutenden klinischen Fachzeitschriften wiesen dabei die größten Unterschiede im Framing auf.
Wie die Forscher ebenfalls herausfanden, wird das Eigenlob auch mit mehr Zitationen belohnt. Fachartikel, die selbstlobende Ausdrücke enthielten, wurden um bis zu 13 Prozent häufiger von anderen Veröffentlichungen zitiert.
Geschlechtsspezifische Normen beeinflussen auch die Wissenschaft
Insgesamt stellen Männer ihre eigene Forschung also positiver dar als Frauen. Diese Unterschiede in der Präsentation könnten zur anhaltenden Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen beitragen, vermutet Lerchenmüller. Ein Grund für diese Unterschiede könnte sein, dass ein offensives verkaufendes Verhalten bei Männern gesellschaftlich eher akzeptiert wird als bei Frauen.
Auch Prof. Dr. Reshma Jagsi Newman von der radioonkologischen Abteilung der University of Michigan und Prof. Dr. Julie Silver von der Harvard Medical School gehen davon aus, dass gesellschaftliche geschlechtsspezifische Normen das Verhalten von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen beeinflussen.
So würden Mädchen zum Beispiel von Kindesjahren an dazu angehalten, bescheiden aufzutreten und wenig Raum einzunehmen. Dieses erlernte Verhalten setze sich im Erwachsenenalter fort. Als ein weiterer Grund wird der Mangel an weiblichen Vorbildern genannt.
Wie lässt sich den Ungleichheiten entgegenwirken?
Was kann man nun tun, um das Ungleichgewicht in der medizinischen Forschung und den Biowissenschaften auszugleichen? Lerchenmüller und Kollegen erklären, dass man zunächst das Bewusstsein für die bestehenden Unterschiede schärfen müsse.
Sowohl Frauen als auch Männer müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie in ihren Arbeiten Sprache unterschiedlich verwenden und dass dies die Forschung beeinflusst. Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, erfordere dann Ansätze aus vielen verschiedenen Bereichen wie Bildung, Mentoring und Publizierpraxis.
Silver und Newman fordern von zudem von den Redakteuren wissenschaftlicher Zeitschriften, sich mit der Geschlechtergerechtigkeit in ihren Veröffentlichungen zu befassen. Gefragt seien Schulungen und Verfahren, durch die Redakteure Verzerrungen erkennen und Ungleichheiten beseitigen können.