
Hausärztemangel – weil sie Angst davor haben, glaubt der Gesundheitsweise Gerlach – und nennt eine weitere Ursache: Es fehlen Vorbilder. Eine interessante These der “Ärzte Zeitung” zu angehenden Ärzten.
Die Angst vor der Allgemeinmedizin
HANNOVER. Angehende Ärzte fürchten die Allgemeinmedizin. Dieser Überzeugung zeigte sich Professor Ferdinand Gerlach, Direktor des Institutes für Allgemeinmedizin an der Universität Frankfurt und Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, im Gespräch mit der “Ärzte Zeitung“.
“Viele junge Mediziner haben tatsächlich existenzielle Ängste“, so Gerlach. Es ziehe sie deshalb nach dem Studium oft eher in den öffentlichen Dienst als in die Niederlassung, sagte Gerlach am Rande der Veranstaltung “Gesundheitsversorgung vor Ort zukunftsgerecht gestalten” in Hannover.
“Auf die Allgemeinmedizin bezogen fürchten sie die Breite des Faches und die Verantwortung, die sie übernehmen müssen, wenn ein Patient mit unspezifischen Kopf- oder Bauchschmerzen in die Praxis kommt“, betonte Gerlach.
Zudem erlebten die jungen Mediziner im Studium zu wenige Vorbilder der Allgemeinmedizin. “Sie erleben stattdessen eine Supramaximalversorgung mit mehr als 80 verschiedenen Spezialisierungen und fast ausschließlich High-Tech-Medizin.” Dadurch werde ihnen implizit vermittelt, “dass es vor allem diese Art der Medizin ist, die erstrebenswert ist. Dass die Rollenvorbilder fehlen, stellen wir nicht nur in der Allgemeinmedizin fest, sondern zum Beispiel auch bei konservativ tätigen Augenärzten.“
Seminare und Mentoring-Gruppen sollen helfen
Nun habe man in Frankfurt, Heidelberg und Marburg universitär angebundene Kompetenzzentren zur Weiterbildung in der Allgemeinmedizin geschaffen. “Dort können wir solche Ängste abbauen“, so Gerlach.
“Wir bieten Seminare und Mentoring-Gruppen, in denen junge Ärzte eine berufliche und auch emotionale Heimat finden und natürlich auch fachlichen Rückhalt“, erklärte der Allgemeinmediziner.
“Wir sind sogar schon so weit, dass wir Studierende in die Planung von Gesundheitszentren mit einbeziehen. So können sie früh mitentscheiden, wie einmal ihre Praxis aussehen soll.“
Gerlach zeigte sich überzeugt, dass eine gut vermittelte Allgemeinmedizin die Studierenden von dem Fach überzeuge, “weil es sich auf den ganzen Menschen richtet und nicht nur auf ein Organ, eine Krankheit oder eine Untersuchungsmethode”.
“In der Allgemeinmedizin erleben die Studierenden keine DRG-getriebene Medizin, wo die Kollegen über die Klinikflure hechten, schlechte Laune haben und die Patienten in 6,3 Tagen durch die Behandlung schleusen müssen“, ergänzte er.
Selbstverständlich brauche man Spezialisten. Aber solche Zustände würden von den Studierenden als “seelenlos” wahrgenommen. Die zuwendungsintensive Allgemeinmedizin dagegen, bei denen eine Langzeitbeziehung zu Patienten entsteht, habe “in der Wahrnehmung vieler Studenten inzwischen Top-Noten.” (cben)
Information: Der Beitrag ist zuerst in der „Ärzte Zeitung“ erschienen. Er ist „praktischArzt“ von der Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die „Ärzte Zeitung“ gehört, zur Verfügung gestellt worden.
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