Vielen Eltern ist der letzte Winter noch in schlechter Erinnerung. Die schlimmsten ...

Wer von Natur aus arbeitsscheu ist, der sollte lieber nicht Medizin studieren. Nachdem man es im Studium schon mit der einen oder anderen Unbequemlichkeit aufnehmen muss, geht es im Job erst richtig los. Denn es gibt kaum einen anderen Ort als das Krankenhaus, an dem innerhalb von Sekunden derartige Berge an Arbeit quasi aus dem Nichts auftauchen können.
Ist die Arbeit aber aufgetaucht, gibt es für den gemeinen Weißkittel zwei Möglichkeiten.
Erstens: Die Kittelärmel hochkrempeln und anpacken.
Zweitens: Der perfide Turf.
Was so viel bedeutet wie: Den Patienten (der in 99,9% die Arbeit verursacht) irgendwie loswerden. Und zwar vorzugsweise an ein anderes Krankenhaus, eine andere Station oder eine andere Fachabteilung, sonst wäre es ja Nestbeschmutzung.
Da wir Sandmänner in der Regel keine Bettenstationen unterhalten, stehen wir selten am Ende der Turf-Kette. Manchmal erwischt es uns aber doch, wie diese kleine Fallstudie zeigt.
Fall 1: Der unmögliche Patient. Lösung: Turf in ein anderes Krankenhaus.
Manche Patienten will keiner haben. Man sollte sie operieren, kann es aber nicht. Weil sie so schlechte Grundvoraussetzungen für die OP haben, dass es fraglich ist, ob sie die Narkose überleben würden. Oder angewiesen sind auf Medikamente, die eine Narkose aber so gut wie unmöglich, zumindest aber lebensgefährlich machen.
Wenn die Sandmann-Abteilung solchen Patienten schon diverse Mal ein No-Go-Schildchen verpasst ha, ist es ein eleganter, aber mieser Schachzug von manchen Operateuren, vor der Hartnäckigkeit der eigenen Anästhesieabteilung zu kapitulieren, und den Unmöglich-Patienten postwendend in einem anderen Haus vorzustellen. Mit einem netten Briefchen, in dem steht: Unsere Anästhesie ist zu feige, das zu machen – guckt ihr doch mal, ob ihr eure Sandmänner weichkochen könnt!
Damit hat man vor dem Patienten das Gesicht gewahrt (schuld ist ja die Anästhesie), und bietet ihm gleichzeitig den Service, ihn nun in einem Superduper-Edelzentrumkrankenhaus vorzustellen. Quasi ein Upgrade in die Business-Class.
Haha! Nice try, Leute.
Fall 2: Die dringliche VIP-OP-Nachmeldung ohne Vorbereitung. Lösung: Turf zu den Sandmännern.
Ähnlich beliebt wie Unmöglich-Patienten sind Sonder-VIP-Nachmeldungen für jetzt sofort und gleich, die einen nachmittags in einer überfüllten Prämedikationsambulanz ereilen.
Wenn dort das Telefon läutet und eine oberärztliche Nummer einer fremden Abteilung übers Display wandert, ist absolute Vorsicht angesagt.
Denn das klingt meistens so: „Hallo ihr Lieben, zu euch kommt gleich ein gaaaaaanz liebes Kind mit gaaaaaanz lieben Eltern, das hat in 5 Minuten einen MRT-Termin und muss dafür von euch schnell prämediziert werden, ist kein Problem oder? Ach und wenn ihr noch gleich einen Zugang legt und schnell das Krea bestimmt, das haben wir irgendwie vergessen. Aber in 5 Minuten bitte im MRT sein, den Termin müssen wir einhalten! Und das Narköschen könnt ihr dann direkt aufrechterhalten, wir wollen gleich danach in den OP fahren. Tschühüs, bis gleich!“.
Die Realität schaut dann so aus: Die Eltern waren sicherlich mal ganz lieb, sind aber mittlerweile maximal gestresst, wissen von nichts und haben sich (verständlicherweise) in Furien verwandelt.
Das Kind hat einen langen Tag hinter sich, zu 1000% keinen Bock mehr, schon gar nicht auf einen Zugang, und Venen gibt es eh keine. Geschweige denn Laboretiketten oder ein EMLA-Pflaster.
Die letzte Mahlzeit war vor 5 Minuten und in der Vorgeschichte steht was von persistierendem Foramen ovale und kindlichem OSAS.
Manchmal wünsche ich mir dann einen Poststempel in groß, rot und fett. Mit dem Aufdruck
„WTF!!! Annahme abgelehnt – Zurück zum Absender“.
Beste Grüße,
Frau Sandmann