Wer nach Personal für Kliniken und Krankenhäuser sucht, erkennt schnell, wie hart der Wettbewerb ist. Gleichzeitig hinken Employer Branding und Digitalisierung von HR-Strukturen in diesem Bereich häufig anderen Branchen hinterher. Wie man das Employer Branding in der Gesundheitsbranche optimal gestaltet, verrät Martin Camphausen, Leiter Corporate und Employer Branding im Klinikverbund Südwest, im Interview mit praktischArzt.
Martin, könntest Du zum Einstieg bitte kurz erklären, was man eigentlich genau alles unter dem Begriff „Employer Branding“ versteht – und was nicht?
Viele im Gesundheitswesen verstehen das Employer Branding als anderen Begriff für „Recruiting“. Sie haben kurzfristig vakante Stellen zu besetzen und merken, dass das durch den zunehmenden Fachkräftemangel immer schwerer umzusetzen ist. Dann denken sie, sie müssten schnell viele Maßnahmen entwickeln, die sie als Arbeitgeber bekannter machen, und kämen dadurch zu schnellen Erfolgen. Doch das funktioniert natürlich nicht. Denn Employer Branding ist genau das Gegenteil! Employer Branding bedeutet Organisationsentwicklung, Strategie und eben Markenaufbau –das alles hat eine langfristige Perspektive.
Wieso sollten sich Unternehmen um ein gutes Employer Branding bemühen? Wo siehst Du die Vorteile?
Ich hatte eben schon angedeutet, dass sich viele Unternehmen immer noch vor allem darauf konzentrieren, Mitarbeiter zu rekrutieren – und das am besten schon morgen. Dabei vergessen sie, eine langfristige Strategie zu entwickeln. Gerade in der Gesundheitsbranche, aber auch in anderen Bereichen, ist es so, dass ein wahrer Kampf um die besten Talente vorherrscht. Das macht es nötig, die eigene Klinik oder das Krankenhaus nicht nur kurzfristig, sondern eben langfristig als guter Arbeitgeber im Markt zu festigen und aufzuzeigen, wieso Ärzte, Pflegekräfte, medizinisch-technisches Personal, aber natürlich auch Verwaltungspersonal sich genau dort bewerben sollten.
Kurzum: Man sollte nicht nur durch eine einzelne vakante Stelle auf sich aufmerksam machen, sondern ist idealerweise schon zuvor in den Köpfen der potenziellen Mitarbeiter verankert. Damit diese sich denken: „Wenn ich mal den Job wechseln möchte, dann würde ich gerne zu Arbeitgeber x oder y gehen!“
Welche besonderen Herausforderungen stellt das Gesundheitswesen an das Employer Branding?
Auf einige Herausforderungen kann man als einzelner Arbeitgeber im Gesundheitswesen nur wenig bis keinen Einfluss nehmen, beispielsweise Tarifverträge, politische Strömungen oder gesellschaftliche Akzeptanz. In der Öffentlichkeit werden regelmäßig Fragenwie „Was ist uns Pflege wert?“ und „Was sollte uns Pflege wert sein?“ diskutiert – unter Corona umso mehr. Das erschwert sicherlich den Aufbau einer Arbeitgebermarke mit positiver Wahrnehmung.
Wie sind Deutschlands Kliniken und Krankenhäuser denn, Deiner Meinung nach, in Sachen Personalmarketing und Employer Branding aufgestellt? Gibt es da noch Luft nach oben?
Vorab: Zuerst sollte man sich verdeutlichen, dass es einen aktiven und einen passiven Bewerbermarkt gibt. Viele Krankenhäuser erwecken nicht den Eindruck, als wäre ihnen dies bewusst. Häufig sind die Bereiche, die sich um Recruiting, Personalmarketing und Employer Branding kümmern sollen, in sich schon nicht gut strukturiert. Dann sind viele dieser Bereiche nicht ausreichend digitalisiert und arbeiten noch mit Excel-Tabellen statt mit geeigneten Bewerbermanagement-Systemen und anderen digitalen Tools.
Zudem sind sie häufig mit Personen besetzt, die in diesen Fachgebieten nicht ausreichend qualifiziert sind. Man muss nicht zwingend Human Resources studiert haben, um ein guter Recruiter zu werden. Aber gerade in Sachen Personalmarketing und Employer Branding bedarf es dann schon eines strukturellen Know-hows. Da sollte man sich zum Beispiel im Online-Marketing wie im Bewerbermarkt gut auskennen und auch Dinge wie Display-Kampagnen aufsetzen können. Es gibt also noch viel Luft nach oben.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein Arbeitgeber für die Voraussetzungen gesorgt hat, die Du eben aufgezählt hast. Wie entwickelt man denn dann eine geeignete EmployerBranding-Strategie?
Die eine Antwort, die auf alle Arbeitgeber passt, gibt es auf diese Frage nicht.
Ich hatte gerade schon angedeutet, dass man im Employer Branding andere Fähigkeiten als für das Recruiting benötigt. Hier geht es darum, sich Gedanken darüber zu machen, wie die eigene Arbeitgebermarke online wie offline wahrgenommen wird. Das Wissen, welches man dafür benötigt, ist diffizil und differenziert. Gute Employer Branding-Teams müssten interdisziplinär zusammengestellt werden – und auch so agieren. Dann können sie auch große Kampagnen und andere Maßnahmen entwickeln. Am wichtigsten ist aber, sich bewusst zu sein, dass es hier um den Aufbau einer Marke und nicht um Recruiting an sich geht. Wenn das der Fall ist, hat man schon viel gewonnen.
Du bist als Leiter „Corporate & Employer Branding“ im Klinikverbund Südwest tätig. Wie seid Ihr in diesem Bereich strukturiert und wie muss man sich Deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Wie man aus meiner Jobbezeichnung heraushören kann, gliedert sich meine Tätigkeit in zwei Bereiche. Auf der einen Seite geht es um Branding und Marketing. Wir sorgen also dafür, dass der Klinikverbund Südwest mit seinem Leistungsangebot gut im Markt positioniert ist und langfristig auch entsprechend seinen Markenwerten wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite stehen die Human Resources, also Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Es geht also sowohl um eine langfristige als auch eine mittel- und kurzfristige Perspektive wie beispielsweise das Bewerbermanagement. Dass das Recruiting in meinem Bereich angesiedelt ist, ist keine Selbstverständlichkeit, aber die drei HR-Ebenen zusammen zu denken, ist aus meiner Sicht essenziell.
Jetzt hat die Corona-Pandemie gerade die Unternehmen im Gesundheitswesen enorm gefordert. Wie hat die Pandemie Deinen Arbeitsalltag beeinflusst?
Mein Arbeitsalltag hat schon vor der Pandemie ein sehr weites Feld abgebildet, das von hohem Druck geprägt war, aber durch Corona kamen zusätzliche Unsicherheitsfaktoren hinzu. Ständig sind neue Verordnungen erschienen, die wir umzusetzen hatten. Was auch immer die Politik beschlossen hatte, wir hatten den Stress, dies innerhalb kürzester Zeit umzusetzen. Und weil die Lage in den Wellen unübersichtlich war, mussten wir uns vorsichtshalber auch um die Rekrutierung von Freiwilligen kümmern, was den Druck nochmal stark erhöht hat.
Du hast vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Employer Branding im Gesundheitswesen“ herausgegeben. Was können die Leser davon erwarten?
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil kommt von mir und gibt eine theoretische Einordnung darüber, was Employer Branding ist und was nicht. Darin gehe ich auch auf den idealtypischen Aufbau und seine Phasen sowie die Besonderheiten des Gesundheitswesens ein. Im zweiten Teil stellen Beratungen und Agenturen, die tief in dieser Thematik verankert sind, Spezialthemen vor. Und im dritten Teil stellen Best Cases aus dem gesamten Gesundheitswesen ihre Arbeit vor.
Lass uns zum Abschluss bitte noch einen Blick in die Glaskugel werfen: Wie wird sich, Deiner Meinung nach, das Employer Branding in der Gesundheitsbranche in den nächsten Jahren verändern?
In den letzten Jahren haben einige wenige Beispiele gezeigt, dass gutes Employer Branding im Gesundheits- und auch im Krankenhauswesen großartige Ergebnisse erzielen kann. Beispiele im Krankenhauswesen sind: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Uniklinik RWTH Aachen, Helios Region Ost, Paracelsus-Kliniken und die DRK Kliniken Berlin. Im Gesundheitswesen insgesamt stechen beispielsweise Merck, AbbVie und Chiesi hervor. Hier ruht meine Hoffnung darauf, dass sich mehr Arbeitgeber trauen, diesen Vorbildern nachzueifern. Das ist aber auch nur eine Hoffnung, denn man kann derzeit noch nicht sagen, wie sich die Branche in den nächsten Jahren aufgrund der engen Budgets und der noch andauernden Corona-Pandemie entwickeln wird.
Zur Person:
Martin Camphausen ist Leiter Corporate und Employer Branding im Klinikverbund Südwest. Er ist einer der bekanntesten Köpfe im Gesundheitswesen beim Thema Arbeitgebermarke. Im Jahr 2020 hat er das Buch „Employer Branding im Gesundheitswesen“ herausgegeben.