Wohl nie zuvor standen Impfungen so sehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses wie in diesen Wochen. Seit es wirksame Impfstoffe gegen COVID-19 gibt und berechtigte Hoffnung besteht, mit den Vakzinen die Pandemie hinter sich zu lassen, hat sich ein regelrechter Impf-Run entwickelt. Zum Glück gehen nahezu alle Impfungen problemlos von statten, in einzelnen Fällen allerdings nicht. Heftige Impffolgen bis hin zu seltenen Todesfällen lassen Haftungsfragen aufkommen. Ärzte sind bei der Haftung für Impfschäden mit im Fokus.
Das Haftungsthema entzündet sich derzeit vor allem am Impfstoff von AstraZeneca, um den es von Anfang an viel Ärger und Wirrnis gab. Erst eskalierte ein Streit zwischen der EU und dem Hersteller um nicht eingehaltene Lieferverpflichtungen, dann wurde der Impfstoff wegen nicht ausreichender Tests für höhere Altersgruppen zunächst nicht freigegeben. Als bei jüngeren Frauen Sinusvenenthrombosen und in der Folge vereinzelte Todesfälle auftraten, machte man genau das Gegenteil. Der Impfstoff wurde nur noch bei Älteren jenseits der 60 verimpft. Einige Bundesländer haben das AstraZeneca-Mittel inzwischen aber wieder für Unter-60-Jährige freigegeben, wenn diese sich freiwillig und nach ausführlicher ärztlicher Beratung impfen lassen wollen. Gerade in diesem Kontext – aber nicht nur in diesem – kommt die ärztliche Haftung ins Spiel.
Wer haftet bei Impfschäden?
Grundsätzlich sind es drei Akteure beim Impfgeschehen, die haftungsmäßig in der Pflicht sein können: der bzw. die Hersteller, der Staat und der impfende Arzt. Dabei gibt es eigentliche klare Zuständigkeiten, was die Haftung betrifft:
- der Hersteller haftet für Produktmängel und Fehler bei der Produktion seines Vakzins;
- der Staat haftet für Impfschäden, die durch Fehler bei der Prüfung und Zulassung sowie im Zuge der öffentlichen Impfanordnung bzw. -empfehlung entstehen;
- der Arzt ist in der Haftung, wenn er Impflinge unzureichend aufklärt oder Fehler beim Impfen macht und es dadurch zu Schäden kommt.
Neu – „Lex AstraZeneca“ im Infektionsschutzgesetz
Das ist theoretisch eine klare Abgrenzung. In der Praxis lassen sich die Grenzen aber nicht so eindeutig ziehen. Das zeigt sich gerade bei dem umstrittenen Impfstoff von AstraZeneca. Bei der Freigabe des Mittels für Unter-60-Jährige bestand bisher bei der Haftung eine Grauzone. Offiziell empfohlen ist der Impfstoff nur für Über-60-Jährige. Hier wäre bei Impfschäden, für die weder ein ärztlicher Fehler noch der Hersteller verantwortlich gemacht werden kann, der Staat in der Pflicht. Bei der freiwilligen Verimpfung an Jüngere ließe sich die Staatshaftung dagegen leicht in Zweifel ziehen, das Haftungsrisiko verbliebe beim Arzt.
Um eine eindeutige Rechtslage herzustellen, ist das Infektionsschutzgesetz jetzt so geändert worden, dass auch freiwillig Geimpfte bei Impfschäden in den Genuss des staatlichen Versorgungsanspruchs kommen. Der Arzt wird demnach von der Haftung freigestellt, das gilt natürlich nicht für von ihm selbst zu vertretende Impffehler. Die Neuregelung ist auf die spezielle Situation im Zusammenhang mit Corona-Schutzimpfungen ausgerichtet. Diese Sondersituation ist für den normalen Impfalltag untypisch.
Kausalzusammenhang muss nachgewiesen werden
Hier kann ein Anspruch aus der Arzthaftung beim Impfen durchaus auftreten. Die Haftung entsteht aus einem Behandlungsfehler oder aus einem Aufklärungsfehler. Der Impfschaden zeigt sich in einer durch die Impfung hervorgerufenen gesundheitlichen Beeinträchtigung bzw. Schädigung. Sie kann vorübergehender oder dauernder Natur sein – bis hin zum Tod im Extremfall. Eine normale Impfreaktion stellt dagegen keinen Impfschaden dar.
Aus Sicht der Geschädigten besteht die Schwierigkeit bei Impfschäden in der Regel darin, einen Kausalzusammenhang zwischen der Impfung, dem eingetretenen Schaden und einem ärztlichen Fehler nachzuweisen. Das ist fast immer nur mit einer fundierten medizinischen Begutachtung – bezogen auf den konkreten Fall – möglich. Ein allgemeiner Verweis auf bekannte mögliche schädliche Nebenwirkungen reicht jedenfalls nicht aus. Arzthaftung bei Impfungen kommt daher tatsächlich nur selten vor. Trotzdem will kein Arzt gerne in eine entsprechende rechtliche Auseinandersetzung verwickelt sein.