
Ein/e Arzt/Ärztin darf perfektes Arbeiten im Team als selbstverständlich voraussetzen. Was gibt es da zu loben? Die Mitarbeiter/innen erhalten nur dann Feedback für ihre besondere Leistung, wenn sie selbst über einen schwierigen Fall berichten. Dabei stärkt Anerkennung das Selbstwertgefühl und erhöht die Arbeitszufriedenheit. Wie Praxisleitungen mit richtigem Maß Anerkennung aussprechen, lesen Sie in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Weshalb Anerkennung schwierig ist
Die Arztpraxis ist kein Streichelzoo. Die Mitarbeiter/innen werden zum Arbeiten angestellt und dafür bezahlt. Es besteht also keine sachliche Notwendigkeit, eine Leistung ausdrücklich anzuerkennen. So rechtfertigen Ärzte/-innen ihr sparsames Loben: „Wenn ich zu viel lobe, zieht das Lob nicht mehr“. Oder: „Fängt man einmal mit Anerkennung an, kommen die Mitarbeiter/innen noch auf die Idee, mehr Gehalt zu verlangen.“
Für Leistungen gibt es nicht immer einen exakten Maßstab, so lassen sich, z.B. Freundlichkeit und Engagement nicht messen, wie die Temperatur auf dem Fieberthermometer. Die Bewertung ist oft Gefühlssache. Zudem überschätzen Mitarbeiter/innen gerne ihre eigene Leistung. Was Durchschnitt ist, bewerten sie höher und warten auf Anerkennung. Anerkennung kann man auch kritisch sehen. Der Arzt/die Ärztin entwickelt eine Erwartungshaltung, so dass er/sie dieser Person immer mehr schwierige Aufgaben überträgt und mit sehr guten Arbeitsergebnissen rechnet. Besondere Leistung wird mit der Zeit zur Normalleistung und betrifft das ganze Praxisteam.
Anerkennung ist ein Bedürfnis
Durch Anerkennung werden Leistungsreserven der Mitarbeiter/innen aktiviert, sie erleben einen nachhaltigen Motivationsschub. Besonders jüngeres Personal braucht bei hohen Anforderungen Feedback von Vorgesetzten. Ein absolutes No-Go ist die Einstellung „Wenn ich nichts sage, bin ich zufrieden. Bin ich nicht zufrieden, melde ich mich.“
Positives Feedback nach dem Gießkannenprinzip kommt aber nicht gut an. Zu viel ist ebenso unangebracht wie zu wenig. Denn was ständig anerkannt wird, verliert an Wirkung. Zielorientiertes Feedback für eine gute Leistung ist ein wichtiges Instrument erfolgreicher Praxisführung. Anerkennung zeigt Wahrnehmung, und macht Wertschätzung einer besonderen Leistung deutlich. Wer gelobt wird, erlebt eine stärkere Bindung an die Arztpraxis (Mitarbeiter-Retention) und wird „Dienst nach Vorschrift“ vermeiden. Für Normalleistung ist keine Rückmeldung erforderlich und wird auch nicht vom Team erwartet.
Wer Anerkennung erfährt, wird nicht nur in seinem Selbstvertrauen gestärkt, sondern will das anerkannte Verhalten reproduzieren. Oder sogar noch verstärken. Der Mechanismus, erfolgreiches Verhalten sofort zu wiederholen, ist wissenschaftlich gründlich untersucht und bestätigt worden. Spitzensportler/innen sind der beste Beweis, sie wollen ihre Position unter keinen Umständen aufgeben und setzen sich unter Druck, damit sie auch den nächsten Wettkampf gewinnen.
Mitarbeiter/innen, die Anerkennung erfahren:
1. Erhöhen ihr Engagement und sind stärker motiviert
2. Zeigen Praxisbindung, die Fluktuationsrate sinkt
3. Sind auch Vorbild für die Kollegen/-innen
4. Versuchen, das hohe Leistungsniveau zu halten
5. Stecken auch mal Kritik ein, weil Anerkennung Kritik ausgleichen kann
6. Vermitteln auch ihren Vorgesetzten Anerkennung
Die richtigen Worte finden
Anerkennung hat einen gruppendynamischen Effekt, d.h. wenn jemand sich besonders einsetzt und dafür anerkannt wird, strengen sich die Kollegen/-innen an, damit auch sie ein Lob erhalten. Die Person „revanchiert“ sich meist, in dem sie sich positiv über „ihre/n Vorgesetzte/n“ und die Praxis äußert. Anerkennung ist ein wichtiges Instrument erfolgreicher Praxisführung.
Positive Bewertung darf nicht aufgesetzt sein, sie muss von innen heraus kommen, damit sie glaubwürdig wirkt. Die Bestätigung mit einem „Okay“ oder „Einverstanden“ ist dürftig und wird von dem/-r Mitarbeiter/in nicht als Anerkennung wahrgenommen. Wirkungsvoll ist die Ich-Botschaft: „Ich finde es sehr gut, wie du in dieser Situation beim Patienten Mustermann reagiert hast“. Die Botschaftsform „Ich“ wirkt als persönliche Wertung und motoviert nachhaltiger als die Formulierung „Es war gut, wie …“.
Die Wirkung kann weiter gesteigert werden, wenn die MFA gefragt wird, wie sie es geschafft hat, z.B. in einer schwierigen Situation angemessen zu reagieren. Anerkennung, die begründet ist und sofort erfolgt, wirkt doppelt. Wer aus dem Praxisteam, sehr gute Leistung bringt, oder besonderen Einsatz zeigt, erwartet positives Feedback, sonst entsteht Gleichgültigkeit. Anerkennung darf keinesfalls mit Kritik vermischt werden: „Du bist aber schnell heute, früher hast du doch immer so viel Zeit dafür gebraucht.“
Formen positiver Rückmeldung
Wer beliebt ist, darf nicht mehr Anerkennung erhalten als andere. Es verstößt gegen das Prinzip der Gleichbehandlung, wenn Beliebtheit das Maß der Anerkennung bestimmt. Positive Bewertung eines/-r Mitarbeiters/-in lässt Neid unter den Kollegen/-innen aufkommen und kann sie sogar unbeliebt machen.
Warum muss positive Rückmeldung immer nur von Seite des Arztes/der Ärztin kommen? Auch Mitarbeiter/innen können sich untereinander etwas Nettes sagen. Für jüngere im Team, die anfangs noch unsicher sind, sind Kollegen-Komplimente Balsam für die Seele, es motiviert sie zu weiterem Einsatz. Wer etwas Nettes erfährt, freut sich nicht nur, sondern sucht auch einen Anlass, dem/-r Kollegen/-in auch etwas Nettes zu sagen. Das muss sich nicht nur auf die Arbeit beziehen. Komplimente zeigen nicht nur Wertschätzung, es erhöht die Hilfsbereitschaft und Kollegialität, was für das Betriebsklima so wichtig ist.
Was kann anerkannt oder gelobt werden? Im Blickpunkt stehen die persönlichen Merkmale des/-r Mitarbeiters/-in, mit denen sie besondere Leistungen erbringt: Zuverlässigkeit, Belastbarkeit, Verantwortungsbereitschaft, perfekter Umgang mit Geräten und eine hervorragende Fachkompetenz verdienen auf jeden Fall eine positive Rückmeldung, vor allem bei jüngeren Mitarbeitern/-innen. Anerkennung muss allerdings auch verdient sein. Jede/r will genau wissen, warum er/sie gelobt wird. Wer ohne Grund gelobt wird, fühlt sich schnell manipuliert. Wenn Überstunden nötig sind, ist ein vorangestelltes Lob an alle nicht ernst gemeint, sondern nur Stimmungsmache für die bevorstehenden Überstunden.
Kriterien: Was kann man als Arzt/Ärztin anerkennen?
1. Fachkenntnisse
2. Fertigkeiten
3. Auffassungsgabe
4. Selbstständigkeit
5. Arbeitstempo
6. Pünktlichkeit
7. Belastbarkeit
8. Umgang mit Patienten/-innen
9. Verantwortungsbereitschaft
10. Flexibilität
11. Zuverlässigkeit
12. Termingerechtes Arbeiten
13. Kooperation mit anderen
14. Sorgfalt
Signale der Wertschätzung
Zusätzlich zu Lob und Anerkennung kann man sich auch wertschätzend verhalten: gemeinsam verbrachte Pausen, in denen man nicht über die Arbeit, sondern über Privates spricht. Der gemeinsame Grillabend oder die Einladung in ein Restaurant wird vom Personal positiv gesehen und motiviert das Team. Auch die Geburtstagsgratulation zählt zur Wertschätzung, wobei es auf die Worte ankommt, denn ein einfaches „Herzlichen Glückwunsch“ ist sicher steigerungsfähig.
Kommt die Wertschätzung von innen heraus, ist es nicht nötig, ein paar Sätze vorzubereiten. Wem aber der eigene Geburtstag nicht sehr wichtig ist, der wird auch Geburtstage des Personals nicht oder oberflächlich wahrnehmen. Auch die Erkrankung des/-r Ehepartners/-in oder der Kinder und die Frage nach dem Wohlbefinden sind unabhängig von guter Leistung ein Signal der Wertschätzung und verbessern die persönlichen Kontakte.